TE OGH 1985/4/11 6Ob553/85

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Veröffentlicht am 11.04.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Simone Lydia A, geboren am 19. Mai 1978, Schülerin, derzeit im Haushalt des Vaters in Bad Kleinkirchheim, infolge Revisionsrekurses des Vaters Rudolf A, Kellner, Bad Kleinkirchheim, Haus Hapimag, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 6. Februar 1985, GZ. 43 R 124/85-261, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 12. November 1984, GZ. 1 P 235/81-241, im Sinne der ersatzlosen Behebung abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Simone Lydia A wurde am 19. Mai 1978 als eheliches Kind des Rudolf und der Romana A geboren. Die Ehe der Eltern wurde mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. Juni 1981 zu 3 Sch 31/81 gemäß § 55 a EheG geschieden. Die Eltern hatten bereits vor ihrer Scheidung getrennt voneinander gelebt. Am 11. März 1981 hatte die Mutter, die damals in eine Wohnung im 18.Wiener Gemeindebezirk gezogen war, vor dem Bezirksgericht Döbling einen Antrag gemäß § 177 Abs 2 ABGB zu Protokoll erklärt. Am 10. April 1981 hatte der Vater, der zu seiner Mutter in deren Dienstwohnung nach Bad Kleinkirchheim gezogen war, beim Bezirksgericht Spittal an der Drau seinerseits einen Antrag gemäß § 177 Abs 2 ABGB zu Protokoll gegeben. Am 20. Mai 1981 hatten beide Elternteile vor dem Bezirksgericht Hernals einen übereinstimmenden Antrag zu Protokoll erklärt, die Elternrechte der Mutter allein zur Ausübung zuzuweisen. Die beim Bezirksgericht Döbling und beim Bezirksgericht Spittal an der Drau gestellten Anträge waren dabei unerörtert geblieben; über ihren Aufenthalt hatten die Elternteile vor dem Bezirksgericht Hernals angegeben, im

17. Wiener Gemeindebezirk zu wohnen, aber fallweise getrennt zu sein. Das Bezirksgericht Hernals hatte zwar einen Beschluß im Sinne des übereinstimmenden Antrages beider Elternteile gefaßt, eine Ausfertigung aber nur der Mutter zugestellt. Als im Zuge der vom Bezirksgericht Döbling eingeleiteten Erhebungen aktenkundig geworden war, daß die Mutter seit 1. Juli 1981 im 15.Wiener Gemeindebezirk Wohnung genommen und das Kind bei sich habe, nahm dies das Bezirksgericht Hernals zum Anlaß, von Amts wegen die Zuständigkeit zur Pflegschaftsführung gemäß § 111 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Fünfhaus zu übertragen. Ein Vertreter des Vaters übernahm am 28. Juli 1981 bei Gericht eine Ausfertigung dieses Übertragungsbeschlusses und erklärte, namens des Vaters auf Rechtsmittel zu verzichten.

Das Bezirksgericht Fünfhaus sprach mit seinem Beschluß vom 14. August 1981

(ON 9) aus, daß es im Sinne des Übertragungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Hernals die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaft übernehme. Der Vater brachte am 28. Juli 1981 beim Bezirksgericht Fünfhaus einen Antrag ein, der im Scheidungsverfahren getroffenen Vereinbarung vom 16. Juni 1981 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu versagen und die Elternrechte ihm allein zur Ausübung zuzuweisen. Gleichzeitig beantragte er die Überweisung der Pflegschaft gemäß § 44 JN (§ 109 JN) an das Bezirksgericht Spittal an der Drau, weil das Kind seit März 1981 - von Unterbrechungen abgesehen - bei ihm in Bad Kleinkirchheim lebe. In inhaltlicher Übereinstimmung mit diesem Überweisungsantrag erhob der Vater gegen den Übernahmsbeschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus Rekurs. Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittel nicht statt. Ein vom Vater dagegen erhobener Revisionsrekurs verfiel der Zurückweisung (Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28. April 1982, 6 Ob 606/82; ON 73). Der Vater lebt seit der Trennug und der nachfolgenden Ehescheidung bei seiner Mutter in deren Dienstwohnung in Bad Kleinkirchheim. Die Mutter wohnte ab Juli 1981 in einer in Unterbestand genommenen Wohnung im 15.Wiener Gemeindebezirk. Sie hat sich am 10. September 1984 wieder verehelicht und wohnt nunmehr in einer Wohnung im

6. Wiener Gemeindebezirk. Das Kind befindet sich seit Mitte Juli 1981 ständig beim Vater.

Das Verfahren über die Ausübung der Elternrechte ist nach wie vor anhängig. Nachdem das Pflegschaftsgericht im zweiten Rechtsgang eine Ergänzung des im ersten Rechtsgang erstatteten fachärztlichen Sachverständigengutachtens veranlaßt und das Gutachten eines zweiten fachärztlichen Sachverständigen eingeholt hatte, sprach es mit dem Beschluß vom 12. November 1984 (ON 241) seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Spittal an der Drau. Es begründete diese Entscheidung damit, daß das Kind im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zivilverfahrens-Novelle 1983

(B) seinen gewÄhnlichen Aufenthalt in Bad Kleinkirchheim gehabt habe und dies nach der Übergangsbestimmung des Art.XVII § 2 Abs 2 B 1983 für das weitere Verfahren im Sinne des durch Art. II Z 51 B 1983 neu gefaßten § 109 Abs 1 JN gerichtsstandsbegründend sei. Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Überweisungsbeschluß ersatzlos auf. Dazu vertrat es die Ansicht, daß die Übergangsregelung des Art.XVII § 2 Abs 2 B 1983 einschränkend dahin auszulegen sei, daß eine bereits vor dem 1. Mai 1983 rechtmäßig begründete Zuständigkeit gemäß § 29 JN ungeachtet der Neufassung des § 109 JN unberührt bleibe. Der vom Vater gegen diese abändernde Rekursentscheidung erhobene Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes zur Pflegschaftsführung wird zunächst nach dem vom Gesetzgeber typischerweise als zweckmäßig erachteten Anknüpfungsmerkmal, wie es im § 109 JN umschrieben ist, bestimmt.

Erscheint diese Zuweisung auf Grund eines allgemein normierten Anknüpfungspunktes nach den besonders gelagerten Umständen des Einzelfalles im Interesse des Pflegschaftsverfahrens unzweckmäßig, sieht § 111 JN die Möglichkeit einer Anpassung an die besondere Fallgestaltung vor. Erfolgte die Zuständigkeitsbestimmung in einem Pflegschaftsverfahren in Anwendung des § 111 JN unter Berücksichtigung der für das bestimmte Verfahren maßgebenden konkreten Umstände, ist die allgemeine gesetzliche Zuweisungsregel des § 109 JN nicht mehr maßgebend. Aus diesem Grunde kann eine Änderung des gesetzlichen Zuständigkeitstatbestandes (Art. II Z 51 B 1983), auch wenn die Übergangsbestimmung (Art. XVII § 2 Abs 2, Satz 1 B 1983) ausdrücklich die Anwendung auf bereits anhängige Verfahren vorschreibt, keinen Einfluß auf die örtliche Zuständigkeit zur Pflegschaftsführung nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidend ist daher im Gegensatz zu der vom Rekursgericht verfochtenen Ansicht im vorliegenden Fall nicht der Umstand, daß bereits vor dem Stichtag eine Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit nach der alten Rechtslage getroffen worden und in Rechtskraft erwachsen war, sondern daß es sich um eine den individuellen Umständen des konkreten Falles Rechnung tragende Entscheidung im Sinne des § 111 JN gehandelt hat.

Diese für die Zuständigkeitsbestimmung im anhängigen Verfahren wesentliche Eigenart macht eine Auseinandersetzung mit den kritischen Ausführungen in der Rekursentscheidung zur Auslegung der Übergangsbestimmung des Art.XVII § 2 Abs 2 B 1983, wie sie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 24. Mai 1984, 6 Ob 580/84 dargelegt hat, entbehrlich. Dem Revisionsrekurs war mit Rücksicht auf die nach § 111 JN getroffene Entscheidung im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E05488

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00553.85.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19850411_OGH0002_0060OB00553_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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