TE OGH 1985/2/14 8Ob65/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Anton Knees, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 108.749,39 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Juni 1984, GZ 7 R 37/84-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Dezember 1983, GZ 19 Cg 318/82-18, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, der beklagten Partei unter Fristsetzung die erforderlichen Aufträge zum Nachweis der Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Gottfried Hammerschlag durch Vorlage einer ordnungsgemäß unterfertigten Vollmacht zu erteilen.

Text

Begründung:

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 108.749,39 s.A.

Für die beklagte Gemeinde trat in diesem Rechtsstreit bisher Dr. Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Prozeßbevollmächtigter auf. Die von ihm vorgelegte Prozeßvollmacht ist vom Bürgermeister der beklagten Gemeinde unterschrieben und mit dem Gemeindesiegel versehen.

Rechtliche Beurteilung

Da die Klage am 23. 6. 1982 eingebracht wurde, kann die Bestimmung des § 30 Abs 2 ZPO (i.d.F der ZVN 1983) nicht angewendet werden und ist die Frage, ob die Prozeßvollmacht des für die Beklagte einschreitenden Rechtsanwaltes gehörig ausgewiesen ist, nach der vor Inkrafttreten der ZVN 1983 bestehenden Rechtslage zu beurteilen.

Danach haben Rechtsanwälte bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlung ihre Bevollmächtigung seitens der Prozeßparteien durch eine Urkunde (Prozeßvollmacht im Sinne des § 31 Abs 1 ZPO) darzutun, die in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorzulegen ist. Ihren Mangel hat das Gericht nach § 37 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen. Zu der in jeder Lage des Verfahrens bestehenden Prüfungspflicht des Gerichtes gehört auch die Beurteilung, ob die für eine juristische Person des öffentlichen Rechtes vorgelegte Prozeßvollmacht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form ausgestellt wurde (JBl. 1976, 96 ua.).

Nach ständiger Rechtsprechung muß die von einer Gemeinde ausgestellte Prozeßvollmacht zu ihrer Gültigkeit jenen Formvorschriften entsprechen, die die betreffende Gemeindeordnung für Urkunden, mit denen die Gemeinde privatrechtliche Verpflichtungen übernimmt, vorsieht (JBl. 1976, 96; 5 Ob 597/76; 3 Ob 562/79; 1 Ob 22/81 ua.).

Gemäß § 34 Abs 2 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 für Kärnten (AGO) obliegen dem Gemeinderat alle Aufgaben, die ihm durch Gesetz übertragen sind, und alle nicht behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches, die durch Gesetz nicht einem anderen Organ übertragen sind. Gemäß § 69 Abs 1 AGO vertritt der Bürgermeister die Gemeinde; gemäß § 69 Abs 3 AGO hat der Bürgermeister in den Angelegenheiten der Verwaltung der Gemeinde als Wirtschaftskörper die laufende Verwaltung zu führen und im Gemeinderat darüber zu berichten. Gemäß § 71 Abs 1 AGO bedürfen Erklärungen, durch die sich die Gemeinde privatrechtlich verpflichtet, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform und der Fertigung durch den Bürgermeister; gemäß § 71 Abs 2 AGO sind schriftliche Ausfertigungen von Verträgen vom Bürgermeister und einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstandes zu fertigen und mit dem Gemeindesiegel zu versehen. Liegt dem Vertrag ein Beschluß des Gemeinderates zugrunde, so hat die schriftliche Ausfertigung auch die Unterschrift eines Mitgliedes des Gemeinderates und einen Vermerk über die Beschlußfassung zu enthalten.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich, daß die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes durch die beklagte Gemeinde zur Vertretung in einem Schadenersatzprozeß, bei der es sich um keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt, nicht durch den Bürgermeister allein erfolgen kann, sondern daß dieser dazu eines Gemeinderatsbeschlusses bedarf. Daraus folgt weiter, daß die Fertigung einer diesbezüglichen Prozeßvollmacht nicht nach § 71 Abs 1 AGO, sondern nach § 71 Abs 2 AGO zu erfolgen hat. Die Prozeßvollmacht ist somit vom Bürgermeister und einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstandes zu fertigen und mit dem Gemeindesiegel zu versehen. Ferner hat sie, da ihr eine Beschlußfassung des Gemeinderates zugrundeliegen muß, auch die Unterschrift eines Mitgliedes des Gemeinderates und einen Vermerk über die Beschlußfassung zu enthalten (siehe dazu Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht 166 ff).

Da im vorliegenden Fall die für die beklagte Partei vorgelegte Prozeßvollmacht diesen Voraussetzungen nicht entspricht, ist die Vollmacht des für die beklagte Partei einschreitenden Rechtsanwaltes nicht gehörig ausgewiesen.

Die Akten waren daher dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückzustellen, im Sinne des § 37 Abs 2 ZPO der beklagten Partei unter Fristsetzung die erforderlichen Aufträge zum Nachweis der Bevollmächtigung des für sie einschreitenden Rechtsanwaltes durch Vorlage einer im Sinne obiger Ausführungen ordnungsgemäß unterfertigten Vollmacht zu erteilen.

Erst dann wird über das vorliegende Rechtsmittel abgesprochen werden können.

Textnummer

E05333

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00065.840.0214.000

Im RIS seit

10.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten