TE OGH 1985/2/14 6Ob696/84

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Veröffentlicht am 14.02.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ludowika K*****, und 2. Elisabeth N*****, beide vertreten durch Dr. Richard Kaan, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Helmut K*****, vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe sowie Rechnungslegung und Zahlung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 1984, GZ 4 R 6/84-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Juli 1983, GZ 25 Cg 330/82-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise stattgegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird insoweit als Teilurteil bestätigt, als über das Herausgabebegehren zu Punkt 1 der Klage und über das im Punkt 2 der Klage enthaltene Rechnungslegungsbegehren sowie über den Ersatz der bisherigen Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz abgesprochen wurde.

Die Aussprüche der Vorinstanzen über das im Punkt 2 der Klage enthaltene Leistungsbegehren werden dagegen ersatzlos aufgehoben.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit 10.169,31 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 960 S und an Umsatzsteuer 837,21 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

An der städtischen Liegenschaft besteht Alleineigentum. An vier Zehntelanteilen kommt der Erstklägerin an weiteren drei Zehntelanteilen der Zweitklägerin die Fruchtnießung zu, die restlichen drei Zehntelanteile sind nicht mit einem Fruchtgenuss belastet. Der Beklagte übt die Hausverwaltung aus. Er war hiezu seinerzeit von der Alleineigentümer beauftragt worden.

Der Beklagte anerkennt einen Widerrruf des Hausverwaltungsauftrags durch die beiden Fruchtgenussberechtigten nicht und befolgte demgemäß auch deren Aufforderungen zur Legung der Schlussrechnung und Übergabe sämtlicher Verwaltungsunterlagen an die von den Fruchtnießerinnen bestellte neue Hausverwalterin nicht.

Die beiden Fruchtnießerinnen begehrten die Verurteilung des Beklagten 1.) zur Übergabe sämtlicher in seinen Händen befindlichen, mit der Verwaltung des Hauses im Zusammenhang stehenden bzw zur Verwaltung des Hauses erforderlichen Unterlagen zu Handen der neu bestellten Verwalterin und 2.) die Rechnungslegung und die Zahlung der Beträge, die nach der zu legenden Endabrechnung auf die beiden Klägerinnen entfallen.

Der Beklage wendete ein, die beiden Klägerinnen hätten gegen seine seinerzeitige Bestellung zum Hausverwalter durch die Alleineigentümerin keinen Einwand erhoben, die Alleineigentümerin wünsche nach wie vor seine Verwaltungstätigkeit, die Aufkündigung seitens der Klägerinnen sei unwirksam, weil diese nicht „einseitig und entgegen der bisherigen Regelung von sich aus diesen vertragsmäßigen Zustand beenden oder beseitigen“ könnten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren voll statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, dass der von der Bestätigung betroffene Streitgegenstand 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige, sowie dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

In rechtlicher Beurteilung folgerte das Erstgericht, die beiden Klägerinnen stünden als Fruchtnießerinnnen mit der Alleineigentümerin, der die Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse in Ansehung der Gesamtliegenschaft nur hinsichtlich ihres unbelasteten drei Zehntelanteils zukäme, bezüglich der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse in einer nach den Grundsätzen der §§ 825 ff ABGB zu beurteilenden Rechtsgemeinschaft. Der Beklagte sei zu keinem besonderen Zweck zum Verwalter des Hauses bestellt worden. Seine Enthebung – unter gleichzeitiger Bestellung einer anderen Fremdverwalterin – durch die Mehrheit binde – als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung – auch die Minderheit.

Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Beurteilung. In Erwiderung auf den Standpunkt des Rechtsmittelwerbers betonte es einerseits, dass die Grundsätze über die nach den Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB geregelten Rechtsgemeinschaft hinsichtlich der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse auch zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Anteilsfruchtnießer anzuwenden seien; andererseits hob es hervor, dass die Auswechslung eines Verwalters der gemeinsamen Sache einen Akt der ordentlichen Verwaltung darstelle, bei dem die Mehrheit der Stimmen entscheide, wenn der Verwalterbestellung nicht ein Vertrag aller Teilnehmer untereinander und mit dem Dritten zugrunde liege und mit der Bestellung ein bestimmter besonderer Zweck verfolgt worden sei. Eine vertragliche Bindung im erwähnten Sinne sei aber nicht schon daraus abzuleiten, dass es die fruchtgenussberechtigten Klägerinnen bei der Verwaltung durch den seinerzeit von der Alleineigentümerin bestellten Beklagten in stillschweigender Zustimmung hätte bewenden lassen.

Der Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Klägerinnen machen geltend, dass die angefochtene Berufungsentscheidung mit der bisherigen Rechtsprechung im vollen Einklang stünde. Sie beantragen die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Revisionswerber übergeht die Beschränkung der Anfechtung auf die im § 503 Abs 2 ZPO angeführten Gründe. Es ist aber zu prüfen, ob er mit seinen dem Revisionsgrund nach „§ 503 Z 4 ZPO“ unterstellten Rechtsmittelausführungen nicht doch einen Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO zu einer in sich schlüssigen Darstellung bringt.

Der Revisionswerber beharrt zunächst auf der Rechtsansicht, dass zwar die Rechtsbeziehungen zwischen Fruchtnießern von Anteilen verschiedener Miteigentümer untereinander oder auch im Zusammentreffen mit den Befugnissen des Eigentümers eines unbelasteten Miteigentumsanteils nach den Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB geregelt würden und auch durchzusetzen seien, nicht aber die Rechtsbeziehungen zwischen Fruchtnießern von Anteilen einer im Alleineigentum stehenden Liegenschaft und dem Alleineigentümer in seiner Stellung als Ausübender der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse in Ansehung seines unbelasteten Anteils.

Klang lehrte zu dieser Fallgestaltung wörtlich: „Endlich kann der Fruchtgenuss auch an dem Anteil einer im Alleineigentum stehenden Sache begründet werden. Hier wird der Fruchtnießer so behandelt, wie wenn der Eigentümer Fruchtnießer der übrigen Bruchteile wäre“ (Klang-Komm2, II., 583, Z 3 lit b) zu § 509).

Die Rechtsprechung ist der Lehre Klangs uneingeschränkt gefolgt (vgl die Zitate von Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 8 § 825 und Rdz 9 zu § 833). Das Revisionsgericht hatte allerdings, soweit überblickbar, die Rechtsbeziehungen zwischen einem Liegenschaftsalleineigentümer als demjenigen, dem die Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse in Ansehung seiner unbelasteten Liegenschaftsanteile zukommt, und einem Bruchteilsfruchtnießer nur im Falle einer Meinungsverschiedenheit über die Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache (MietSlg 31.225), nicht auch im Falle einer Meinungsverschiedenheit über die Ausübung der Verwaltungsrechte (wie hier) zu beurteilen.

Es besteht zwar entgegen der Ansicht des Revisionswerbers in Ansehung der Verwaltungsbefugnisse keinerlei Grund, anders zu entscheiden wie im Falle der Benutzungsbefugnisse, zumal der Rechtsmittelwerber mit seinen Revisionsausführungen verkennt, dass nicht die Beziehungen des Alleineigentümers in seiner – in dieser Hinsicht gesondert zu sehenden – Stellung als Eigentümer des mit dem Fruchtgenuss belasteten Anteils zum Dienstbarkeitsberechtigten, sondern, da dieses Recht und die konkret draus fließenden Befugnisse unbestritten sind, ausschließlich die Beziehungen des Alleineigentümers in seiner Stellung als Eigentümer des fruchtgenussfreien Anteils zu den Fruchtnießern der übrigen Anteile Gegenstand des Interessenkonflikts sind; die Regelungen nach § 523 ABGB sind daher unanwendbar (vgl die ausdrückliche Hervorhebung von Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 825, dass zwischen Eigentümer und Fruchtnießer desselben Anteils keine nach den §§ 825 ff ABGB zu beurteilende Rechtsgemeinschaft vorliegt): die spruchmäßige Klärung dieser Rechtsfrage erscheint im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifiziert. Da die Entscheidung der Rechtssache von der Lösung dieser Frage abhängt, ist die Revision zulässig.

Aus den dargelegten, auf der Lehrmeinung von Klang beruhenden Darlegungen ist die vom Revisionswerber getroffene Unterscheidung zwischen Fruchtnießern an ideellen Liegenschaftsanteilen verschiedener Miteigentümer und Fruchtnießern an Anteilen einer im Alleineigentum stehenden Liegenschaft weder für die Willensbildung innerhalb der Rechtsgemeinschaft noch für die Durchsetzung des Gemeinschaftswillens erheblich. In dieser Hinsicht ist die Revision daher nicht stichhältig.

Der Revisionswerber hält aber auch an seiner Meinung fest, er sei als Verwalter nicht durch Mehrheitsbeschluss der Teilnehmer an der Gemeinschaft abberufbar.

Die Verwaltungstätigkeit des Rechtsmittelwerbers beruht auf einem Vertrag, den die Alleineigentümerin als alleinige Nutzungsberechtigte mit ihm geschlossen hatte und in den die Klägerinnen als Bruchteilsfruchtnießerinnen eingetreten sind. Der Rechtsmittelwerber hat in erster Instanz keinerlei Eigeninteressen an der Verwaltung und eine deshalb oder aus anderen Gründen ihm gegenüber aus Anlass seiner Bestellung durch die Alleineigentümerin oder später, etwa aus Anlass des Eintritts der Klägerinnen in das Vertragsverhältnis, eingegangene Bindung der Auftraggeber behauptet. Er hat aber auch in erster Instanz jede konkrete Behauptung darüber unterlassen, dass die Teilnehmer der Gemeinschaft sich aus einem besonderen gemeinschaftlichen Willen zu einer Verwaltung des Hauses durch seine Person verbunden hätten. Eine über den Zweck jeder Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache hinausgehende Abrede der Teilnehmer kann aber allein aus der Tatsache, dass die Alleineigentümerin seinerzeit den Verwaltungsauftrag als Einzelperson erteilt hatte und die Klägerinnen es nach ihrem Eintritt in das Vertragsverhältnis mit dem Verwalter dabei bewenden ließen, nicht geschlossen werden. Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wäre das Alleineigentum eines fremdverwalteten Hauses im Erbwege auf mehrere Personen übergegangen, die es ohne weitere Abrede Jahre hindurch bei der vom Erblasser vertraglich begründeten Fremdverwaltung belassen; auch in einem solchen Fall kann aus dem Unterbleiben eines Widerrufs des Verwaltungsauftrags nicht auf eine besondere Bindung aller Liegenschaftsmiteigentümer als Auftraggeber geschlossen werden. Die vom Revisionswerber eingewendete schlüssige Bindung seiner Auftraggeber untereinander durch Unterbleiben einer früheren Beendigung des Verwaltungsverhältnisses ist nach § 863 Abs 1 ABGB nicht anzunehmen, weil mangels besonderer Umstände eine solche Bindung eben nicht unterstellt werden darf.

Es bedarf aus diesem Grunde keiner Erörterung, welche Umstände der internen Willensbildung seiner Auftraggeber der Revisionswerber gegenüber einer nur von der Mehrheit seiner Auftraggeber namens aller Teilnehmer an der Liegenschaftsnutzung ausgesprochenen Vertragsaufkündigung geltend machen könnte.

Die konkret eingewendeten Umstände der jahrelangen Aufrechterhaltung des von der Alleineigentümerin allein begründeten Vertragsverhältnisses sowie ihres nach wie vor aufrechten Wunsches nach einer Ausübung der Verwaltung durch ihn sind unbeachtlich.

Ist aber die Aufkündigung, gegen die außer den erwähnten Fragen nichts eingewendet worden war, als rechtswirksam anzusehen, dann ist das Begehren auf Legung einer Schlussrechnung und Ausfolgung der Verwaltungsunterlagen an den neuen Verwalter berechtigt und die Klägerinnen sind auch zur Geltendmachtung dieser Ansprüche befugt.

Das im Punkt 2 des Klagsantrags enthaltene ziffernmäßig noch unbestimmte Leistungsbegehren ist verfahrensrechtlich nach Art XLII Abs 3 EGZPO zu beurteilen. Über ein solches Begehren ist vor seiner betraglichen Bestimmung durch die klagende Partei nicht abzusprechen. Aus Anlass der als zulässig erkannten Revision waren die entsprechenden Aussprüche der Vorinstanzen nach dem derzeitigen Verfahrensstand ersatzlos aufzuheben; das angefochtene Urteil war im Übrigen als Teilurteil zu bestätigen.

Zum derzeit noch nicht bezifferten Leistungsbegehren war bisher keinerlei besonderer Verfahrensaufwand notwendig; der Rechtsmittelwerber erstattete zu diesem Punkt auch keine besonderen Rechtsmittelausführungen. Die Teilaufhebung kann daher keine Kostenfolgen auslösen (§ 43 Abs 2 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO.

Textnummer

E115666

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00696.840.0214.000

Im RIS seit

22.09.2016

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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