TE OGH 1985/1/31 7Ob1/85

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Veröffentlicht am 31.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut W***, Wirtschaftstreuhänder, Linz, Pulvermühlstraße 23, vertreten durch Dr.Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O*** W*** V***, Linz,

Gruberstr. 32, vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 72.276,67 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1984, GZ.2 R 169/84-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. April 1984, GZ.2 Cg 495/82-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 72.276,67 S samt 4 % Zinsen seit 24.März 1982 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen".

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 13.997,61 S (darin 1.380 S Barauslagen und 984,36 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 5.920,30 S (darin 1.000 S Barauslagen und 447,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 4.153,50 S (darin 1.200 S Barauslagen und 268,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert. Dem Versicherungsvertrag lagen die allgemeinen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung von Vermögensschäden der Wirtschaftstreuhänder (AVBW) zugrunde. Nach Art 1 dieser Bedingungen gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetz einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes für einen Vermögensschaden als schadenersatzpflichtig in Anspruch genommen wird.

Vom Kläger wurde im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater auch die Firma Verena-Moden Bekleidungsgesellschaft m.b.H. betreut. Bei dieser Firma war Florentine Schön als Arbeiterin beschäftigt. Ihr Dienstverhältnis wurde am 11.11.1980 gekündigt. Als Schön nach einem Arbeitssuchtag nicht zur Arbeit erschien, rief eine Angestellte der Firma in der Kanzlei des Klägers an und erkundigte sich bei dem Angestellten des Klägers Heinz Pfaffenberger, was zu tun sei. Pfaffenberger erklärte, daß er Frau Schön wegen vorzeitigen Austrittes abmelden werde, was er auch noch am selben Tag tat. Florentine Schön erschien die restliche Woche nicht am Arbeitsplatz. Erst am 14.11.1980 überbrachte ihr Lebensgefährte der Firma eine Arbeitsunfähigkeitsanzeige. Heinz Pfaffenberger erklärte hiezu, die Sache sei erledigt, die Krankenstandsbescheinigung sei gegenstandslos. Als Florentine Schön am 19.11.1980 nach Beendigung des Krankenstandes den Dienst antreten wollte, wurde ihr dies mit dem Hinweis verwehrt, sie sei schon abgemeldet. Am 16.12.1980 wurde ihr von einem Arzt eine Schwangerschaft im zweiten Monat bestätigt. Noch am selben Tag teilte sie dies der Fa.Verena-Moden mit, wobei sie sich arbeitsbereit meldete. Als auch dieses Schreiben Pfaffenberger vorgelegt wurde, erklärte er es als gegenstandslos. Er gab der Firma die Auskunft, daß das Verhalten der Florentine Schön einen vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis darstelle. Am 27.2.1981 klagte Florentine Schön die Firma Verena-Moden auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses und auf Lohnfortzahlung. Das arbeitsgerichtliche Verfahren endete mit Urteil vom 16.11.1981. Die Firma Verena-Moden wurde zur Zahlung eines Betrages von 77.517,50 S s.A. an Schön verurteilt. Das Feststellungsbegehren war fallengelassen worden, nachdem Florentine Schön am 19.8.1981 wegen Vorenthaltung des Lohnes ihren Austritt aus dem Dienstverhältnis erklärt hatte. Von dem Betrag, zu dessen Zahlung die Firma Verena-Moden verurteilt worden war, begehrte diese 75.276,67 S vom Kläger mit der Begründung, die Auskunft seines Angestellten Pfaffenberger sei falsch gewesen. Der Kläger verständigte hierauf die Beklagte, die ihm jedoch mit Schreiben vom 3.2.1982 mitteilte, daß aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil kein Verschulden der Kanzlei des Klägers hervorgehe und außerdem Schäden aus unrichtigen arbeitsrechtlichen Auskünften des Klägers nicht vom versicherten Risiko erfaßt seien. Der Kläger zahlte hierauf den verlangten Betrag und begehrt im vorliegenden Verfahren unter Hinweis auf den Versicherungsvertrag den Ersatz von 72.276,67 S s.A. Beide Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben, wobei sie den Standpunkt vertraten, der Kläger hafte gemäß § 1313 a ABGB für die schuldhaft erteilte unrichtige Auskunft seines Angestellten Pfaffenberger. Durch dessen unrichtige Auskunft sei der Firma Verena-Moden ein Schaden in der Höhe jenes Betrages erwachsen, den sie auf Grund des arbeitsgerichtlichen Urteiles der Florentine Schön habe zahlen müssen. Da der Kläger der Firma Verena-Moden schadenersatzpflichtig gewesen sei, habe ihm die Beklagte den geleisteten Betrag auf Grund der abgeschlossenen Haftpflichtversicherung zu ersetzen.

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist berechtigt.

Soweit die Beklagte dem Begehren des Klägers mit dem Hinweis auf Art 4 I 4 AVBW entgegentritt, ist ihr Standpunkt allerdings nicht gerechtfertigt. Nach diesen Bestimmungen sind Schadensstiftungen durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Beklagte hat zwar in der Tagsatzung vom 21.11.1983 (S 45 d A) eine wissentliche Pflichtverletzung des Klägers eingewendet, diese Einwendung jedoch nicht konkretisiert. Weder aus den Feststellungen, noch sonst aus irgendeinem Verfahrensergebnis kann auf eine solche wissentliche Pflichtverletzung des Klägers geschlossen werden. Demnach erweist sich die betreffende Einwendung der Beklagten als nicht zielführend. Zutreffend gehen alle Beteiligten und auch die Vorinstanzen davon aus, daß nur eine auf Grund einer Schadenersatzpflicht erfolgte Leistung des Klägers einen Versicherungsfall begründen würde. Dies würde aber einen adäquaten Schaden im Vermögen desjenigen voraussetzen, dem der Kläger Ersatz geleistet hat. Nach § 1293 ABGB heißt Schaden jeder Nachteil, welcher jemandem am Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Es kommt auf die in Geld meßbaren nachteiligen Veränderungen des Vermögens des Geschädigten an (Koziol-Welser 6 I, 333). Der Schaden setzt also einen Nachteil am Vermögen voraus. Nachteil am Vermögen ist jede Vermögensänderung nach unten, der kein entsprechendes Äquivalent gegenübersteht (Reischauer in Rummel, Rdz 5 zu § 1293). Die primäre Funktion des Schadenersatzrechtes liegt in der Verwirklichung des Ausgleichsgedankens (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 3). Der Schaden ist daher durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögensstand abzuziehen. Diese Differenz deckt sich betragsmäßig mit dem Interesse des Geschädigten an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 13, SZ 53/107, SZ 53/173, SZ 50/50 u a). Der Schaden kann unter Umständen auch im Gebrauchsentgang (Koziol, aa0 41 ff) oder in einem nutzlos gewordenen Aufwand (Koziol aa0 48 ff) bestehen. Desgleichen stellt ein Verlust infolge Behinderung der Ausnützung der Arbeitskraft für denjenigen, dem die Arbeitsleistung erbracht werden soll, einen wirklichen Schaden dar (Wolff in Klang 2 VI, 4; SZ 29/43 u a). Voraussetzung ist aber immer, daß hiedurch eine tatsächliche Vermögensbeeinträchtigung eingetreten ist oder, wie im Falle des Gebrauchsentganges, sich zumindestens ideelle Verluste, wie z.B. solche von an Annehmlichkeit und Freizeit ergeben haben. Auch mit einer objektiv abstrakten Schadensberechnung kann kein Schaden konstruiert werden, wenn die Differenzrechnung zum Ergebnis führt, daß ein Wertunterschied des beeinträchtigten Gutes nicht vorhanden ist (Koziol, aa0, 31). Wird durch Verschulden eines Dritten die Erbringung einer Arbeitsleistung durch denjenigen, dem der Geschädigte Lohnzahlungen zu leisten hat, vereitelt, so besteht der Schaden nicht in den frustrierten Aufwendungen, sondern im Entgang einer Gegenleistung (Koziol, in der Besprechung der SZ 53/173 in JBl 1981, 537 ff). Daraus ergibt sich aber, daß kein Schaden entsteht, wenn die Arbeitsleistung des verhinderten Arbeitnehmers durch Kollegen ohne eine damit für den Arbeitgeber verbundene Mehrleistung, wie z.B. Überstundenentgelt, erbracht wird (Reischauer in Rummel, Rdz 11 zu § 1293).

Im vorliegenden Fall könnte demnach der Schaden der Firma Verena-Moden keinesfalls in dem Florentine Schön auf Grund des arbeitsgerichtlichen Urteiles zu erbringenden Entgelts gelegen sein, weil die Firma dieses Entgelt auch dann zahlen hätte müssen, wenn sie Florentine Schön weiterhin beschäftigt hätte. Ihr Schaden könnte nur darin liegen, daß sie die von Florentine Schön nicht erbrachten Arbeitsleistungen durch andere Personen, die sie zusätzlich entlohnen mußte, verrichten hat lassen oder daß ihr wegen Entfalls der Arbeitsleistung der Florentine Schön zusätzliche Aufwendungen an Überstundenentgelt an die verbliebenen Arbeiter erwachsen wären. Denkbar wäre auch ein Schaden dadurch, daß infolge Ausfalls der Arbeitskraft der Florentine Schön notwendige Arbeiten unterblieben oder sonst denkbare Verdienstmöglichkeiten unterlassen worden sind. Derartiges wurde aber vom Kläger nicht behauptet. Der Kläger hat im gesamten Verfahren erster Instanz ausschließlich auf die Verpflichtung der Firma Verena-Moden zur Zahlung des vertraglichen Entgelts an Florentine Schön verwiesen. Daß dieser Firma durch den Ausfall der Florentine Schön sonstige Auslagen oder Nachteile erwachsen wären, wurde vom Kläger nie geltend gemacht. Demnach fehlt es an einer schlüssigen Begründung des Schadenersatzanspruches. Der vorliegende Fall ist nicht mit jenem vergleichbar, der der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung (EvBl 1957/171) zugrundelag. Im dortigen Fall ist dem Kläger durch die unrichtige Beratung des Steuerberaters ein konkreter Mehraufwand an Steuern erwachsen. Dieser Mehraufwand stellt selbstverständlich einen zu ersetzenden Schaden dar. Die bloße Verpflichtung zur Zahlung des nach dem Vertrag vereinbarten Entgeltes an einen Dienstnehmer ist kein Schaden, weil dieser Aufwand auch bei vertragsgemäßem Verhalten des Dienstgebers zu zahlen gewesen wäre. Nach dem Vorbringen des Klägers hat aber der Ausfall der Dienstnehmerin Florentine Schön keinerlei Vermögensverschiebungen bei der Firma Verena-Moden nach unten über die Verpflichtung zur Zahlung des Entgeltes an Florentine Schön hinaus gebracht. Der Kläger war also nicht zur Schadenersatzleistung an die genannte Firma verpflichtet, weil dieser durch die unrichtige Auskunft seines Dienstgebers kein Schaden erwachsen ist. Mangels Schadenersatzpflicht des Klägers stellt seine Zahlung an die Firma Verena-Moden keinen Versicherungsfall dar, weshalb die Beklagte, entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen, nicht verpflichtet ist, dem Kläger seine Leistungen zu ersetzen.

Ein Schaden wären allerdings die im Arbeitsgerichtsprozeß aufgelaufenen Prozeßkosten und Zinsen. Auch hat der Kläger, zumindest nach seinem Vorbringen, derartiges nicht geleistet und begehrt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Allerdings war der Beklagten der vorbereitete Schriftsatz vom 26.3.1983 nicht zu ersetzen, weil hiefür keine prozessuale Notwendigkeit bestand.

Anmerkung

E08938

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00001.85.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19850131_OGH0002_0070OB00001_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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