TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/14 2005/18/0111

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Veröffentlicht am 14.06.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des N, geboren 1970, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 2005, Zl. SD 1469/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) vom 19. Jänner 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 3. Dezember 1995 erstmals nach Österreich eingereist und habe am 9. April 1996 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Seit 17. Februar 1999 verfüge er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher". Die Ehe des Beschwerdeführers sei mittlerweile geschieden worden.

Am 4. Dezember 1998 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 19. Juni 1998 bei einem Streit auf seine Gattin eingeschlagen habe, wodurch diese Prellungen des Kopfes, beider Unterarme, des rechten Kniegelenkes und des linken Fußes erlitten habe.

Am 5. Juni 2000 sei der Beschwerdeführer neuerlich wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 26. Juni 1999 seine Ehefrau im Zug einer Auseinandersetzung kräftig an den Armen gepackt habe, wodurch diese blaue Flecken und diverse Rötungen an beiden Armen erlitten habe.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer am 4. Dezember 2003 nach den §§ 201 Abs. 2, 83 Abs. 1, 15, 105 Abs. 1 und 107 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei schuldig erkannt worden, eine Bekannte in der Zeit von Ende Mai 2003 bis etwa Anfang Juni 2003 und in der Zeit von etwa 19. Juni 2003 bis 29. Juni 2003 in zahlreichen Angriffen zur Duldung des Beischlafs bzw. dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt zu haben. Dabei habe er den Kopf des Opfers gewaltsam an seine Brust gedrückt, die Frau gewürgt sowie in das Gesicht und auf den Bauch geschlagen, dies verbunden mit den wiederholten Äußerungen, er werde sie umbringen, ihr das Gesicht zerschneiden, sie aus dem Fenster schmeißen bzw. ihr die Zähne ausschlagen. Überdies habe er zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten im Mai und Juni 2003 dieser Frau Schläge ins Gesicht und gegen den Oberkörper versetzt, wodurch diese Hämatome und Prellungen erlitten habe. Durch die Äußerung: "Zeig mich ruhig an, dann mache ich dir das Leben zur Hölle", habe er sie zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige zu nötigen versucht; durch die wiederholte Äußerung, er würde sie das ganze Leben lang verfolgen, dies wäre keine leere Drohung, sondern die Realität, er würde sie finden und alle Drohungen verwirklichen, habe er sie gefährlich bedroht.

Auf Grund dieser Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Zweifellos sei auf Grund des den Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer lebe seit etwa neun Jahren in Österreich. Er verfüge über eine familiäre Beziehung zu seiner Tochter, mit der er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Das Aufenthaltsverbot sei mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der körperlichen Integrität Dritter) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Gerade die auf körperlicher Gewalt beruhenden Tatwiederholungen verdeutlichten augenfällig, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die zum Schutz der körperlichen Integrität anderer dienenden Normen seines Gastlandes zu befolgen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Die Bindung zur Tochter werde durch die fehlende Haushaltsgemeinschaft relativiert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in unregelmäßigen Abständen einer Beschäftigung nachgegangen sei, könne seine privaten Interessen nicht in relevanter Weise verstärken. Von daher müssten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers bestehen gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keine Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer hat am 19. Juni 1998 seiner Frau im Zug eines Streites vorsätzlich zahlreiche Prellungen zugefügt. Nur etwa ein halbes Jahr nach der deswegen am 4. Dezember 1998 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung hat er im Juni 1999 neuerlich seiner Ehegattin vorsätzlich Verletzungen zugefügt. Auch die deshalb erfolgte rechtskräftige Verurteilung konnte ihn nicht davon abhalten, in noch wesentlich gravierender Weise straffällig zu werden. Im Mai und Juni 2003 hat er eine Bekannte in zahlreichen Angriffen vergewaltigt, wobei er sie auch geschlagen, gewürgt und u.a. mit dem Umbringen bedroht hat. Überdies hat er in dieser Zeit die genannte Frau vorsätzlich am Körper verletzt und durch massive Drohungen davon abzuhalten versucht, eine Anzeige zu erstatten.

Aus diesen Straftaten ergibt sich eine große Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Ausübung von Gewalt, insbesondere auch sexueller Gewalt, gegenüber Frauen. Auf Grund der daraus resultierenden großen Gefährdung öffentlicher Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 3. Dezember 1995, also seit etwas mehr als neun Jahren, sowie den inländischen Aufenthalt seiner Tochter berücksichtigt. Zu Recht hat sie die daraus ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente auf Grund der Straftaten des Beschwerdeführers als gemindert angesehen. Nach dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung war der Beschwerdeführer bisher in Österreich nur in unregelmäßigen Abständen und jeweils kurzfristig beschäftigt. Zusammengerechnet war der Beschwerdeführer bei acht verschiedenen Arbeitsgebern insgesamt 189 Tage beschäftigt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass diese Beschäftigungsverhältnisse keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers bewirken, ist unbedenklich. Den somit trotz der relativ langen Aufenthaltsdauer nicht allzu gewichtigen persönlichen Interessen steht die große Gefährdung öffentlicher Interessen durch das dargestellte gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Insbesondere auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Vergewaltigungen und anderen Gewaltdelikten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.

4. Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe sich mit dem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt, gelingt es dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil er nicht dartut, welche entscheidungswesentlichen Umstände von der belangten Behörde nicht beachtet worden seien.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005180111.X00

Im RIS seit

12.07.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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