TE OGH 1985/3/28 7Ob530/85

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Veröffentlicht am 28.03.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dorothea A, Pensionistin, Gaishorn 57, vertreten durch den Sachwalter Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Priska A, Hausfrau, Oberwölz, Vorstadt 59, vertreten durch Dr. Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Feststellung (Streitwert S 350.000,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13.November 1984, GZ. 4 R 179/84-42, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 19.Juni 1984, GZ. 7 Cg 348/82-33, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 42 KG Gaishorn mit einem darauf befindlichen Haus, auf der ein Pfandrecht von S 450.000,-- samt Nebengebühren für die Beklagte einverleibt ist. Die Klägerin hatte von ihrem Neffen Rudolf A, dem am 23.Oktober 1978 verstorbenen Ehemann der Beklagten, wiederholt Geldbeträge erhalten, die sie zur Instandhaltung des Hauses verwendete. Mit Testament vom 27. Oktober 1975 hatte die Klägerin ihren Neffen zum Alleinerben eingesetzt. Am 2.Juni 1982 erhielt die Klägerin von der Beklagten ein Darlehen von S 100.000,--. Anläßlich dieser Darlehensgewährung errichteten die Streitteile den Schuldschein Beilage ./B vom gleichen Tage, in dem die Klägerin einbekennt, von der Beklagten unter Berücksichtigung zwischenzeitiger Geldentwertung S 450.000,-- bar erhalten zu haben. Die Klägerin verpflichtete sich, diesen Betrag samt 7 % Zinsen seit 1.Juli 1982

nach Aufkündigung zurückzuzahlen. Zur Sicherstellung dieser Schuld von S 450.000,-- s.A. verpfändete die Klägerin der Beklagten ihre obgenannte Liegenschaft.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß der Beklagten nicht, wie im Schuldschein vom 2.Juni 1982 angeführt, eine Forderung von S 450.000,-- s.A., sondern lediglich eine solche von S 100.000,-- s.A. zustehe. Die Zuwendungen durch den Ehemann der Beklagten in Höhe von insgesamt S 50.000,-- bis S 70.000,-- seien Geldgeschenke gewesen. Die Klägerin sei bei Errichtung des Schuldscheines von der Beklagten dadurch in Irrtum geführt worden, daß ihr diese eingeredet habe, eine hohe Schuld anzuerkennen, um die Erhaltung des Hauses für die Familie, insbesondere den Sohn der Beklagten und eine Geringhaltung der Erbschaftssteuer zu gewährleisten. Die Klägerin habe die Tragweite ihrer Erklärungen infolge ihres Gesundheitszustandes nicht beurteilen könne.

Nach dem Standpunkt der Beklagten habe es sich bei den Geldzuwendungen an die Klägerin nicht um Geschenke, sondern um Darlehen gehandelt. Die Beklagte habe gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann der Klägerin ab 1969 in mehreren Teilbeträgen Darlehen von insgesamt über S 200.000,-- zugezählt. Zur Gewährung eines weiteren, von der Klägerin verlangten Darlehens von S 100.000,-- habe sich die Beklagte nur gegen grundbücherliche Sicherstellung auch der bisher gewährten Darlehen unter Berücksichtigung der Zinsen und der Geldentwertung bereit erklärt. über Vorschlag der Klägerin seien die Zinsen und die Wertsicherung der früheren Darlehen mit S 350.000,-- verglichen worden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der vom Urteilsantrag teilweise abweichenden Fassung des Urteilsspruches dahin statt, daß es feststellte, der Beklagten stehe gegen die Klägerin auf Grund des Schuldscheines vom 2.Juni 1982 nicht eine Forderung von S 450.000,-- s. A. zu, sondern lediglich eine Forderung von S 100.000,-- s.A. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war die Klägerin im Zeitpunkt der Unterfertigung des Schuldscheines in ihrem Dispositionsvermögen in einem solchen Maß und in solcher Art beeinträchtigt, daß sie Sinn, Folge und Tragweite nicht mehr in zweckentsprechender Weise intellektuell verarbeiten und erfassen konnte.

Das Erstgericht verneinte die Geschäftsfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Errichtung des Schuldscheines und verstand den Urteilsantrag dahin, daß der Beklagten auf Grund des Schuldscheines keine höhere Forderung zustehe, weil sich die Klägerin nach dem Inhalt der Klage und ihrer Aussage als Partei jedenfalls ihrem Neffen gegenüber auf Grund seiner Leistungen verpflichtet gefühlt habe. Es sei daher nicht zu prüfen, ob der Beklagten aus einem anderen Rechtsgrund Forderungen zustehen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht kannte der Klägerin ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zu, weil bei einer Pfandrechtslöschungsklage die Frage, ob die Klägerin den gesamten Betrag schulde, nur als Vorfrage gelöst würde und der Entscheidung insoweit keine Feststellungswirkung über den Rechtsstreit hinaus zukäme. Das rechtliche Interesse sei auch nicht dadurch weggefallen, daß die Klägerin nach den bisherigen Feststellungen im Zeitpunkt der Errichtung des Schuldscheines geschäftsunfähig gewesen sei. Auch bei Rechtsunwirksamkeit des Schuldscheines sei noch immer zweifelhaft, ob die Klägerin der Beklagten nicht doch mehr als S 100.000,-- schulde. Das Bestehen einer solchen Schuld werde aber gerade von der Beklagten beharrlich behauptet.

Das Erstgericht habe daher zu Unrecht eine Beschränkung des Urteilsspruches auf die Schulden auf Grund des Schuldscheines Beilage ./B vorgenommen und das Klagebegehren nicht restlos erledigt. Das Verfahren sei daher dahin ergänzungsbedürftig, welche Beträge die Klägerin und von wem sie diese erhalten habe, sowie ob und welche Vereinbarungen hiebei über die Rückzahlung getroffen worden seien oder ob eine unentgeltliche Zuwendung, etwa im Hinblick auf die erwartete Erbeinsetzung, beabsichtigt gewesen sei. Die Beweislast für den Bestand einer S 100.000,-- übersteigenden Schuld treffe die Beklagte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Der Verneinung eines rechtlichen Interesses der Klägerin durch die Rekurswerberin ist entgegenzuhalten, daß bei Berühmung eines Rechtes ein rechtliches Interesse regelmäßig dann gegeben ist, wenn ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis ernstlich behauptet, dadurch die Stellung des Feststellungsklägers beeinträchtigt wird und die negative Feststellungsklage ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung des Klägers ist (RZ 1980/34; SZ 46/89; SZ 26/116 ua). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Rechtsstreitigkeiten verhindert werden können (MietSlg. 29.618; 2 Ob 568/84). Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte eine, die von der Klägerin zugestandene Darlehensforderung von S 100.000,-- übersteigende Forderung aus weiteren von ihr und ihrem Ehemann der Klägerin gewährten Darlehen und berühmt sich somit eines Rechtes, das ihr nach dem Standpunkt der Klägerin nicht zukommt. über das Nichtbestehen dieser Forderung soll nach dem Urteilsantrag der Klägerin mit bindender Wirkung abgesprochen werden. Ein rechtliches Interesse in dem maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz ist daher unabhängig davon zu bejahen, ob die Klägerin schon in der Klage nähere Umstände für den Nachweis ihres rechtlichen Interesses anführte. Der Rekurswerberin ist zwar darin beizupflichten, daß nach der Lehrmeinung Faschings (III, 57) bei einer negativen Feststellungsklage das Rechtsverhältnis genau bezeichnet und damit zwangsläufig rechtlich qualifiziert werden muß. Sowohl bei der positiven als auch der negativen Feststellungsklage ist jedoch, wie Fasching (aaO) weiter ausführt, zu beachten, daß Gegenstand des Rechtsstreites das Begehren auf Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes der aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleiteten Rechtsbeziehung ist. Im vorliegenden Fall kommt aber nach dem beiderseitigen Vorbringen nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer S 100.000,-- übersteigenden Darlehensforderung der Klägerin in Betracht. Es besteht zwischen den Parteien Klarheit über den Streitgegenstand. Eine nähere Bestimmung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung entbehrlich, weil sich dessen Grenzen nach dem Klagssachverhalt und dem daraus abgeleiteten Urteilsantrag bestimmen lassen. Das Erstgericht wird aber zu beachten haben, daß es insoweit eine dem Urteilsspruch deutlichere Fassung geben kann (vgl. MGA ZPO 13 § 405/2 f). Der Hinweis auf die Möglichkeit einer Pfandrechtsteillöschungsklage versagt hier schon deshalb, weil bei Rechtsunwirksamkeit des Pfandbestellungsvertrages infolge Geschäftsunfähigkeit der Klägerin die Rechtsgestaltungsklage der Klägerin nicht das bieten würde, was sie mit der vorliegenden Feststellungsklage anstrebt, die endgültige Klarstellung des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zur Beklagten. Auch der Vorwurf der unrichtigen Lösung der Frage der Beweislastverteilung durch das Berufungsgericht ist unberechtigt. Zweck der Feststellungsklage ist es, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RZ 1980/34; SZ 32/89). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß mit der Unwirksamkeit des Schuldscheines dieser als Beweis des angemaßten Rechtes wegfällt. Die Beklagte hat demnach die behauptete Darlehensforderung nachzuweisen.

Wie schon oben dargelegt wurde, ist nach den beiderseitigen Vorbringen in erster Instanz nur die Höhe der der Beklagten zugezählten Geldbeträge und das Vorliegen eines Darlehens- bzw. Schenkungsverhältnisses strittig. Da ein anderer Rechtsgrund von keiner der Parteien bisher geltend gemacht wurde, bedurfte es auch keines Ergänzungsauftrages durch das Berufungsgericht iS der Rekursausführungen Punkt 3.) lit. c.

Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E05497

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00530.85.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19850328_OGH0002_0070OB00530_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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