TE OGH 1985/4/17 1Ob38/84

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Veröffentlicht am 17.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Adele A, Pensionistin, und 2. Ing. Manfred A, Angestellter, beide Klosterneuburg, Hölzlgasse 51, vertreten durch Dr. Franz Artmann, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagten Parteien 1. Mathilde B, Hausfrau, 2. Gertrud C, Hausfrau, beide Klosterneuburg, Ziegelofengasse 19, beide vertreten durch Dr. Werner Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Parteien D E, Klosterneuburg, Rathausplatz 1, vertreten durch Dr. Anton Bauer, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wegen Duldung und Unterlassung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Mai 1984, GZ. 45 R 236/84-24, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 23. Jänner 1984, GZ. 2 C 104/82-16, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.069,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 257,20 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahre 1928 wurde von der D E in dem zwischen den Grundstücken 1713/1 und 1713/2 der EZ 3660 Katastralgemeinde Klosterneuburg einerseits und den Grundstücken 1711/1 der EZ 3971 Katastralgemeinde Klosterneuburg und 1712/1 der EZ 3215 Katastralgemeinde Klosterneuburg andererseits gelegenen, im Eigentum der D E gestanden Grundstück 3220 der EZ 4859 Katastralgemeinde Klosterneuburg, das als öffentlicher Weg gewidmet war, eine Wasserleitung verlegt. Auf dem Grundstück 1713/2 ist das Haus Klosterneuburg, Ziegelofengasse 15, auf dem Grundstück 1712/1 ist das Haus Ziegelofengasse 19

errichtet. Die Wasserleitung dient der Versorgung der Liegenschaft Klosterneuburg, Ziegelofengasse 19. Eigentümerin der Liegenschaft der EZ 3660

war seit 1970 Magdalena F, die sie von ihrem Vater geerbt hatte. Die Erstbeklagte ist seit 1926 Eigentümerin beziehungsweise Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 3215, die Zweitbeklagte ist Miteigentümerin seit 1981. Mit Verordnung der D E vom 1. Februar 1978 wurde die öffentliche Wegewidmung für das Grundstück 3220 aufgelassen. Bei der der Auflassung der Wegewidmung vorangegangenen mündlichen Verhandlung waren die Erstbeklagte und Magdalena F anwesend. Geltend gemacht wurde lediglich, daß unter dem Weg eine elektrische Hausanschlußleitung zur Liegenschaft der Erstbeklagten verläuft. Gegen die Auflassung des öffentlichen Weges wurde von den Anrainern kein Einwand erhoben. Mit Kaufvertrag vom 10. April 1980 veräußerte die D E unter anderem die an die Grundstücke 1713/1 und 1713/2 angrenzenden Teilflächen des Grundstücks 3220 zum Zwecke der Einbeziehung in diese an Magdalena F. In Punkt 2 des Kaufvertrages ist festgehalten, daß die D E die im Punkt 1 des Vertrages näher bezeichneten Grundstücksflächen samt allem rechtlichen und physischen Zubehör, allem was damit erd-, mauer-, niet- und nagelfest verbunden ist, so wie die Verkäuferin die Kaufobjekte bisher besessen und benützt hat oder doch zu besitzen und zu benützen berechtigt war, an Magdalena F verkauft und übergibt. Magdalena F veräußerte mit Kaufvertrag vom 24. September 1980 das Grundstück 1713/1 an die Erstklägerin und Rudolf A; der Zweitkläger ist Erbe nach Rudolf A. Gemäß Punkt VIII dieses Kaufvertrages sind die Käufer in Kenntnis, daß über das kaufgegenständliche Grundstück die Anschlußleitungen für Wasser und Gas zum Haus Ziegelofengasse 15, Grundstück 1713/2 (Wohnsitz der Magdalena F), führen. Vereinbart wurde, daß, sobald die neue Straße über das bisherige Grundstück 1715/7 eröffnet ist und eine Anschlußmöglichkeit von dieser neu eröffneten Straße für Gas und Wasser für das Haus Ziegelofengasse 15 besteht, der jetzt über das Grundstück 1713/1 führende Anschluß für Gas und Wasser gekappt und dieser Anschluß für das Haus Ziegelofengasse 15 direkt von der neu eröffneten Straße vom Eigentümer des Grundstücks 1713/2 hergestellt wird.

Die Kläger begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Wasserentnahme aus der unter dem Grundstück 1713/1 (nunmehr) der EZ 5712

Katastralgemeinde Klosterneuburg führenden Wasserleitung zu unterlassen und der Trennung (Kappung) des an der westlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes 1713/1 zum Hause der Beklagten führenden Wasserleitungsstranges von dem zum Grundstück 1713/1 führenden Wasserleitungsstrang zuzustimmen. Die Kläger brachten vor, sie hätten bei Vornahme von Straßenarbeiten der Ziegelofengasse davon Kenntnis erhalten, daß unter dem Grundstück 1713/1 ein Wasserrohrstrang von der Ziegelofengasse zur Liegenschaft der Beklagten führe.

Diese Tatsache sei weder ihnen noch der Voreigentümerin Magdalena F bekannt gewesen, es sei dies erst offenbar geworden, als sich die Beklagten bei den Arbeitern des Wasserwerkes beschwert hätten, daß die Wasserzufuhr unterbrochen worden sei. Die Kläger hätten im Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchstandes das Grundstück 1713/1 ohne Lasten erworben, die über ihr Grundstück führende Wasserleitung stelle eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechtes dar.

Die Beklagten beantragen Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, sie seien passiv zum Klagebegehren nicht legitimiert, weil die Wasserleitung nicht im Eigentum der Kläger stehe, sondern in öffentlichem Gut verlegt sei.

Sie hätten eine Leitungsservitut ersessen, darüber hinaus sei den Klägern die obligatorische Verpflichtung, die Wasserleitung zu dulden, überbunden worden.

Das Erstgericht gab dem Teilbegehren die Wasserentnahme aus der Wasserleitung zu unterlassen statt, das weitere Begehren wies es ab. Durch den Einbau der Wasserleitung in das Grundstück sei diese unselbständiger Bestandteil des Grundstücks geworden. Die Wasserleitung stehe demnach im Eigentum der Kläger. Die Beklagten treffe keine Verpflichtung, die Wasserleitung zu entfernen, doch sei das Begehren auf Unterlassung der Wasserentnahme gerechtfertigt. Die Ersitzung einer Dienstbarkeit scheide aus, weil die Eigentümerin des dienenden Grundes, die D E, nicht zu einem bloßen Dulden oder Unterlassen verpflichtet gewesen sei, sondern zu einer positiven Leistung, der Lieferung von Wasser; dies könne nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein. Der Übergang einer obligatorischen Verpflichtung auf die Kläger komme nicht in Betracht, weil eine solche Pflicht weder im Kaufvertrag mit Magdalena F noch in dem mit den Klägern abgeschlossenen Vertrag überbunden worden sei.

Das Berufungsgericht erachtete den Rechtsweg für das erhobene Klagebegehren als zulässig, und gab den gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufungen der Beklagten und ihres Nebenintervenienten nicht Folge. In Stattgebung der Berufung der Kläger erkannte es die Beklagten zur ungeteilten Hand weiters schuldig, der Trennung (Kappung) des an der westlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes 1713/1 zum Hause der Beklagten führenden Wasserleitungsstranges von dem zum Grundstück 1713/1 führenden Wasserleitungsstrang zuzustimmen. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes des bestätigenden Teiles S 60.000,--, der Streitwert des abändernden Teiles S 15.000,-- übersteigt und der Streitwert, über den das Berufungsgericht insgesamt entschieden hat, S 300.000,-- nicht übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision sowohl gegen den bestätigenden Teil als auch gegen den abändernden Teil für zulässig. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwischen der D E und Magdalena F seien die Voraussetzungen für die Einverleibung einer Servitut der Wasserleitung zugunsten der Eigentümer der Liegenschaft EZ 3215 Katastralgemeinde Klosterneuburg gegeben gewesen, die Verbücherung einer Servitut sei jedoch unterblieben. Im Kaufvertrag zwischen Magdalena F und Rudolf und Dr. Adele A sei die Wasserleitung nicht erwähnt worden, sie sei auch in der Natur nicht erkennbar gewesen. Demzufolge hätten die Käufer gemäß § 1500 ABGB die Liegenschaft ohne Belastung durch eine derartige Servitut erworben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision kommt Berechtigung nicht zu.

Soweit die Beklagten im Revisionsverfahren Unzulässigkeit des Rechtsweges geltend machen, ist darauf zu verweisen, daß Prozeßhindernisse in höherer Instanz nicht mehr wahr genommen werden können, wenn dem eine noch bindende Entscheidung entgegensteht. Die in § 42 Abs 3 JN für einzelne Prozeßhindernisse normierten Rechtsfolgen gelten nach Lehre und Rechtsprechung (SZ 28/265; Fasching Kommentar I 273) für alle Prozeßhindernisse. Das Erstgericht hat über die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges (vgl. S 21 d A) nicht entschieden, das Berufungsgericht hat sich mit der Prozeßeinrede in den Entscheidungsgründen befaßt. Nach nunmehr herrschender Auffassung bindet das vom Berufungsgericht auch nur in den Gründen der Entscheidung verneinte Vorliegen eines Prozeßhindernisses den Obersten Gerichtshof (SZ 54/190; RZ 1976/110 ua). Der Rechtsweg für das erhobene Klagebegehren ist demnach zulässig.

Die Frage, in wessen Eigentum die unter der Liegenschaft der Kläger verlegten Wasserleitungsrohre stehen, ob Eigentum der Kläger oder der D E besteht, kann auf sich beruhen. Entscheidend ist nur, ob den Beklagten auch gegenüber den Klägern das (dingliche oder obligatorische) Recht, Wasser durch diese Rohre auf ihren Grund zu leiten (§ 497 ABGB), zusteht. Soweit sich die Kläger auf die vertragliche Einräumung oder die Ersitzung einer Dienstbarkeit der Wasserleitung berufen, wäre dieses Recht, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, durch den Eigentumserwerb der Kläger im Vertrauen auf den Buchstand (§ 1500 ABGB), der eine derartige Belastung nicht erkennen ließ, untergegangen. Der Vertrauensgrundsatz kommt nur dem nicht zugute, der bei gehöriger Aufmerksamkeit die Abweichung des Buchstandes von der wahren Rechtslage erkennen konnte (NZ 1978, 110; SZ 48/78; SZ 47/29; JBl. 1976, 642; SZ 28/30;

Koziol-Welser, Grundriß 7 II 98). Der Umfang der dem Erwerber obliegenden Sorgfaltspflicht bestimmt sich nach der Verkehrssitte. Im allgemeinen ist der Erwerber nicht gehalten, die Richtigkeit des Grundbuchstandes durch eigene Nachforschungen zu prüfen, weil dies den Wert des Grundbuchs in Frage stellen würde; anders ist dies dann, wenn sich aus konkreten Umständen Bedenken gegen die Richtigkeit ergeben, das heißt wenn der Erwerber Wahrnehmungen macht, die ihn zur Ansicht führen müssen, daß die tatsächliche Rechtslage vom Grundbuchstand abweicht (NZ 1978, 110; EvBl. 1965/64;

RZ 1962, 83;

Koziol-Welser a.a.O.). Bei offenkundigen Dienstbarkeiten ist der gute Glaube ausgeschlossen (SZ 39/146; RZ 1962, 173; SZ 23/225 und 287). Im vorliegenden Fall hätte auch eine Besichtigung der Grundstücke keinen Aufschluß über den Verlauf der im Erdboden verlegten Wasserleitung gegeben. Die Wasserleitung wurde auch weder beim Verkauf der Liegenschaft an Magdalena F noch beim Verkauf an die Zweitklägerin und ihren Gatten erwähnt. Erwähnung fand lediglich (vgl. Punkt VIII des Kaufvertrages vom 24.9.1980, Beilage D) die zum Haus der Magdalena F, Ziegelofengasse 15, führende Wasserleitung, nicht aber jene zum Haus der Beklagten. Auch anläßlich der mündlichen Verhandlung, die der Auflassung des öffentlichen Weges voranging, wurde nur der Bestand einer elektrischen Hausanschlußleitung erwähnt, nicht aber die Verlegung von Wasserleitungen. Zu Nachforschungen in den Akten der D E darüber, ob in dem in Rede stehenden Grundstreifen Rohre verlegt sind und dritten Personen Wasserbezugsrechte zustehen, waren die Kläger nicht verpflichtet. Eine derartige Anforderung würde eine überspannung der Erkundungspflicht und damit eine Entwertung des Grundbuchs bedeuten. Die Beklagten können sich aber auch nicht auf die überbindung eines den Beklagten gegenüber der D E zustehenden obligatorischen Rechts auf Duldung des Wasserbezugs berufen. Es kann schon fraglich sein, ob Punkt 2 des Kaufvertrages zwischen der D E und Magdalena F vom 10. April 1980 in diesem Sinn verstanden werden kann. Die Bestimmung des Punktes VI des Kaufvertrages zwischen Magdalena F und den Klägern, wonach der Tag der Vertragsunterzeichnung als Stichtag für den Übergang 'aller mit dem Besitz und dem Eigentum des Kaufgegenstandes verbundenen Lasten und Gefahren sowie auch aller Besitzvorteile' gilt, bezieht sich im Zweifel nur auf dingliche Belastungen (vgl. JBl. 1985, 34), nicht aber auf solche obligatorischer Natur. Demnach sind die Kläger zur Duldung der Ausübung eines Wasserleitungsrechtes nicht verpflichtet, so daß der Revision der Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05572

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00038.84.0417.000

Dokumentnummer

JJT_19850417_OGH0002_0010OB00038_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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