TE OGH 1985/4/17 1Ob510/85

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Veröffentlicht am 17.04.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert A, Kfz-Mechanikermeister, Graz, ögydigasse 14, vertreten durch Dr. Erich Portschy, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Manfred B, Kfz-Mechaniker, Graz, Hüttenbrennergasse 52, vertreten durch Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 137.360,92 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 17. Oktober 1984, GZ 3 R 170/84-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. März 1984, GZ 5 C 189/83-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.878,65

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 447,15 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 27. Juli 1978 gab der Kläger dem Beklagten mit 1. August 1978 das von ihm betriebene Kfz-Mechanikerunternehmen Graz, ögydigasse 14 und 16, in Bestand. Bei Beendigung des Bestandverhältnisses war das Pachtobjekt dem Verpächter in gutem und brauchbarem Zustand unter Bedachtnahme auf die übliche Abnützung zurückzustellen. Das Bestandverhältnis wurde mit 31. Juli 1981 einvernehmlich beendet. Die Rückgabe der vom Kläger vorerst nicht angenommenen Schlüssel erfolgte anläßlich einer gemeinsamen Besichtigung am 28. August 1981.

Mit der am 16. Mai 1983 eingebrachten Klage begehrt der Kläger den Zuspruch des Betrages von S 137.360,92 samt Anhang. Die Werkstätte und die Werkstätteneinrichtung hätten sich bei der Beendigung des Pachtverhältnisses in desolatem Zustand befunden, zum Teil hätten Fahrnisse auch gefehlt. Bei Beendigung des Pachtverhältnisses sei vereinbart worden, daß der Pachtgegenstand durch einen Sachverständigen, der ein Gutachten über den dem Kläger entstandenen Schaden erstatten sollte, besichtigt werde; auf dieser Basis sollte eine außergerichtliche Bereinigung durch die Parteien erfolgen. Der Beklagte wendete ein, der geltend gemachte Anspruch sei gemäß § 1111

ABGB verfristet. Es seien keine Vergleichsgespräche geführt, in eventu seien solche spätestens am 28. Februar 1982 beendet worden. Das Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. Fritz C sei dem Beklagten erst am 7. Februar 1983 zur Kenntnis gebracht worden. Er habe auf die Einwendung der Verfristung nicht verzichtet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, die Streitteile hätten keine Vereinbarung getroffen, daß zur Klärung allfälliger Schadenersatzansprüche des Klägers vorerst das Gutachten des Dipl.Ing. Fritz C abgewartet werden solle. Der Kläger habe daher den von ihm behaupteten Anspruch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 1111 ABGB geltend gemacht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Revision erklärte es für zulässig. Nach teilweiser Beweiswiederholung stellte es abweichend vom Erstgericht fest, in der Zeit zwischen dem 29. Juli und dem 28. August 1981 hätten zwischen den Vertretern der Streitteile vier oder fünf Telefongespräche stattgefunden. Schon beim ersten dieser Gespräche habe der Klagevertreter dem damaligen Vertreter des Beklagten Dr. Walter D den Vorschlag gemacht, zur rascheren Klärung der vom Kläger behaupteten Ersatzansprüche außergerichtlich einen Sachverständigen beizuziehen.

Dr. Walter D habe dem zugestimmt; er habe sich damit einverstanden erklärt, daß die Parteien auf der Basis der Ergebnisse des Gutachtens sich zusammensetzen und eine außergerichtliche Bereinigung suchen werden. über die Befristung der Ansprüche des Klägers gemäß § 1111 ABGB sei nichts gesprochen worden. Es sei nicht daran gedacht worden, daß sich die Erstellung des Gutachtens derart verzögern könnte. Es sei auch nicht ausdrücklich besprochen worden, daß mit der Geltendmachung von Ansprüchen des Klägers bis zum Vorliegen des Gutachtens zugewartet werden solle. Eine bestimmte Frist, bis zu der das Gutachten erstattet werden sollte, sei nicht erörtert worden. Dem vom Kläger beauftragten Sachverständigen Dipl.Ing. Fritz C sei keine Frist gesetzt worden; auch sei die Gutachtenserstattung nie betrieben worden. Das Gutachten des Dipl.Ing. Fritz C sei dem Klagevertreter zwischen dem 26. Jänner und 7. Februar 1983 zugekommen. Konkrete Verhandlungen zwischen den Parteien über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Klägers hätten nach diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden, der Vertreter des Beklagten habe vielmehr bereits am 7. Februar 1983 grundsätzlich jegliche Leistung wegen Fristablaufes abgelehnt. Der Klagevertreter habe dem Kläger mit Schreiben vom 15. März 1983 mitgeteilt, daß seine außergerichtlichen Bemühungen keinen Erfolg gehabt hätten. Anfang April 1983 habe der Kläger seinem Vertreter den Auftrag zur Klagseinbringung erteilt.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Frist des § 1111 ABGB eine Präklusionsfrist sei. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung sei gemäß § 914 ABGB auszulegen. Da über die Befristung tbrrAnsprüche nichts gesprochen und ausdrücklich nicht erklärt worden sei, mit der Geltendmachung von Ansprüchen bis zum Vorliegen des Gutachtens zuzuwarten, und auch nicht daran gedacht worden sei, daß sich die Erstattung des Gutachtens derart verzögern würde, könne die Vereinbarung nicht als Verlängerung der Frist zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bis zum Scheitern einer außergerichtlichen Bereinigung verstanden werden. Die Erklärungen der Parteienvertreter hätten denknotwendigerweise nicht vorausgesetzt, die Frist zu verlängern, vielmehr sei die Vereinbarung auch ohne Bezugnahme auf diese Frist verständlich und sinnvoll, da im Regelfall die Frist von einem Jahr bei weitem ausreiche, um die Höhe der bereits ohnedies am 28. August 1981 festgestellten Schäden ermitteln zu können. Hinzu komme noch, daß es Zweck des § 1111 ABGB sei, die Ansprüche des Bestandgebers nach Rückstellung des Bestandobjektes möglichst rasch einer Klärung zuzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Wie in der Entscheidung SZ 56/103 unter Berufung auf die dort angeführte überwiegende Lehre ausgesprochen wurde, handelt es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um keine Verjährungs-, sondern um eine Präklusivfrist. Es muß aber auch der durch den Ablauf der Präklusivfrist Begünstigte die Ausübung des Rechtes durch den Gegner noch nach verstrichener Frist zulassen, wenn seine Berufung auf die Ausschlußfrist gegen Treu und Glauben verstieße; dies ist etwa der Fall, wenn Vergleichsverhandlungen über den Ablauf der Frist hinaus andauerten und der Kläger dadurch veranlaßt wurde, seine Forderung nicht innerhalb der Frist geltend zu machen (ZVR 1979/44). Scheiterten allerdings derartige Vergleichsverhandlungen nach einem Zeitpunkt, in dem ohne sie Rechtsverlust bereits eingetreten wäre, ist analog den Fällen von Vergleichsverhandlungen während einer Verjährungsfrist (RZ 1984/59;

ZVR 1979/44) die Berufung auf Treu und Glauben nur dann gerechtfertigt, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich, das heißt in angemessener Frist die Klage eingebracht wurde (MietSlg. 35.280; SZ 48/39;

SZ 48/33; SZ 45/80; JBl 1969, 442 ua; zuletzt 7 Ob 682/84; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1451, Rdz 2 zu § 1501). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist dem Revisionswerber zuzugeben, daß die von den Vertretern der Streitteile erzielte Einigung, außergerichtlich einen Sachverständigen beizuziehen und nach Erstattung dessen Gutachtens eine außergerichtliche Bereinigung zu suchen, nur dahin verstanden werden kann, daß sich die Streitteile unabhängig von der Befristung allfälliger Ansprüche des Klägers nach § 1111 ABGB in Vergleichsverhandlungen stehend betrachteten. Gerade durch die Zusage des damaligen Vertreters des Beklagten, die Ergebnisse des einzuholenden Gutachtens als Grundlage für eine außergerichtliche Bereinigung verwenden zu wollen, so daß, anders als im Falle der Entscheidung SZ 56/103, eine Einigung nicht nur über den Grund des Anspruches, sondern im wesentlichen auch über dessen Höhe bestand, sollte eine bei Einigung dann überflüssige Klagsführung des Klägers vermieden werden. Der Kläger übersieht aber, daß er nach der am 7. Februar 1983 erfolgten endgültigen Weigerung des Beklagten, sich außergerichtlich zu einigen, die Klage nicht unverzüglich, das heißt, in angemessener Frist, eingebracht hat. Zwischen dem lange nach Ablauf der gesetzlichen Frist erfolgten endgültigen Scheitern einer außergerichtlichen Bereinigung und der Einbringung der Klage lag ein Zeitraum von mehr als drei Monaten. Dem Kläger waren auf Grund des Gutachtens des Dipl.Ing. Fritz C vom 26. Jänner 1983 und des Kostenvoranschlages der Firma Ing. E & CO vom 26. November 1982 die von ihm später in der Klage geltend gemachten einzelnen Schadenspositionen ziffernmäßig detailliert bereits bekannt. Der Kläger berief sich zum Beweis über die Höhe des Schadens auch im wesentlichen nur auf diese beiden Beweismittel. Er hätte daher im Hinblick auf den Zweck der Bestimmung des § 1111 ABGB, Ansprüche des Bestandgebers gegen den Bestandnehmer nach Rückstellung des Bestandobjektes möglichst rasch einer Klärung zuzuführen (SZ 56/103), sofort entscheiden müssen, ob er die von ihm behaupteten Ansprüche gerichtlich geltend macht. In der Rechtsprechung (5 Ob 559/82; 4 Ob 335/80) wurde nach Ablauf der Verjährungsfrist bloß ein Zuwarten von einem oder zwei Monaten nach Scheitern von Vergleichsgesprächen nicht beanstandet, letzteres sogar nur unter dem dort zutreffenden Hinweis, daß ein Zeitraum von einem Monat in die Gerichtsferien fiel. Das Zuwarten von etwas mehr als vier Monaten wurde hingegen bereits als zu lange bezeichnet (EvBl 1976/6;

SZ 43/176; 7 Ob 682/84). Eine Unterlassung des eigenen Rechtsvertreters ist dabei der Partei zuzurechnen (EvBl 1976/6;

Schubert aaO Rdz 10 zu § 1497

ABGB). Ein Zuwarten mit der Klagsführung durch mehr als drei Monate nach endgültigem Scheitern von Vergleichsverhandlungen kann, insbesondere bei Bedachtnahme darauf, daß an sich eine kürzere als eine dreijährige Verjährungsfrist zu wahren gewesen wäre, und schon das abzuwartende Sachverständigengutachten nicht betrieben worden war, nicht mehr als unverzügliche Geltendmachung, die den Kläger berechtigte, sich gegen die Einwendung der Fristversäumung auf Treu und Glauben zu berufen, angesehen werden.

Das Berufungsgericht verneinte im Ergebnis zutreffend die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche. Der Revision des Klägers ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05414

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00510.85.0417.000

Dokumentnummer

JJT_19850417_OGH0002_0010OB00510_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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