TE OGH 1985/4/25 8Ob509/85

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Veröffentlicht am 25.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz A, öffentlicher Notar, Herrengasse 3/2, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Reiner Gottinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Gudrun B, Angestellte, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, 2) Friedrich Wilhelm C, Kaufmann, Frauenbergerstraße 12, D-3551 Lahntal, BRD, 3) Dr. Gertraud D, Chemikerin, August Boltenweg 12, D-2 Hamburg, BRD,

4) Hedwig E, Geschäftsfrau, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, 5) Margarete F, Pensionistin, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, 6) Ing.Heinrich G, Pensionist, Via Mont Albano, Golden Garden, CH-6925 Gentilino-Ti, Schweiz, 7) Hildegard H, Lehrerin, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, 8) Dipl.Ing.Gabriele I, Architekt, Elisabethstraße 8, 8010 Graz, 9) Ing.Lorenz J, Angestellter, Unterhaus 23, 9871 Seeboden, 10) DDr. Valentin K, Universitätsprofessor, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, und 11) Elisabeth L, Kauffrau, Elisabethstraße 32a, 8010 Graz, alle vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und Dr. Hans-Peter Benischke, Rechtsanwälte in Graz, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert S 70.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18.Oktober 1984, GZ 6 R 45/84-35, womit infolge Berufung der erst- sowie der drittbis elftbeklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Dezember 1983, GZ 10 Cg 328/82-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 5.030,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 600,-- und Umsatzsteuer von S 402,75) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. Alexander M war Eigentümer der Liegenschaft EZ 50 KG St. Leonhard, bestehend aus den Grundstücken Nr.104 mit dem Haus Elisabethstraße 32 und Nr.105 Garten.

Mit Vertrag vom 30.3.1966 verkaufte Dr. M das Grundstück Nr.105 im Ausmaß von 1503 m 2 an das N O; dieses verpflichtete sich für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Kaufliegenschaft gegenüber dem Verkäufer und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum an der Liegenschaft EZ 50 KG St.Leonhard, 'a) das Grundstück Nr.105, das an der Grenze zum Grundstück Nr.104 ca. 10 m breit ist, in einer Tiefe von 6 m von der Grenze zum Grundstück an gerechnet, weder zu verbauen noch anzuschütten, sodaß das derzeit bestehende Niveau dieses Grundstreifens dauernd erhalten bleibt. Zu dieser Verpflichtung gehört auch, Vorsorge dafür zu treffen, daß im Falle der Niveauerhöhung des restlichen Teiles der Parzelle Nr.105 das Abfließen der Niederschlagswässer zu dem vom Bauverbot betroffenen Parzellenteil ausgeschlossen ist, b) die ausschließliche Benützung des im Absatz a) bezeichneten Grundstücksteiles durch den Verkäufer und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft EZ 50 des Grundbuches der KG St.Leonhard, insbesonders den Zutritt und den Aufenthalt auf diesen Grundstücksteil dauernd zu dulden.' Die Käuferin erteilte ihre ausdrückliche Einwilligung, daß ob der ihr zugekommenen Kaufliegenschaft die Dienstbarkeit der Nichtverbauung und der Duldung des Zutrittes und Aufenthaltes im Sinne und Umfange dieses Abschnittes zugunsten des Verkäufers und seiner Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft EZ 50 KG St.Leonhard einverleibt werden könne und möge.

Diese Dienstbarkeit wurde im Lastenblatt der Kaufliegenschaft (nunmehr EZ 1257 KG St.Leonhard) als dem dienenden Gut einverleibt und im Gutsbestandsblatt der EZ 50 KG St.Leonhard ersichtlich gemacht.

Am 21.6.1971 wurde zwischen Dr. M und dem NN O ein Tauschvertrag geschlossen, wonach Dr. M auf seinem Grundstück Nr.104 die im Teilungsplan des Prof.Dr.P vom 23.2.1971

grün angelegte Fläche im Ausmaß von 61 m 2 dem NN O übergibt, während das N O aus seinem Grundstück Nr.105 die im Teilungsplan gelb angelegte, gleichfalls 61 m 2 große Fläche dem Dr.M übergibt.Die im Kaufvertrag vom 30.3.1966 angeführte Servitut wurde in diesem Tauschvertrag nicht erwähnt. Im Grundbuch fand hinsichtlich der beim dienenden Gut einverleibten und beim herrschenden Gut ersichtlich gemachten Dienstbarkeit keine Änderung statt.

Am 8.8.1972 verkaufte das N O einen Anteil der EZ 1257 (Grundstück Nr.105) an die Erstbeklagte zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum. In diesem Vertrag findet sich die Wendung: 'Dem Käufer... ist bekannt, daß diese Liegenschaft... belastet ist... mit der Dienstbarkeit der Nichtverbauung und der Duldung des Zutrittes und Aufenthaltes zugunsten der Liegenschaft EZ 50....'. Gleichartige Verträge wurden auch mit den weiteren Beklagten (Wohnungseigentümern) geschlossen.

Am 8.3.1975 kaufte der Kläger aus dem ruhenden Nachlaß nach dem am 16.5.1974 verstorbenen Dr. M die Liegenschaft EZ 50 KG St.Leonhard. Im Punkt 1) dieses Vertrages wird festgehalten, daß das Kaufobjekt mit einer Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges sowie von Versorgungsleitungen aller Art laut Kaufvertrag vom 30.3.1966 zugunsten der EZ 1257 KG St.Leonhard sowie mit einer Dienstbarkeit der Führung von Einrichtungen der Q R belastet ist, während im Gutsbestandsblatt ein Recht auf Nichtbebauung und des Zutrittes auf einem Teil des Nachbargrundstückes der EZ 1257 ersichtlich gemacht ist.

Die Beklagten haben auf dem Grundstreifen von rund 10 m Breite und rund 6 m Tiefe der EZ 1257 (Grundstück Nr.105) der KG St.Leonhard, wo ihre Liegenschaft im Nordwesten an die Liegenschaft des Klägers EZ 50

(Grundstück Nr.104) KG St.Leonhard grenzt, Flugdächer errichtet und benützen dieses Areal auch als Parkplatz für Kraftfahrzeuge. Der Kläger begehrte im vorliegenden Rechtsstreit, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, auf der in der nordwestlichen Ecke der Liegenschaft EZ 1257 KG St.Leonhard gelegenen an das Grundstück 104 Baufläche der EZ 50 KG St. Leonhard angrenzenden Servitutsfläche (Teil des Grundstückes 105 Garten im Ausmaß von ca. 10 m Breite und 6 m Tiefe) die Errichtung von Flugdächern sowie die Benützung dieser Servitutsfläche, insbesonders als Parkplatz, zu unterlassen und die Flugdächer über der Servitutsfläche zu entfernen. Der Kläger stützte dieses Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, er habe die strittige Dienstbarkeit im Vertrauen auf den Grundbuchstand erworben und sei daher zu ihrer Ausübung berechtigt. Die Benützung der Servitutsfläche durch die Beklagten ohne Zustimmung des Klägers stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte des Klägers dar.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, die vom Kläger behauptete Dienstbarkeit sei zufolge der Vereinigung des dienenden Grundstücksteiles der Parzelle Nr.105 mit dem herrschenden Grundstück Nr.104 von selbst erloschen.

Eine erloschene Dienstbarkeit könne nicht überbunden werden; eine neuerliche Begründung der Dienstbarkeit auf dem vom Kläger hiefür in Anspruch genommenen Grundstücksteil sei nicht erfolgt. Der Kläger habe daher auch nicht die von ihm behauptete Servitut im Vertrauen auf den Grundbuchstand erwerben können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte, abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen

Sachverhalt, im wesentlichen noch folgendes fest:

Der Kläger erfuhr 1975 von der Firma S & Co., daß das Haus Elisabethstraße 32 (EZ 50, Grundstück Nr.104) käuflich zu erwerben sei. Er setzte sich daraufhin mit der Erbin des verstorbenen Dr.M in Verbindung, nachdem er vorher im Grundbuch nachgesehen und sich auch einen Lageplan besorgt hatte. Die Erbin war über die Verhältnisse auf der Liegenschaft nicht näher informiert. Auch die Firma S & Co. konnte dem Kläger nur über die Mietverhältnisse Auskunft geben, nicht aber über die Dienstbarkeiten, die der Kläger gleichfalls zur Sprache gebracht hatte. Der Kläger sah dann noch in der Urkundensammlung nach und konnte feststellen, daß die Kaufverträge, mit denen das N O die einzelnen Eigentumswohnungen bzw. die Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 1257

KG St.Leonhard verkauft hatte, so gehalten waren, daß darin die zugunsten der EZ 50 im Lastenblatt der EZ 1257 einverleibte Dienstbarkeit auf die Käufer (Wohnungseigentümer) überbunden wurde. Lediglich in den Tauschvertrag zwischen Dr.M und dem NN O vom 21.6.1971

(Beilage 6) hat der Kläger nicht Einsicht genommen. Es war ihm zum Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbes nicht bekannt, daß die servitusbelastete Fläche durch den Tauschvertrag aus dem Gutsbestand der EZ 1257 ausgeschieden war. Er ist der Meinung, daß der Servitutsbereich anläßlich der übertragung der Servitut vom NN O auf die Wohnungseigentümer (die Beklagten) eine entsprechende räumliche Verschiebung erfahren hat.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß eine Servitut bei Vereinigung des Eigentums am dienenden und am herrschenden Grund in einer Person zwar von selbst aufhöre, jedoch bei unterbliebener bücherlicher Löschung wieder in Wirksamkeit treten könne und daß die in den öffentlichen Büchern einverleibten Rechte und Verbindlichkeiten durch die Vereinigung von Berechtigtem und Verpflichtetem nicht ipso jure endeten, sondern zu ihrem rechtlichen Untergang der Extabulation bedürften. Aus § 1500 ABGB sei abzuleiten, daß eine durch den Grundstückstausch zugunsten der EZ 1257 und zum Nachteil der EZ 50 eingetretene Rechtsänderung (Untergang der Servitut) demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher ein Recht (Eigentum an der EZ 50) erworben habe, nicht zum Nachteil gereichen könne. Der Kläger habe durch den Kaufvertrag gemäß § 442 ABGB nicht nur das Grundeigentum, sondern auch die zugunsten des Eigentümers dieses Objektes bestehenden Rechte an fremder Sache erworben. Bei integrierender Betrachtung dieser rechtlichen Gesichtspunkte sei ein Fortbestand der Dienstbarkeit und demgemäß ihr Erwerb durch den Kläger anzunehmen. Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Erst- sowie der Dritt- bis Elftbeklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge; es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist.

Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte rechtlich im wesentlichen aus, auszugehen sei davon, daß die zugunsten der Liegenschaft EZ 50 KG St.Leonhard eingeräumte Servitut in ihrer räumlichen Lage und Ausdehnung auf dem dienenden Gut genau vereinbart und in diesem Umfang im Grundbuch auch einverleibt worden sei. Durch spätere Änderung der Grenze der dienenden Liegenschaft sei ohne dahingehende Vereinbarung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem die räumliche Lage der Dienstbarkeit nicht verändert worden. Eine Vereinbarung über eine Änderung der räumlichen Lage der in ihrem Ausmaß genau bestimmten Dienstbarkeit sei nicht behauptet worden und liege auch nach der Aktenlage nicht vor. Nach § 485 ABGB lasse sich keine Servitut eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Nach § 484 ABGB dürften Servituten nicht erweitert werden; sie müßten vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatte, eingeschränkt werden. Daraus ergebe sich, daß auf der vom Kläger nun beanspruchten Teilfläche der Liegenschaft der Beklagten keine Dienstbarkeit zugunsten des Klägers bestehe. Durch den Tauschvertrag vom 21.6.1971 sei es zur Vereinigung des dienstbaren und des herrschenden Grundes in der Person des gleichen Eigentümers gekommen, sodaß gemäß § 526 ABGB die Dienstbarkeit 'von selbst aufgehört' habe. Der Eigentümer hätte die Dienstbarkeit löschen lassen können.

Da er es nicht getan habe, bestehe die Servitut als Recht an eigener Sache im Sinne des § 1446 ABGB fort, das bei einer Zwangsversteigerung zu berücksichtigen sei und bei Trennung wieder voll wirksam werde. Wäre die Ansicht des Erstgerichtes richtig, so würde ein und dieselbe gemessene Grunddienstbarkeit einerseits auf der im Titel bestimmten, jetzt dem Kläger gehörigen Grundfläche als Recht an eigener Sache weiterbestehen und andererseits durch den Erwerb der dienenden Grundfläche auf der nun vom Kläger beanspruchten Grundfläche der Beklagten als Recht an fremder Sache entstanden sein. Falls der Kläger die durch Tausch zur Liegenschaft EZ 50 KG.St.Leonhard gekommene Grundfläche wieder veräußere, lebe die vereinbarte (nun ruhende) Dienstbarkeit wieder voll auf; der Kläger könnte das vereinbarte Servitutsrecht nicht nur auf dieser, sondern auch auf der von ihm nun in Anspruch genommenen Grundfläche ausüben und geltend machen. Eine solche Erweiterung der einverleibten Servitut auf Grund des Erwerbsaktes des Klägers ergebe sich aber weder aus den relevanten Verträgen noch aus dem Gesetz. Richtig sei, daß der Kläger gemäß § 442 ABGB auf Grund des Kaufvertrages nicht nur das Eigentum an der EZ 50 KG St.Leonhard, sondern auch die zugunsten des Eigentümers dieser Liegenschaft bestehenden Rechte an fremder Sache erworben habe. Nach dieser Bestimmung könne aber niemand einem anderen mehr Rechte abtreten,als er selbst habe. Wenn das strittige Recht an der fremden Sache nicht bestehe, habe es der Kläger auch nicht durch den Kauf erwerben können.

Wenn das Erstgericht auf § 1500 ABGB verweise, übersehe es, daß die fragliche Rechtsänderung und damit die wahre Rechtslage im Grundbuch ersichtlich sei. Der Umstand, daß es der Kläger unterlassen habe, in den in der Urkundensammlung erliegenden Tauschvertrag einzusehen, ändere nichts daran, daß das Grundbuch (Hauptbuch und Urkundensammlung) den wahren Rechtsbestand wiedergebe. Der Kläger habe auch nicht auf Grund des gegebenen Grundbuchstandes eine unrichtige Vorstellung über das Bestehen von sein bücherliches Recht beschränkenden Rechten der Beklagten gehabt, sondern vielmehr eine unrichtige Vorstellung über den wahren Grundbuchstand. Nach § 1500 ABGB könne aber nur das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht habe, zu keinem Nachteil gereichen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt stelle keinen solchen Tatbestand dar, zumal es hier nicht um grundbücherliche Rechte des Klägers gehe, denen außerbücherliche Rechte entgegengesetzt würden, sondern einfach um den Inhalt des bücherlichen Dienstbarkeitsrechtes des Klägers. Das 'Vertrauen auf den Grundbuchstand' im Sinne dieser Bestimmung sei aber kein Rechtstitel zum Erwerb eines bücherlichen Rechtes, das nie bestanden habe und nicht bestehe. Die Bestimmung des § 1500 ABGB sei also hier nicht anwendbar.

Durch die übernahmsklausel in den Kaufverträgen hätten die Beklagten von ihrem Rechtsvorgänger gegenüber dem Dienstbarkeitsberechtigten nicht mehr Pflichten übernommen, als dieser selbst gehabt habe. Diese auf die seinerzeit bestellte Servitut bezughabenden Klauseln stellten keinen konstitutiven Akt und keinen Rechtstitel für die Begründung von neuen Rechten des Klägers dar.

Es sei daher nicht relevant, aus welchen Motiven der Hinweis auf die Dienstbarkeit in die Kaufverträge aufgenommen worden sei, obwohl die Dienstbarkeit infolge Vereinigung des dienenden und des herrschenden Gutes nur mehr latent bestehe. Es könnten aber auch Gründe der Vorsicht gewesen sein, da die Dienstbarkeitsbelastung der Beklagten von selbst wieder auflebe, wenn die fragliche Grundfläche von der Liegenschaft EZ 50 KG St.Leonhard wieder abgetrennt und allenfalls mit der Liegenschaft EZ 1257 KG St.Leonhard wieder vereinigt werden sollte.

Diese Erwägungen zeigten, daß dem Kläger auf dem nun von ihm in Anspruch genommenen Grundstücksteil der Beklagten eine Dienstbarkeit nicht zustehe, weshalb das Klagebegehren nicht berechtigt sei. Da die Beklagten notwendige Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO seien, wirke die Berufung der übrigen Beklagten auch zugunsten des Zweitbeklagten, der kein Rechtsmittel erhoben habe. Es sei daher das Urteil des Erstgerichtes auch in Ansehung seiner Person abzuändern. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die Entscheidung von einer Reihe von Rechtsfragen abhänge und - soweit ersichtlich - ein ähnlicher Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof in einer veröffentlichten Entscheidung noch nicht zu beurteilen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der 'unrichtigen rechtlichen Beurteilung' mit dem Antrag, das angefochtene Urteil 'aufzuheben und dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben'.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es sich bei der im Rechtsmittel des Klägers aufgeworfenen Frage, ob er infolge Vertrauens auf den Grundbuchstand die von ihm behauptete Dienstbarkeit an einem Teil der Liegenschaft der Beklagten erwerben konnte, um eine Rechtsfrage des materiellen Rechtes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO handelt. Sachlich ist die Revision aber nicht berechtigt.

Bei der im Punkt VI des Vertrages vom 30.3.1966 (Beilage B) zwischen den Vertragsteilen vereinbarten Dienstbarkeit handelt es sich eindeutig um die (zulässige) Belastung eines bestimmten räumlich abgegrenzten Teiles eines Grundbuchkörpers (siehe dazu Klang in Klang 2 II 567). Dort wurde nämlich ausdrücklich festgehalten, daß von den vereinbarten Belastungen das Grundstück Nr.105 nur im Bereich des ca. 10 m breiten an das Grundstück Nr. 104 angrenzenden Teiles in einer Tiefe von 6 m ab der Grundstücksgrenze betroffen werden sollte. Die Auslegung dieser vertraglichen Vereinbarung in dem Sinn, daß damit eine Dienstbarkeit an einem räumlich abgegrenzten Teil des dienenden Grundstückes begründet wurde, der sich nach der jeweiligen Grenze zur herrschenden Liegenschaft richten sollte, ist im Hinblick darauf nicht möglich, daß nach dem klaren Wortlaut des Vertrages mit dieser Dienstbarkeit erreicht werden sollte, 'daß das derzeit bestehende Niveau dieses (von der vereinbarten Dienstbarkeit betroffenen) Grundstreifens dauernd erhalten bleibt'. Daraus ergibt sich mit voller Deutlichkeit, daß die Vertragsparteien nicht die Belastung eines (nach der jeweiligen Grenze zum benachbarten herrschenden Grundstück) wechselnden räumlich abgegrenzten Teiles des dienenden Grundstückes mit der vereinbarten Servitut begründeten, sondern nur eine derartige Belastung hinsichtlich eines ganz bestimmten Teiles des Grundstückes Nr. 105, nämlich des an die damalige Grenze zum Grundstück Nr. 104 anschließenden 6 m breiten Grundstreifens. Wie sich aus dem bei ON 16 erliegenden Grundbuchsauszug ergibt, wurde ob der Liegenschaft der Beklagten EZ 1257 KG St.Leonhard in T 1 die Dienstbarkeit durch Nichtverbauung sowie Duldung des Zutrittes und Aufenthaltes gemäß Punkt VI des Kaufvertrages vom 30.3.1966 für EZ 50

einverleibt. Im Sinne des § 5 GBG ist, wenn die Eintragung eines bücherlichen Rechtes in einer Kurzfassung nicht möglich ist, eine Berufung auf genau bezeichnete Stellen der der Eintragung zugrundeliegenden Vertragsurkunde mit der Wirkung zulässig, daß die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind (NZ 1982,42; NZ 1983, 185 ua). Im vorliegenden Fall kann daher die wiedergegebene Eintragung der vereinbarten Servitut im Lastenblatt der dienenden Liegenschaft nur dahin verstanden werden, daß damit im Hauptbuch diese Servitut im oben beschriebenen sich aus der Vertragsurkunde ergebenden bestimmten räumlichen Umfang eingetragen wurde; nur in diesem Umfang käme eine Anwendung des Vertrauensgrundsatzes in Betracht.

Wenn nun in der Folge auf Grund des Tauschvertrages vom 21.6.1971 (Beilage 6) der Rechtsvorgänger des Klägers, Dr. M, Eigentümer des mit der dargestellten Servitut belasteten räumlich abgegrenzten Teiles des Grundstückes Nr.105 wurde, so hatte dies, da eine Löschung der Servitut im Grundbuch nicht erfolgte, die im § 526 ABGB normierten Rechtsfolgen (siehe dazu Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz.1 zu § 526); am eingangs dargestellten Inhalt der Servitut vermochte dies aber ebensowenig etwas zu ändern wie die Hinweise auf die Belastung der Liegenschaft EZ 1257 KG St.Leonhard durch die Servitut in den Kaufverträgen des NN U mit dem Beklagten.

Eine vertragliche Änderung des Inhaltes dieser Dienstbarkeit wurde nicht behauptet; derartiges ergibt sich auch aus den getroffenen Feststellungen nicht.

Unter diesen Umständen kann sich der Kläger aber zur Begründung der von ihm behaupteten Servitut, die einen anderen als den im Punkt VI des Vertrages vom 30.3.1966 (Beilage B) beschriebenen räumlich begrenzten Teil des Grundstückes Nr. 105 betreffen soll, schon deshalb nicht mit Erfolg auf sein Vertrauen in den Grundbuchstand berufen, weil aus diesem, wie oben dargestellt, die vom Kläger behauptete Dienstbarkeit mit der nunmehr von ihm in Anspruch genommenen räumlichen Ausdehnung gar nicht zu entnehmen war. Es liegt kein Widerspruch zwischen Grundbuchstand und materieller Rechtslage vor;

der Kläger versucht in Wahrheit nur, einer bücherlichen Eintragung einen Inhalt beizumessen, den sie nicht hat. Unter diesen Umständen kann aber keine Rede davon sein, daß der Kläger im Vertrauen auf den Grundbuchstand die von ihm nunmehr in Anspruch genommene Servitut erworben hätte bzw. daß er in einem Vertrauen auf den Grundbuchstand zu schützen wäre.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen; der Revision des Klägers mußte ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05651

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00509.85.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19850425_OGH0002_0080OB00509_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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