TE OGH 1985/4/18 8Ob523/85

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Jensik, Dr.Melber und Dr.Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj.Manuela A, geboren am 5.April 1972, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, Alserbachstraße 41, 1091 Wien, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 11.Dezember 1984, GZ 15 c R 47/84-198, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 3.Oktober 1984, GZ P 77/81-193, teilweise abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 5.4.1972 geborene Manuela A ist ein eheliches Kinder des Wilhelm und der Hedwig A. Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien von 28.2.1974 geschieden (ON 30). Mit Beschluß vom 4.10.1973 (ON 10) wurde hinsichtlich des Kindes die gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet und die am 13.6.1973 erfolgte Heimunterbringung pflegschaftsbehördlich genehmigt. Mit Beschluß vom 28.10.1974 (ON 29) wurde im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe die übergabe des Kindes in Pflege und Erziehung der Mutter angeordnet. Diese Entscheidung wurde mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 19.12.1974 (ON 33) mit der Maßgabe bestätigt, daß als neue Maßnahme der angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe die fürsorgerische überwachung und Betreuung des Kindes durch das Bezirksjugendamt für den 3.Bezirk Wien angeordnet wurde. Die mit Karl-Heinz B wiederverehelichte Mutter verstarb am 7.11.1980 (ON 100). Das Kind blieb bei Karl-Heinz B und dessen Lebensgefährtin. Mit Beschluß vom 29.1.1982 (ON 126) wurde gemäß § 26 Abs 1 JWG gerichtliche Erziehungshilfe in der Weise angeordnet, daß das Kind vorläufig weiter in Pflege und Erziehung des Stiefvaters Karl-Heinz B zu verbleiben habe. Mit Beschluß vom 22.10.1981 wurde die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung zum besonderen Sachwalter in Unterhaltsangelegenheiten bestellt (ON 115). Das Kind befindet sich nach wie vor trotz vielfacher Versuche des Vaters, die Pflege und Erziehung des Kindes übertragen zu bekommen, beim Stiefvater. Am 23.2.1984 stellte die Bezirkshauptmannschaft WienUmgebung den Antrag, sie zum Amtsvormund für das Kind zu bestellen (ON 179). Mit Beschluß vom 3.10.1984 (ON 193) entzog das Erstgericht gemäß § 176

ABGB dem Vater das Recht, seine Tochter Manuela gesetzlich zu vertreten;

gleichzeitig bestellte es gemäß § 187 ABGB die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung zum Vormund des Kindes. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge; es änderte diese Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, sie zum Amtsvormund zu bestellen, abwies. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne ihrer Bestellung zum Amtsvormund für das Kind abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Weder aus ihrer Bestellung zum besonderen Sachwalter in Unterhaltsangelegenheiten des Kindes noch aus der Vorschrift des § 176 Abs 1

ABGB ist im vorliegenden Fall die Rechtsmittellegitimation der Bezirksverwaltungsbehörde abzuleiten; in eigene Rechte der Rekurswerberin wird durch die angefochtene Entscheidung nicht eingegriffen, weil sie keinen gesetzlichen Anspruch darauf hat, zum Vormund des Kindes bestellt zu werden (siehe dazu RZ 1975/88 und RZ 1981/64 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 21 JWG hat die Bezirksverwaltungsbehörde im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren unter anderem im Fall der Erziehungshilfe die Stellung eines besonderen Kurators (§ 271 ABGB); sie ist als solcher insbesondere berechtigt und verpflichtet, die Einleitung des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens zu beantragen, wenn sie die Voraussetzungen der gerichtlichen Erziehungshilfe für gegeben erachtet. Gemäß § 34 Abs 3 JWG ist die Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes hinsichtlich der gerichtlichen Erziehungshilfe unter anderem der Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlichem Amtskurator zuzustellen, wenn sie nicht ohnehin Vormund ist.

Gemäß § 34 Abs 4 JWG ist die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn ihr nach der Vorschrift des vorhergehenden Absatzes zuzustellen ist, zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert.

Auch aus diesen Bestimmungen ist nicht abzuleiten, daß die Bezirksverwaltungsbehörde in Vormundschafts- oder Pflegschaftssachen, in denen die gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet wurde, schlechthin zur Anfechtung jeder gerichtlichen Entscheidung berechtigt wäre; nur im Rahmen des ihr als gesetzlichem Amtskurator obliegenden Aufgabenkreises kommt ihr die Rechtsmittellegitimation zu (3 Ob 282/61). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (140 BlgNR 7.GP, 20) ergibt, wurde die Bestimmung des § 21 JWG geschaffen, um es der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermöglichen, nicht als Behörde, sondern als Kurator im Sinne allgemeiner bürgerlichrechtlicher Bestimmungen dem Gericht gegenüber auftreten zu können.

über den Umfang der ihr damit eingeräumten Befugnisse ist damit noch nichts gesagt. Er ergibt sich einerseits aus den Bestimmungen des § 34 Abs 3 und Abs 4 JWG, in denen der Bezirksverwaltungsbehörde nur eine Rechtsmittelbefugnis gegen Entscheidungen des Vormundschafts- oder Pflegschaftsgerichtes hinsichtlich der gerichtlichen Erziehungshilfe eingeräumt wird und andererseits aus der überlegung, daß im Fall der Bestellung eines Kollisionskurators im Sinne des § 271 ABGB, auf welche Gesetzesstelle im § 21 JWG ausdrücklich verwiesen wird, der gesetzliche Vertreter des Kuranden, der ansonsten für ihn einzuschreiten hat, während der Amtsdauer des Kollisionskurators seine Vertretungsbefugnis verliert, aber nur in der Angelegenheit, für deren Erledigung der Kollisionskurator bestellt wurde (SZ 25/242; SZ 36/163 uva.). Daraus ist abzuleiten, daß die Bezirksverwaltungsbehörde auch in ihrer Stellung als besonderer Kurator im Sinne des § 21 JWG in Vormundschafts- oder Pflegschaftssachen, in denen die gerichtliche Erziehungshilfe im Sinne des § 26 JWG angeordnet wurde, nicht zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen jede Entscheidung des Gerichtes befugt ist, sondern nur gegen Entscheidungen, die Maßnahmen im Rahmen der angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe zum Gegenstand haben. Um eine derartige Maßnahme handelt es sich aber bei der hier zu beurteilenden Entscheidung, ob dem ehelichen Vater im Sinne des § 176 ABGB die Vertretungsbefugnis hinsichtlich seines Kindes zu entziehen ist oder nicht (und daher gemäß § 187 ABGB für das Kind ein Vormund zu bestellen ist oder nicht), keinesfalls. Denn die Erziehungshilfe stellt sich nicht als Tadel gegenüber dem Kind oder dem Erziehungsberechtigten dar; sie ist als Unterstützung gedacht und soll auch als solche empfunden werden (140 BlgNR 7.GP, 16). Sie umfaßt im Sinne des § 9 Abs 1 JWG alle Maßnahmen, die dem Ziel einer sachgemäßen und verantwortungsbewußten Erziehung dienen; mit der Frage der gesetzlichen Vertretung eines Kindes hat dies aber nichts zu tun.

Wenn daher auch die Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe im Sinne des § 26 JWG einen Eingriff in die Erziehungsrechte der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes erziehungsberechtigten Personen geradezu voraussetzt, hat sie auf die Frage, wer ein Kind nach diesen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu vertreten hat, überhaupt keinen Einfluß.

Da somit die vorliegende Entscheidung keine Maßnahme im Rahmen der angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe zum Gegenstand hat, ist auch aus der Vorschrift des § 21 JWG die Rechtsmittellegitimation der Rekurswerberin nicht abzuleiten.

Der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft WienUmgebung mußte daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

Anmerkung

E05520

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00523.85.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19850418_OGH0002_0080OB00523_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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