TE OGH 1985/3/26 5Ob557/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gerhard S*****, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gertraud S*****, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch und Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwälte in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Februar 1984, GZ 3 R 10/84-100, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 5. September 1983, GZ 24 Cg 184/82-90, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 16. August 1944 geborene Kläger und die am 8. September 1940 geborene Beklagte haben am 5. April 1971 vor dem Standesamt Wien-Floridsdorf die Ehe geschlossen: Auf Seiten des Klägers war es die erste Ehe, auf Seiten der Beklagten die zweite. Der Ehe entstammt die am 13. Juni 1971 geborene Birgit S*****. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war Graz. Der Kläger verließ die Ehewohnung im Dezember 1973; seither ist die häusliche Gemeinschaft aufgelöst.

Der Kläger begehrte bereits im Oktober 1973 die Scheidung seiner Ehe aus dem Verschulden der Beklagten und machte dabei schwere Beschimpfungen, das Beschütten mit Wasser, Lieblosigkeit und Vernachlässigung des Klägers als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG geltend. Diese Klage wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Erstgerichts vom 19. März 1975, GZ 16 Cg 27/74-33, abgewiesen. Mit Schreiben vom 29. April 1975 forderte der Kläger seine Frau auf, die Ehegemeinschaft mit ihm wieder aufzunehmen.

Am 5. März 1976 brachte er erneut eine Scheidungsklage mit dem Vorwurf schwerer Eheverfehlungen gemäß § 49 EheG ein; darin machte er als Scheidungsgründe die Verweigerung der Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft, die grundlose Verhinderung der Ausübung des Besuchsrechts des Klägers hinsichtlich des gemeinsamen ehelichen Kindes und eine Verletzung der Beistandspflicht zufolge Nichtausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit geltend.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Der Kläger sei gar nicht ernsthaft bereit, die Ehe wieder aufzunehmen. Zur Ausübung des Besuchsrechts sei es dann nicht gekommen, wenn das Kind krank gewesen sei; dem Kläger seien aber Ersatztermine zur Verfügung gestellt worden.

Nach Schluss der Verhandlung erster Instanz (5. Oktober 1976) beantragte der Kläger die Wiedereröffnung der Verhandlung mit der Erklärung, sein Scheidungsbegehren nunmehr auch auf § 55 EheG idF vor dem EheRändG zu stützen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiedereröffnung der Verhandlung und das neue Vorbringen als unzulässig zurück; das auf den Scheidungsgrund des § 49 EheG gestützte Scheidungsbegehren wies es ab (Urteil vom 11. März 1977, 16 Cg 81/76-27). Dieser Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger verließ im Zuge des vorangegangenen Ehescheidungsverfahrens im Dezember 1973 die Ehewohnung und wohnt seither bei seiner Mutter in Wien. Er forderte die beklagte Partei nicht auf, mit ihm mitzukommen. Ein abgesonderter Wohnort wurde ihm nicht bewilligt. Vor seinem Auszug wurde die Beklagte von ihm geschlagen, beschimpft und nervlich völlig zermürbt. Er kam betrunken nach Hause und forderte den ehelichen Verkehr. Auf der anderen Seite gelang es dem Kläger nicht, der Beklagten im Rahmen des Scheidungsverfahrens 16 Cg 27/74 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz irgendwelche noch nicht verfristete schwerwiegende Eheverfehlungen nachzuweisen. Die Beklagte hat ihren Beruf als kaufmännische Angestellte nur bis zur Geburt des ehelichen Kindes ausgeübt. Sie bezieht die Erträgnisse eines Liegenschaftsanteils und ist derzeit nicht berufstätig. Nach dem Auszug des Klägers verblieb die Beklagte mit dem Kind weiter in der ehelichen Wohnung. Sie fürchtet sich im Hinblick auf sein vorangegangenes Verhalten vor ihm. Es war dies auch bei einem Besuch des Klägers im Juni 1975 der Fall, zumal er die Beklagte und ihre Mutter am folgenden Morgen beschimpfte und mitteilte, dass er wiederkommen werde. Die Beklagte tauschte in der Folge aus Furcht den Zylinder am Eingangstürschloss aus.

Eine abschließende Besuchsrechtsregelung bezüglich des ehelichen Kindes erfolgte erst im Jahr 1975. Der Kläger konnte sodann sein Besuchsrecht ausüben, das ihm an jedem ersten Sonntag im Monat Besuche in Graz, sowie an jedem dritten Wochenende im Monat und zu bestimmten Feiertagen die Mitnahme des Kindes nach Wien ermöglichen sollte. Das Kind wurde dem Kläger von der Beklagten dann nicht mitgegeben, wenn es nicht gesund war. Zu Differenzen kam es diesbezüglich nur am 2. Oktober 1976, wo das Kind dem Kläger von der Beklagten im Hinblick auf eine Verkühlung und Bronchitis nicht zu einem Spaziergang übergeben wurde. Ein beigezogener Arzt konstatiere damals eine starke fieberhafte Verkühlung und verschrieb Medikamente.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 1975 wurde der beklagten Partei mitgeteilt, dass der Kläger im Hinblick auf das eheliche Kind die Ehegemeinschaft wieder aufnehmen möchte. Sie reagierte auf dieses Schreiben ebensowenig wie auf ein Schreiben vom 19. Jänner 1976, in dem sie aufgefordert wurde, ihrer Beistandspflicht gegenüber ihrem Ehegatten nachzukommen und zur Deckung ihrer Bedürfnisse selbst beizutragen. Der Kläger wurde durch einstweilige Verfügung im Rahmen des ersten Scheidungsverfahrens zu Unterhaltsleistungen für die Beklagte und das Kind verpflichtet. Tatsächlich leistete er Zahlungen praktisch nur für das Kind. Die Beklagte machte nach Beendigung des ersten Scheidungsverfahrens im Rahmen einer Unterhaltsklage Unterhaltsansprüche gegen den Kläger geltend.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit Teilurteil der Berufung des Klägers hinsichtlich der Abweisung des Scheidungsbegehrens nach § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil in diesem Umfang als Teilurteil. Im Übrigen hob es den Beschluss über die Abweisung des Wiedereröffnungsantrags und die Zurückweisung des Neuvorbringens und das Urteil im Kostenpunkt auf und verwies die Rechtssache hinsichtlich des auf § 55 EheG gestützten Scheidungsbegehrens zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück (3 R 80/77-32).

Der vom Kläger gegen das die Abweisung des Scheidungsbegehrens nach § 49 EheG bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichts gerichtete Revision wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. Oktober 1977, 5 Ob 671/77 (ON 36 dA), nicht Folge gegeben.

Hinsichtlich des auf § 55 EheG gegründeten Scheidungsbegehrens brachte der Kläger vor, dass die Beklagte die Zerrüttung der Ehe abgesehen von den bereits zu § 49 EheG geltend gemachten Scheidungsgründen durch wiederholte Beschimpfungen und die von ihr provozierten Streitigkeiten sowie dadurch verschuldet habe, dass sie ihn mit Wasser angeschüttet, das Badezimmer versperrt, seine Sachen ins Vorhaus hinausgestellt und ihn aufgefordert habe, die Wohnung zu verlassen.

Die Beklagte widersprach dem Scheidungsbegehren; den Kläger treffe das alleinige Verschulden an der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, sodass der Widerspruch sittlich gerechtfertigt sei (ON 38 dA).

Im Verlauf des Verfahrens erklärte der Kläger weiters, das Scheidungsbegehren doch primär auf § 49 EheG und nur hilfsweise auf § 55 Abs 2 oder 3 EheG zu stützen (Tagsatzung vom 27. März 1979, ON 44 dA). In der Tagsatzung vom 10. Dezember 1981 (ON 64 dA) ließ der Kläger das auf § 55 Abs 2 EheG gestützte Scheidungsbegehren fallen und begehrte die Beklagte im Hinblick darauf, dass den Kläger jedenfalls das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung treffe, für den Fall der Scheidung nach § 49 EheG den Ausspruch, dass den Kläger das überwiegende Verschulden an der Scheidung treffe. Dieser Mitschuldeinwand gründet sich auf die Vorwürfe, der Kläger habe dadurch schwere Eheverfehlungen begangen, dass er die Beklagte unmittelbar vor der Geburt des Kindes geohrfeigt, mit Schimpfworten belegt, ihr vor Weihnachten 1972 mehrere Ohrfeigen versetzt, den ehelichen Verkehr eingestellt, ihr kein Wirtschaftsgeld gegeben und Anfang Dezember 1973 überhaupt die eheliche Wohnung ungerechtfertigt verlassen habe.

Mit Urteil vom 12. Dezember 1981 (ON 66 dA) schied das Erstgericht die Ehe der Streitteile mit dem Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers. Infolge Berufung beider Teile wurde dieses Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (ON 72 d.A).

Schließlich brachte der Kläger - von der Beklagten bestritten - noch vor, die wahrheitswidrigen Ausführungen der Beklagten in dem von ihr gegen ihn angestrengten Unterhaltsprozess (4 C 332/76 des Bezirksgerichts Floridsdorf), mangels einer Unterhaltsleistung des Klägers der Not ausgesetzt zu sein, obwohl die in der Folge selbst zugegeben habe, über Einkünfte aus der Vermietung von Räumlichkeiten eines ihr und ihrer Mutter gemeinsam gehörigen Hauses zu verfügen, als schwere Eheverfehlung geltend zu machen.

Mit Urteil vom 5. September 1983 (ON 90 dA) wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus dem beiderseitigen, jedoch überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden. Das Erstgericht ging dabei von der Annahme aus, dass zufolge des Urteils vom 11. März 1977 über die bis 5. Oktober 1976 (Schluss der Verhandlung erster Instanz) geltend gemachten Eheverfehlungen der Beklagten bereits rechtskräftig entschieden worden sei, sodass lediglich die für die Zeit ab dem 6. Oktober 1976 geltend gemachten Eheverfehlungen zu prüfen und darüber Feststellungen zu treffen seien. Dementsprechend traf es auch eingehende Feststellungen über die Ausübung des Besuchsrechts des Klägers in der Zeit vom 6. Oktober 1976 bis November 1979 - seither konnte der Kläger sein Besuchsrecht im Wesentlichen ungehindert ausüben -, die sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen lassen, dass die Beklagte wiederholt die Ausübung des Besuchsrechts erschwert oder gänzlich vereitelt habe. Als der Kläger am 15. Juni 1977 von seiner Frau eine kurzfristige Absage hinsichtlich der Ausübung seines Besuchsrechts im Hinblick auf eine terminmäßig nicht genannte Mandeloperation des gemeinsamen Kindes erhielt, fuhr er am (18. Juni 1977) dennoch nach Graz. Da er seine Frau und das Kind in der Wohnung nicht antreffen konnte, begab er sich zur Wohnung seiner Schwiegermutter. Obwohl sich dort Tochter und Vater durch die Tür sahen und das Kind spontan zum Vater wollte, wurde von der Beklagten dieser Kontakt unterbunden. Der Kläger regte sich hierüber derart auf, dass er seine Frau ohrfeigte und beschimpfte. Er konnte an diesem Tag sein Besuchsrecht nicht ausüben. Mit ihrem Schreiben vom 13. Juli 1977 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie im Hinblick auf die diversen Vorkommnisse in letzter Zeit den Antrag auf Einschränkung des Besuchsrechts, insbesondere des Entzugs des Urlaubsrechts gestellt habe und bis zur rechtskräftigen Entscheidung darüber sämtliche Abholtermine entfielen. Am 3. September 1977 versuchte der Kläger abermals erfolglos das Besuchsrecht auszuüben. Er beantragte daher gemäß § 19 AußStrG Maßnahmen zur Durchsetzung seines Besuchsrechts für den 17. September 1977. Infolge einer eingehenden Besprechung zwischen den Streitteilen und ihren Vertretern erklärte der Kläger, auf sein Besuchsrecht bis zum Vorliegen eines heilpädagogischen Gutachtens zu verzichten. Eine durch die Ergebnisse des heilpädagogischen Gutachtens ausgelöste vom Pflegschaftsrichter veranlasste psychiatrische Begutachtung der Beklagten ergab, dass die Beklagte eine labile Persönlichkeit mit Neigung zur Reizbarkeit und depressiven Zügen, bei herabgesetzter Realitätskontrolle, Oppositionseinstellung und Neigung, sich in eine Wunschwelt zu flüchten, sei. Neurologische Momente seien unverkennbar, angsthysterische Zustände möglich. Am 11. Juli 1978 sprach sich die Beklagte vor dem Pflegschaftsrichter und ihrem Mann gegen jede Besuchsregelung mit der Begründung aus, dass sie jegliche Verantwortung für psychische Veränderungen des Kindes und eintretende Erziehungsschäden ablehne. Der Kläger stellte gemäß § 12 AußStrG den Antrag, den Beschluss über die Festsetzung eines Besuchsrechts sofort in Vollzug zu setzen. Er versuchte auch ohne Erfolg, das ihm rechtmäßig zustehende Besuchsrecht auszuüben. Er konnte das Kind nicht einmal sehen und ihm mangels Öffnen der Wohnungstür auch das mitgebrachte Weihnachtsgeschenk nicht übergeben. Am 4. April 1979 erklärte die Beklagte vor dem Pflegschaftsrichter, sich nicht grundsätzlich gegen eine Besuchsregelung des Vaters auszusprechen, als er jedoch am 7. April 1979 versuchte, sein Besuchsrecht auszuüben, wurde dies von seiner Frau grundlos verweigert. Auch nach der mit Beschluss vom 17. April 1979 erfolgten Neuregelung des Besuchsrechts hatte der Kläger wiederholt nicht Gelegenheit, das Kind zu besuchen. Im Juli und Oktober 1979 machte der Kläger von seinem Besuchsrecht keinen Gebrauch, vor allem deshalb, weil die Beklagte nach Verweigerung des Urlaubsrechts dem Pflegschaftsrichter mitgeteilt hatte, dass sie mit dem Kind eine Flugreise antreten, die bis zum Ende der Sommerferien dauern werde und der Kläger nicht wusste, wann das Kind wieder zurückkommen sollte. Das Kind verbrachte mit seiner Mutter die Zeit vom 11. August bis 25. August in Jugoslawien und vom 31. August bis 8. September in Übelbach. Schließlich wurden aufgrund eines neuerlichen Gutachtens vom 11. November 1979 die Anträge des Vaters, ihm die Elternrechte gemäß § 144 ABGB zu übertragen und geeignete Maßnahmen nach § 19 AußStrG zur Erzwingung des eingeräumten Besuchsrechts zu verfügen, abgewiesen. Seither verläuft - wie bereits erwähnt - die Besuchsregelung im Wesentlichen ungehindert.

Im Scheidungsverfahren (16 Cg 27/74) wurde der Kläger aufgrund einer einstweiligen Verfügung verpflichtet, seiner Frau 2.500 S monatlich an Unterhalt zu zahlen. Diese Verpflichtung erlosch mit rechtskräftiger Abweisung dieser Klage. Am 20. August 1975 brachte die Ehefrau beim Bezirksgericht Floridsdorf eine Unterhaltsklage ein und begründete diese damit, dass sie durch die Nichtleistung des Unterhalts durch den Beklagten „der Not ausgesetzt sei“. Im November 1979 gab die Beklagte dem im Pflegschaftsverfahren beigezogenen Sachverständigen gegenüber an, ihren Unterhalt aus dem Erlös von Vermietungen zu bestreiten. Diese Angabe wurde im Beschluss, mit dem die Anträge des Vaters auf Übertragung der Elternrechte und Durchsetzung seines Besuchsrechts abgewiesen wurden, mit „ausreichendem Vermögen“ beschrieben. Aufgrund dieses Sachverhalts erklärte der Kläger, die Behauptung der Beklagten, der Not ausgesetzt zu sein, sei wahrheitswidrig und stelle daher eine schwere Eheverfehlung dar. Seit ihrer Trennung lebt die Beklagte von Mieterträgnissen aus der Vermietung eines Hausanteils im Betrag von derzeit (Schluss der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 1983) 3.760 S; davon bezahlt sie für Stromkosten 300 S an ihre Mutter. Die Höhe dieses Einkommens schwankt aber insofern, als nicht immer Zimmer vermietet sind. Ihre Mutter unterstützt sie daneben noch natural und trägt – abgesehen von den Stromkosten – die gesamten Betriebskosten. In seinem Schreiben des Klägers vom 26. 2. 1977 (eineinhalb Jahre nach Einbringung der Unterhaltsklage) an das Pflegschaftsgericht behauptete der Kläger selbst, dass seine Frau kein Einkommen habe.

Schließlich stellte das Erstgericht noch unter Hinweis auf die dafür maßgeblichen – im Einzelnen auch angeführten – Umstände fest, dass die Ehe der Streitteile zumindest seit 25. März 1976 unheilbar zerrüttet ist.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die wiederholte Erschwerung oder gänzliche Vereitelung der Ausübung des Besuchsrechts des Klägers durch die Beklagte in der Zeit zwischen Mitte Juli 1977 und November 1979 eine schwere Eheverfehlung der Beklagten darstelle, die ungeachtet vorangegangener Ehezerrüttung geeignet gewesen sei, diese Zerrüttung noch zu vertiefen. Die von der Beklagten im Unterhaltsprozess aufgestellte Behauptung, der Not ausgesetzt zu sein, sei jedoch mit Rücksicht auf die Unterlassung von Unterhaltsleistungen des Klägers, wodurch sie gezwungen gewesen sei, von Einkünften aus Vermietung im unregelmäßigen Monatsdurchschnitt von ca 3.500 S und von Unterstützungen ihrer Mutter zu leben, kein unwahres Prozessvorbringen und stelle daher keine schwere Eheverfehlung dar. Bei den übrigen vom Kläger unterstützungsweise geltend gemachten Eheverfehlungen der Beklagten handle es sich um entschuldbare Reaktionen auf vorangegangenes Verhalten des Klägers, was deren Heranziehung bei der Verschuldensabwägung als der Billigkeit widersprechend erscheinen lasse. Hingegen habe der Kläger als schwere Eheverfehlung zu vertreten, dass er die Beklagte nervlich zermürbt, sie verlassen und ihr keinen Unterhalt geleistet habe. Bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens sei das Verschulden des Klägers an der Ehescheidung erheblich schwerer zu werten, als jenes der Beklagten.

Das Gericht zweiter Instanz gab keiner der von beiden Teilen gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge.

Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete die von beiden Parteien vorgetragene Rechtsrüge als unberechtigt.

Dass der Beklagten für die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im ersten Rechtsgang (5. Oktober 1976) eine unberechtigte Verweigerung des Besuchsrechts als schwere Eheverfehlung nicht angelastet werden könne, sei – zufolge Entscheidung des Obersten Gerichtshofs – bereits rechtskräftig ausgesprochen. In der Folge habe die Beklagte jedoch von Mitte Juli 1977 bis November 1979 das Besuchsrecht des Klägers wiederholt grundlos und ungerechtfertigt verweigert. Ungeachtet des sicher schwerwiegenden Vorfalls anlässlich der Besuchsrechtsausübung am 18. Juni 1977, bei der der Kläger seine Frau – allerdings in einer nicht unbegreiflichen heftigen Gemütsbewegung – geohrfeigt habe, sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, das Besuchsrecht des Klägers glattweg abzulehnen und einzustellen (Schreiben vom 13. Juli 1977). Die Beklagte habe ihre Tochter als ihr „absolutes Eigentum, auf das der Vater keinerlei Ansprüche“ habe, betrachtet. Das Besuchsrecht diene aber nicht nur dem Vater, sondern liege gleichermaßen auch im Interesse des Kindes, dessen Kontakt mit dem Vater zur Aufrechterhaltung der Eltern-Kinder-Beziehung nicht unterbunden werden solle. Mag sich auch die Beklagte in dem einen oder anderen Fall der Verweigerung des Besuchsrechts, der der grundsätzlichen Ablehnung dieses Rechts durch das Schreiben der Beklagten vom 13. Juli 1977 vorangegangen sei, von berechtigter Sorge um das Wohl des Kindes habe leiten lassen, so hätte es doch bei verständiger Würdigung der Interessen des Vaters und der für ihn mit einer Zureise von Wien verbundenen Beschwernisse bei gutem Willen möglich sein müssen, ihm die Ausübung des Besuchsrechts wenigstens in Graz zu ermöglichen, statt häufig Krankheiten des Kindes vorzuschützen, deren ärztliche Aufklärung von ihr wiederholt grundlos abgelehnt worden sei. Maßgebend sei daher nicht so sehr, ob die Beklagte in einigen Zweifelsfällen das Besuchsrecht des Klägers wegen einer Erkrankung des Kindes in Wahrung seiner gesundheitlichen Interessen noch mit Recht abgelehnt habe oder ob der eine oder andere Fall bereits als grundlose Verweigerung des Besuchsrechts anzusehen sei; entscheidend sei vielmehr, dass die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 1977 jegliches Besuchsrecht des Klägers abgelehnt und in der Folge durch mehr als zwei Jahre praktisch gänzlich unterbunden habe, obwohl der Kläger dazu bereit gewesen wäre und auch wiederholt von Wien nach Graz zugereist sei. Zu dieser Haltung habe der Kläger zwar durch die einmalige tätliche Misshandlung der Beklagten bei Ausübung des Besuchsrechts am 18. Juni 1977 den Vorwand, nicht aber die Berechtigung geliefert, zumal das Besuchsrecht des Vaters durch das Gericht keineswegs eingestellt worden sei und der einstweilige Verzicht des Klägers auf die Ausübung seines Besuchsrechts sich nur auf die Zeit von Ende Jänner 1978 bis Anfang Mai 1978 bezogen habe. Die Ehe sei zwar bereits seit März 1976 zerrüttet gewesen, es habe aber zu der als schwere Eheverfehlung zu betrachtenden Verweigerung des Besuchsrechts keine derart zeitliche Distanz bestanden, dass diese Eheverfehlung nicht doch noch zu einer Vertiefung der Ehezerrüttung habe führen können, wie dies vom Erstgericht auch tatsächlich in unbedenklicher Weise als erwiesen angenommen worden sei, und zwar umso mehr, als die Beklagte ja erst anlässlich einer psychologischen Untersuchung bei Dr. Pöch (8. Mai 1978) zum Ergebnis einer unheilbaren Zerrüttung gelangt sei. Von einer echten Reaktionshandlung, als welche die Beklagte in ihrer Berufung die Verweigerung des Besuchsrechts angesehen wissen wolle, könne somit keine Rede sein.

In Erledigung der Berufung des Klägers führte das Berufungsgericht weiters aus, die vom Kläger im Rahmen seiner Berufungsausführungen als Neuerungen noch weiters geltend gemachten Eheverfehlungen der Beklagten stellten keine schweren Eheverfehlungen dar und wären im Übrigen auch nicht geeignet, die Verschuldensabwägung zugunsten des Klägers zu beeinflussen. Insoweit der Kläger die Ansicht vertrete, für die ihm angelasteten Eheverfehlungen (nervliche Zermürbung und böswilliges Verlassen der Beklagten sowie Unterhaltsverletzung) fehlte es an beweismäßigen Grundlagen, übersehe er zunächst jene Feststellungsgrundlage, von der der Oberste Gerichtshof in seiner das Teilurteil des Berufungsgerichts bestätigenden Entscheidung ausgegangen sei. Dort habe der Oberste Gerichtshof zusammenfassend ua ausgeführt, dass die Beklagte vor dem Auszug des Klägers von diesem geschlagen, beschimpft und nervlich völlig zermürbt worden sei, der Kläger betrunken nach Hause gekommen sei und den ehelichen Verkehr gefordert habe, er im Zuge des vorangegangenen Ehescheidungsverfahrens im Dezember 1973 die Ehewohnung verlassen habe und seither bei seiner Mutter in Wien wohne, er die Beklagte nicht aufgefordert habe, mit ihm zu kommen und ihm ein abgesonderter Wohnort nicht bewilligt worden sei. Die vom Erstgericht zur Frage der Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Frau getroffenen Feststellungen, wonach der Kläger bereits im Frühjahr 1973 die Zahlung des Wirtschaftsgeldes eingestellt habe, ab Jahresmitte 1973 ein gekürztes Wirtschaftsgeld in der Höhe von 3.500 S bezahlt habe, der Beklagten ein einstweiliger Unterhalt von 2.500 S monatlich habe zuerkannt werden müssen, welcher Titel allerdings mit Abweisung der Scheidungsklage erloschen sei, der Kläger tatsächlich nur für das eheliche Kind Unterhalt erbracht habe und die Beklagte von Mieterträgnissen von 3.500 S monatlich habe leben müssen, rechtfertigten bereits vollauf die vom Erstgericht als schwere Eheverfehlung gewertete Vernachlässigung der Unterhaltspflicht des Klägers der Beklagten gegenüber. Auch in der Behauptung der Beklagten, der Not ausgesetzt zu sein, könne unter den gegebenen Umständen kein bewusst unrichtiges, die wahre Sachlage entstellendes und daher eine schwere Eheverfehlung beinhaltendes Vorbringen der Beklagten erblickt werden. Im Hinblick auf die geringen eigenen Einkünfte der Beklagten liege auch in der Erhebung einer Unterhaltsklage keine schikanöse Rechtsausübung. Dass auch der Kläger von den ehelichen Zerwürfnissen nicht unberührt geblieben sei, möge wohl zutreffen, dies ändere aber nichts daran, dass die „seelische Zermürbung“ der Beklagten von ihm ausgegangen sei. Im Recht sei die Berufung allerdings insoweit, als das Erstgericht das ehewidrige Verhalten der Beklagten (Streitigkeiten, Beschimpfungen, Anschütten mit Wasser, Versperren des Badezimmers, Herausstellen von Sachen des Klägers ins Vorzimmer, Aufforderung, die Ehewohnung zu verlassen) als bloße (berechtigte) Reaktionen auf das Verhalten des Klägers gewertet habe. Für die Annahme, es handle sich dabei um eine bloße Reaktion, mangle es an einer ausreichenden Feststellungsgrundlage. Auch gegenseitige Beschimpfungen könnten schwere Eheverfehlungen und nicht bloß Reaktionen auf vorangegangene Beschimpfungen des anderen Teils sein. Wenn auch das Anschütten mit Wasser im Hinblick auf die vorangegangene Misshandlung der Beklagten mit Ohrfeigen allenfalls noch als Reaktion gewertet werden könne, so gelte dies nicht für das Versperren des Badezimmers, das Herausstellen seiner Sachen in das Vorzimmer und die Aufforderung zum Verlassen der Wohnung. Allerdings seien diese Eheverfehlungen bereits in der rechtskräftig abgewiesenen Scheidungsklage erfolglos geltend gemacht worden, jedoch nur deshalb, weil keine schwere, nicht verziehene und nicht verfristete Eheverfehlung der Beklagten vorgelegen sei. Seien diese Eheverfehlungen aber nur deshalb erfolglos geltend gemacht worden, weil keine unverfristete schwere Eheverfehlung der Beklagten vorgelegen sei, so könnten sie nach Ansicht des Berufungsgerichts nunmehr, da eine schwere Eheverfehlung der Beklagten gegeben sei (unbegründete Verweigerung der Ausübung des Besuchsrechts), doch unterstützungsweise geltend gemacht werden.

Stelle man nun die als schwere, unverfristete und nicht verziehene Eheverfehlung der Beklagten anzusehende wiederholte Behinderung und Vereitelung der Ausübung des Besuchsrechts des Klägers seiner Tochter gegenüber und die verfristeten Eheverfehlungen der Beklagten, nämlich die Streitigkeiten und Beschimpfungen sowie das Anschütten mit Wasser, Versperren des Badezimmers, Hinausstellen von Sachen des Klägers in das Vorzimmer und die Aufforderung, die eheliche Wohnung zu verlassen, den ebenfalls verfristeten Eheverfehlungen des Klägers, nämlich Beschimpfungen und mehrfache Misshandlungen der Beklagten, davon einmal unmittelbar vor der Geburt des Kindes, vor allem aber, dass sich der Kläger von seiner Ehefrau abgesondert habe und seiner eigenen Wege gegangen sei, das Wirtschaftsgeld zeitweilig gänzlich eingestellt, seine Unterhaltspflicht ihr gegenüber in der Folge gröblich vernachlässigt und schließlich die Ehegemeinschaft grundlos aufgelöst habe und, ohne sich um die Beklagte zu kümmern, nach Wien gezogen sei, so müsse doch gesagt werden, dass ein sehr erheblicher Unterschied im Grade des beiderseitigen Verschuldens der Eheleute bestehe, der es gerechtfertigt erscheinen ließe, von einem überwiegenden Verschulden des Klägers auszugehen, zumal dieser durch sein Verhalten die Zerrüttung der Ehe eingeleitet und wesentlich dazu beigetragen habe, dass diese Zerrüttung vertieft und unabänderlich geworden sei. Das Erstgericht habe daher mit Recht die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richten sich die auf den Anfechtungsgrund des § 502 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Revisionen beider Teile.

Die Beklagte beantragt die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens und Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 3 EheG mit dem Ausspruch des alleinigen Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hingegen strebt die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen durch Ausspruch des überwiegenden, zumindest jedoch gleichteiligen Verschuldens der Beklagten an der eingetretenen Zerrüttung der Ehe an; auch er stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Parteien beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung jeweils, der Revision der Gegenseite keine Folge zu geben.

Keiner der Revisionen kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vertritt in ihrer Revision im Wesentlichen den Standpunkt, die Vorinstanzen hätten ihr zu Unrecht eine Behinderung und Verweigerung des Besuchsrechts ihres Mannes dem Kind gegenüber als schwere Eheverfehlung angelastet. Der Vorfall vom 18. Juni 1977 sei nicht bloß Vorwand, sondern Ursache ihres Schreibens vom 13. Juli 1977 gewesen. Da das Verhalten des Klägers vom 18. Juni 1977 einen wesentlichen Eingriff in ihre körperliche Integrität dargestellt habe und nicht in der wohlgemeinten Ausübung des Besuchsrechts des Klägers gelegen, sondern offensichtlich von dem Gedanken geprägt gewesen sei, in schikanöser Ausübung des Besuchsrechts einen massiven psychischen Druck auf das Kind und sie auszuüben, könne in ihrem Schreiben vom 13. Juli 1977 keine Eheverfehlung erblickt werden. Insoweit die Revisionswerberin dabei von der Annahme ausgeht, der Kläger habe am 18. Juni 1977 bei Ausübung seines Besuchsrechts in schikanöser Absicht gehandelt, entfernt sie sich von den Feststellungen der Vorinstanzen, weshalb die Rechtsrüge diesbezüglich nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt ist. Nach den der Sachverhaltsgrundlage zuzuordnenden Annahmen der Vorinstanzen wurde das Schreiben der Beklagten vom 13. Juli 1977 wohl durch das vorangegangene Verhalten, insbesondere die Tätlichkeit des Klägers vom 18. Juni 1977 ausgelöst, in diesem Schreiben zeigte sich aber schon die später auch vom Sachverständigen festgestellte Einstellung der neurotische und angsthysterische Tendenzen aufweisenden Beklagten, das Kind als persönliches Eigentum zu betrachten, auf das der Vater keinen Anspruch habe. Da weder behauptet noch festgestellt wurde, dass die Beklagte für ihr Verhalten nicht verantwortlich gewesen wäre, kann unter den gegebenen Umständen in der Annahme der Vorinstanzen, die Behinderung und Verweigerung des Besuchsrechts des Klägers durch die Beklagte in dem hier relevierten Zeitraum stelle – als Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der beiderseitigen Rechte den Kindern gegenüber (Schwind in Klang2 I/1, 774; vgl auch Ehrenzweig3, Familienrecht, 60; EFSlg 41.183 ua) – eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar, kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Der Beklagten kann aber auch darin nicht gefolgt werden, dass das von ihr im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts des Klägers an den Tag gelegte Verhalten keine Zerrüttungswirkung mehr gehabt habe, weil „das Gesamtverhalten des Klägers in Bezug auf das Besuchsrecht nicht vor Einbringung der Scheidungsklage sondern während des Ehestreits erfolgt sei und die Ehe schon in diesem Zeitpunkt durch das Verhalten des Klägers so schwer und tiefgreifend zerrüttet gewesen sei, dass an die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr habe gedacht werden können“. Die Revisionswerberin übersieht auch hier die Feststellung des Erstgerichts, dass diese Eheverfehlung der Beklagten noch zu einer Vertiefung der (bereits im März 1976 eingetretenen) Zerrüttung der Ehe geführt hat (vgl S 32 des Ersturteils) und den Umstand, dass ihr diesbezügliches Benehmen – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte – in einen zeitlichen Bereich fällt, in dem der Eheverfehlung der Beklagten durchaus noch eine kausale Bedeutung für eine Vertiefung der Ehezerrüttung beigemessen werden kann.

Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass es hier bloß um eine echte Reaktionshandlung der Beklagten und damit keine schwere Eheverfehlung nach § 49 EheG gehandelt hätte.

Damit erweist sich aber die Revision der Beklagten als unberechtigt.

Der Kläger beharrt vorerst auf dem Standpunkt, dass die von ihm geltend gemachte wahrheitswidrige Behauptung der Beklagten im Unterhaltsverfahren eine schwere Eheverfehlung der Beklagten darstelle, er sich hingegen keiner Verletzung seiner Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber schuldig gemacht habe, sodass ihm diesbezüglich keine schwere Eheverfehlung angelastet werden könne. Was den der Beklagten hier vorgeworfenen Scheidungsgrund anlangt, so hat das Erstgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass zwischen dem Zeitpunkt der Einbringung dieser Unterhaltsklage (20. August 1975) und der vom Kläger zum Anlass für die Geltendmachung dieses Scheidungsgrundes genommenen Ausführungen der Beklagten über ihre finanzielle Lage im Pflegschaftsverfahren (30. November 1979) ein Zeitraum von mehr als vier Jahren lag, er selbst im Februar 1977 im Pflegschaftsverfahren den Standpunkt vertrat, dass seine Frau kein Einkommen habe, und die Beklagte von der Höhe nach schwankenden und – da Zimmer nicht immer vermietet waren – auch unsicheren Mieterträgnissen als Miteigentümerin eines Hauses leben und außerdem von ihrer Mutter dabei unterstützt werden musste. Wenn die von ihrem Mann mit ihrem Kind in der bisherigen Wohnung zurückgelassene Beklagte nach Ablauf der Wirksamkeit des ihr im Scheidungsverfahren zuerkannten einstweiligen Unterhalts durch ihren damaligen Rechtsvertreter aus Anlass der Unterhaltsklage zur Begründung der damit verbundenen (neuerlichen) einstweiligen Verfügung die Behauptung aufstellte, wegen der Pflege des Kindes keiner Arbeit nachgehen zu können, sodass sie für den Fall der Nichtleistung des Unterhalts durch ihren Ehemann der Not ausgesetzt sei, so kann von einem bewusst wahrheitswidrigen Vorbringen der Beklagten als Partei keine Rede sein. Unter diesen Umständen bestand für die Vorinstanzen überhaupt keine Veranlassung, in diesem Verhalten eine schwere Eheverfehlung der nunmehrigen Beklagten zu erblicken. Wenn der Kläger auf den damals geltenden Richtsatz für den Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichszulage nach den Sozialversicherungsgesetzen in der Höhe von 2.270 S sowie darauf verweist, dass das Einkommen der Beklagten „um rund 55 % höher gewesen sei“ und darauf ableiten möchte, die Beklagte habe keinen Unterhaltsanspruch gegen ihn gehabt, weshalb er sich auch des Scheidungsgrundes der Verletzung seiner Unterhaltspflicht nicht schuldig habe machen können, verkennt er, dass der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führte, auch weiterhin unterhaltsberechtigt bleibt, wenn der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird (§ 94 Abs 2 Satz 2 ABGB). Dass gegenüber den Verhältnissen zur Zeit der im Scheidungsverfahren erlassenen einstweiligen Verfügung eine wesentliche Änderung eingetreten wäre, die sich auf die Unterhaltspflicht des Klägers hätte auswirken können, wird vom Revisionswerber nicht behauptet. Die Vorinstanzen haben daher dem Kläger diesbezüglich mit Recht eine schwere Eheverfehlung in Sinne des § 49 EheG angelastet.

Schließlich vertritt der Revisionswerber noch die Ansicht, die Vorinstanzen hätten bei richtiger Anwendung des § 411 ZPO nicht davon ausgehen dürfen, dass er im Sinne der seinerzeitigen Vorwürfe seiner Frau betrunken nach Hause gekommen sei und von ihr den ehelichen Verkehr gefordert und sie auch misshandelt habe; die Vorinstanzen hätten vielmehr zum Ergebnis kommen müssen, dass er diese Eheverfehlungen nicht begangen habe und er vielmehr von seiner Frau regelrecht aus der Ehewohnung hinausgeworfen worden sei, sodass ihm auch aus dem Auszug aus der Ehewohnung zumindest kein überwiegendes Verschulden treffe. Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass sie keinen Verstoß der Vorinstanzen gegen die Rechtskraft einer in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung aufzeigen, sondern lediglich den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch darstellen, die Feststellungen der Vorinstanzen über sein eigenes Verhalten der Beklagten gegenüber zu bekämpfen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger die Ehewohnung ohne Bewilligung des abgesonderten Wohnorts eigenmächtig verlassen. Es besteht daher überhaupt kein Zweifel, dass der Kläger seine Familie ohne gerechtfertigte Gründe verlassen hat und ihm dies von den Vorinstanzen auch mit Recht als schwere Eheverfehlung angelastet wurde.

Da die Beklagte ein Verschulden des Klägers an der Ehescheidung mit ihrem Mitverschuldensantrag geltend gemacht hat, haben die Vorinstanzen auch zutreffend geprüft, ob das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer wiegt als jenes des anderen, denn nur in diesem Fall darf der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten erfolgen (Schwind in Klang2 I/1, 837; EFSlg 34.072, 36.383, 38.786, 41.284 ua). Bei Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile der beiden Ehegatten am Scheitern der Ehe ist nicht jeder einzelne Tatbestand für sich allein zu beurteilen, es kommt vielmehr auf das Gesamtverhalten der Ehegatten (EFSlg 31.636, 34.046, 38.776 ua) und darauf an, wessen Verfehlungen die erste Ursache für die weiteren waren und inwieweit sie allenfalls andere bedingt und schließlich zum Scheitern der Ehe geführt haben (Hoffmann-Stephan2 606 f; Schwind, Eherecht2 251; EFSlg 31.708, 34.046, 38.780, 41.268 ua). Verfristete Eheverfehlungen sind dabei dann zu berücksichtigen, wenn dies – wie die Vorinstanzen richtig erkannten – der Billigkeit entspricht (Schwind aaO 253), was dann der Fall sein wird, wenn es unter Bedachtnahme auf alle Umstände, auf die gesamte Beziehung der Ehegatten zueinander und die Schwere und Tragweite der verfristeten Eheverfehlungen gerecht erscheint, die Schuld nicht nur einem Ehegatten aufzuerlegen (EFSlg 38.783, 41.280 ua). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen bei der Beurteilung der Frage, welchen der beiden Ehegatten das überwiegende Verschulden trifft, keine entscheidende Rolle spielen (EFSlg 31.711, 41.277 ua). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so muss gesagt werden, dass der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile doch beim Kläger, dessen ehewidriges Verhalten ja die Zerrüttung der Ehe eingeleitet hat, augenscheinlich, also offenkundig, hervortritt.

Es erweist sich somit auch die Revision des Klägers als unbegründet, weshalb ihr ebenfalls der Erfolg versagt werden musste.

Im Hinblick darauf, dass beide Teile mit ihren Revisionen nicht durchgedrungen sind, es ihnen jedoch gelungen ist, die Revision der Gegenseite abzuwehren, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Textnummer

E116111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00557.840.0326.000

Im RIS seit

11.11.2016

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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