TE OGH 1985/2/26 4Ob2/85

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Veröffentlicht am 26.02.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer Prof. Dr. Halpern und Hon.Prof. Dr. Waas als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold A, Angestellter, Tulln, Lerchengasse 22, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B C STADT D, Tulln, Rathausplatz 8, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 24.881,-- samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 125.613,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 4. September 1984, GZ 7 Cg 18/84-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Tulln vom 16. Februar 1984, GZ Cr 58/83-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird und die Punkte 2.) bis 4.) des Berufungsurteiles zu lauten haben:

'Der klagenden Partei steht gegenüber der beklagten Partei ein Anspruch auf Bezahlung einer Haushalts- und Kinderzulage nach den §§ 56 und 57 des Kollektivvertrages für die Angestellten der Sparkassen zu.

Der von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung, es werde festgestellt, daß der klagenden Partei kein Anspruch gegenüber der beklagten Partei auf Bezahlung einer Haushalts- und Kinderzulage nach den §§ 56 und 57 des Kollektivvertrags für die Angestellten der Sparkassen zusteht, wird abgewiesen.' Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.310,65

bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 447,15

Umsatzsteuer und S 1.392,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei in erster Instanz zunächst den Betrag von S 24.881,-- brutto samt Anhang und brachte vor, diese habe ihm anläßlich seiner Bestellung zum Prokuristen in einer neuen Entgeltsregelung ein überkollektivvertragliches Gehalt, ein überstundenpauschale und eine Gehaltsvalorisierung gewährt. Die ihm nach dem Kollektivvertrag zwingend zustehende Haushalts- und Kinderzulage sei in dieser Vereinbarung nicht erwähnt, dem Kläger jedoch auch nach der neuen Gehaltsregelung ausbezahlt worden. Ab September 1982 habe die beklagte Partei dem Kläger jedoch diese beiden Zulagen vorenthalten. Die offene Forderung mache für die Zeit vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1983 unter Berücksichtigung von zwei Sonderzahlungen den eingeklagten Betrag aus.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, durch die Vereinbarung zwischen den Parteien vom November 1981 sei eine umfassende Regelung der Entlohnung des Klägers getroffen worden, wobei der Kläger günstiger als durch den Kollektivvertrag gestellt worden sei. In dem angeführten Begriff des 'Entgelts' seien sämtliche Geldleistungen, die dem Kläger zustünden, enthalten, was dem Kläger aus den vorangegangenen Gesprächen habe bekannt sein müssen. Die Weiterzahlung der Haushalts- und Kinderzulage durch einige Monate sei irrtümlich erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Kläger ist seit 1. Februar 1965 bei der beklagten Partei als Angestellter tätig. Mit Wirksamkeit vom 13. Oktober 1981 wurde er zum Prokuristen bestellt. Aus Anlaß seiner Bestellung wurden auch seine Bezüge in einem Sondervertrag einer Neuregelung zugeführt. Zur gleichen Zeit wurden auch die Bezüge des Direktors Josef E sowie des Direktorstellvertreters Karl F in einem Sondervertrag neu geregelt. Der Kläger wurde damals in das Büro des Direktor Josef E gerufen, der ihm mitteilte, daß er zum Prokuristen bestellt worden sei, und ihm das Original des Schreibens vom 10. November 1981 mit der überschrift 'Entgeltregelung im Zusammenhang mit Ihrer Prokuristenbestellung' vorlegte. In dem Schreiben heißt es ferner:

'Mit Wirksamkeit vom 13.10.1981 (mit Datum Ihrer Bestellung zum Prokuristen) wird Ihr Entgelt abweichend vom Kollektivvertrag wie folgt festgesetzt: 1.) Sie erhalten ein monatliches Gehalt von S 29.794,-- 15 x zahlbar, wobei das 13. Gehalt (Anschaffungsbeitrag), das 14. Gehalt (Urlaubsgeld) und das 15. Gehalt (Weihnachtsremuneration) am 1.3., 1.6. und 1.11. eines jeden Jahres fällig ist.' Im Punkt 2.) folgt die Regelung eines überstundenpauschales und im Punkt 3.) Bestimmungen über die Gehaltsvalorisierung. Der Kläger las dieses Schreiben und erklärte sich mit dem Inhalt einverstanden. Zwischen dem Kläger und Direktor E wurde der Inhalt des Schriftstückes lediglich dahin besprochen, daß der Kläger nunmehr 15 Gehälter erhalte, während er vorher 17 Gehälter bekommen habe. Direktor E wies den Kläger noch darauf hin, daß die Regelung der Bezüge in der Form erfolge, daß er einen Bruchteil der Bezüge des Direktors selbst erhalte, wobei auch über das Ausmaß dieses Bruchteils gesprochen wurde. Die Kinderzulage und die Haushaltszulage, die der Kläger bisher bezogen hatte, wurden bei diesem Gespräch nicht erwähnt. Den Inhalt des Schreibens vom 10. November 1981 faßte der Kläger so auf, daß die ihm zustehenden Leistungen der beklagten Partei lediglich in den in dem Schreiben behandelten Punkten 1.) bis 3.) im Sinne einer Besserstellung gegenüber dem Kollektivvertrag einer Sonderregelung zugeführt worden seien. Die mit dem Kläger, Direktor E und Direktorstellvertreter F abgeschlossenen Sonderverträge wurden der mit der Lohnverrechnung und Hauptbuchhaltung befaßten Angestellten der beklagten Partei, die bereits 40 Jahre in der Sparkasse tätig war, übergeben. Diese veranlaßte die Weiterzahlung der Kinder- und Haushaltszulage an den Kläger. Desgleichen wurden Kinder- und Haushaltszulage an Direktor E und die Haushaltszulage an Direktorstellvertreter F zur Auszahlung gebracht. Im August 1982 fand bei der beklagten Partei eine Revision des Hauptverbandes statt. Bei dieser Gelegenheit machte der Revisor den Direktor E darauf aufmerksam, daß diese Zulagen nicht zustünden, und ersuchte ihn, sich mit dem Prüfungsdirektor des Hauptverbandes in Verbindung zu setzen. Der Prüfungsdirektor schloß sich der Auffassung des Revisors an. Die bereits ausbezahlten Zulagen mußten nicht zurückgezahlt werden, jedoch wurde die Zahlung der Zulagen ab 1. September 1982 eingestellt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, bei der Auffassung des Klägers vom Inhalt der Vereinbarung habe das Verhalten der beklagten Partei, nämlich die Fortzahlung der Haushalts- und Kinderzulage durch 10 Monate, keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übriggelassen, daß sich die beklagte Partei in einer bestimmten Weise habe verpflichten wollen. Der Kläger habe daher einen Rechtsanspruch auf die Zulagen erworben. Das Klagebegehren sei nach den §§ 56 bis 58 und 166, 167 des Kollektivvertrages auch der Höhe nach berechtigt. Im Berufungsverfahren stellten zunächst die beklagte Partei und sodann der Kläger die aus dem Spruch ersichtlichen Zwischenanträge auf Feststellung.

Das Berufungsgericht wies auf Grund der Berufung der beklagten Partei das Leistungsbegehren und den Zwischenantrag des Klägers auf Feststellung ab und gab dem Zwischenantrag der beklagten Partei statt. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, wobei die Parteien außer Streit stellten, daß der Kläger in seiner finanziellen Entlohnung seit November 1981 bis dato besser gestellt ist, als wenn er nach dem Kollektivvertrag entlohnt würde, und daß ihn die Neuregelung des Bezuges ab November 1981 auch gegenüber der Zeit vorher besser stellt. Im Hinblick auf diese Außerstreitstellung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es erübrige sich, auf den Berufungsgrund der unvollständigen Sachverhaltsdarstellung einzugehen. Auch seien die Ausführungen zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln, weil im Hinblick darauf, daß zwischen den Parteien über die Frage, ob zusätzlich zur Entgeltsregelung im Schreiben vom 10. November 1981 die Haushalts- und Kinderzulage ausbezahlt würde, niemals irgendwelche Aussprachen stattgefunden hätten und insbesondere kein abweichender Parteiwille erklärt worden sei, so daß die Auslegung ausschließlich in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung falle.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, das Entgelt des Arbeitnehmers umfasse nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen ordentlichen oder außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art. Der Wortlaut der Vereinbarung könne objektiv nur dahin verstanden werden, daß die gesamte Regelung des Entgelts abweichend vom Kollektivvertrag festgesetzt werde. Eine derartige Regelung sei auch zulässig gewesen, weil die vertragliche Entlohnung des Klägers besser sei als die kollektivvertraglichen Ansprüche. Daß die beklagte Partei dem Kläger versehentlich die Zulagen eine Zeitlang ausbezahlt habe, sei ohne Bedeutung. Daraus könne der Kläger keinen Anspruch auf künftige Leistungen ableiten. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Kläger das Urteil des Berufungsgerichtes zwar seinem ganzen Inhalt nach bekämpft, im Abänderungsantrag jedoch nur die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt. Dem Vorbringen in der Revision ist jedoch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Kläger die Stattgebung seines gesamten Klagebegehrens einschließlich des Zwischenantrages auf Feststellung und die Abweisung des Zwischenantrages der beklagten Partei anstrebt, weshalb ihm der unvollständige Abänderungsantrag nicht zum Nachteil gereichen kann. Da unbestrittenermaßen die schriftliche Vereinbarung vom 10. November 1981

zwischen den Parteien nicht näher erörtert wurde, ist die Frage, ob dem Kläger weiterhin ein Anspruch auf die Haushalts- und Kinderzulage zusteht, allein aus dem Wortlaut dieser Vereinbarung in Verbindung mit den Bestimmungen des Kollektivvertrages und dem der Vereinbarung nachfolgenden Verhalten der Beklagten zu lösen. Die im Abschnitt B des Kollektivvertrages für die Angestellten der Sparkassen enthaltene Besoldungsordnung sieht als ordentliche Dienstbezüge das Monatsgehalt (§ 55), die Haushaltszulage (§ 56), die Kinderzulage (§ 57), Sonderzahlungen (§ 58), Funktionszulagen (§ 59), sonstige Zulagen (§ 60), überstundenentgelt (§ 61), Kassierfehlgeld (§ 62) und Trennungsentschädigung (§ 63) vor. Im Schreiben der beklagten Partei vom 10. November 1981 ist festgehalten, daß mit Wirksamkeit vom 13. Oktober 1981 das 'Entgelt' des Klägers abweichend vom Kollektivvertrag festgesetzt wird. In der Folge werden mehrere Punkte aufgezählt, nämlich die Festsetzung des monatlichen Gehalts fünfzehnmal zahlbar, wobei das dreizehnte Gehalt den Anschaffungsbeitrag, das vierzehnte das Urlaubsgeld und das fünfzehnte die Weihnachtsremuneration betrifft, also Sonderzahlungen im Sinn des § 58 Kollektivvertrag. Danach wird ein überstundenpauschale festgesetzt und schließlich die Gehaltsvalorisierung bestimmt. über sonstige im Abschnitt B des Kollektivvertrages geregelte ordentliche Dienstbezüge enthält die Vereinbarung nichts.

Für die Bedeutung einer Erklärung kommt es primär nicht auf den Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis an, daß ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte (Rummel in Rummel, ABGB I, Rdz 8 zu § 863 und Rdz 4 zu § 914; Koziol-Welser, Grundriß 6 I 72 f mwN;

SZ 49/64; SZ 54/111 uva.). Hier ist davon auszugehen, daß der Kläger bis zu seiner Ernennung zum Prokuristen die Haushalts- und Kinderzulage bezogen hat.

Wenngleich im Schreiben der beklagten Partei zunächst der Ausdruck 'Entgelt' verwendet wird, ergibt sich für den unbefangenen Leser, daß in der Folge nur die Abweichungen vom Kollektivvertrag aufgezählt werden sollten. Daß ein Anspruch des Klägers auf die Kinderzulage und die Haushaltszulage nicht ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich aus der Erwägung, daß es sich dabei um außerordentliche Entgeltsbestandteile handelt, die nicht an eine bestimmte Arbeitsleistung anknüpfen, sondern zur Erleichterung der Unterhaltspflichten des betreffenden Arbeitnehmers vom Arbeitgeber aus sozialpolitischen Motiven erbracht werden (4 Ob 57-59/84), wobei die Kinderzulage der Höhe nach auch von der Anzahl der Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird, abhängig ist. Da weder behauptet wurde noch im Verfahren hervorgekommen ist, daß bei der Neufestsetzung des Gehalts des Klägers auch auf dessen Kinderzahl und darauf Rücksicht genommen worden wäre, daß ihm nach dem Kollektivvertrag grundsätzlich ein Anspruch auf Haushaltszulage zustünde, und darüber nichts gesprochen wurde, durfte der Kläger das Schreiben so verstehen, daß von den kollektivvertraglichen Bestimmungen nur die ausdrücklich angeführten Entgeltsbestandteile, nicht aber auch andere, nicht erwähnte, abweichend geregelt werden sollten. Auch das Verhalten der beklagten Partei nach Abschluß dieser Vereinbarung, nämlich die weitere Auszahlung der Kinderzulage und Haushaltszulage durch 10 Monate hindurch, mußte diesen Eindruck noch verstärken.

Dem Kläger steht daher weiterhin neben den sich aus der Vereinbarung vom 10. November 1981 ergebenden Ansprüchen ein Anspruch auf Haushaltszulage und Kinderzulage gemäß den §§ 56 und 57 des Kollektivvertrages zu, weshalb seinem Feststellungsbegehren und auch dem Leistungsbegehren stattzugeben und der Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung abzuweisen war. Dem Leistungsbegehren konnte trotz der Bestreitung des Klagebegehrens auch der Höhe nach stattgegeben werden, weil die beklagte Partei gegen die Ausführungen des Erstgerichtes zur Höhe des Anspruches nichts vorgebracht hat und ihrerseits sogar im Zwischenantrag auf Feststellung dem Feststellungsinteresse monatliche Beträge von S 1.937,-- zugrunde gelegt hat.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41

und 50 ZPO.

Anmerkung

E05247

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00002.85.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19850226_OGH0002_0040OB00002_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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