TE OGH 1985/5/8 1Ob560/85 (1Ob561/85)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Ernestine A, Hausfrau, Vorchdorf, Feldham 19, vertreten durch Dr. Elfriede Dämon, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die beklagte und widerklagende Partei Josef A, Landwirtschaftspächter, Vorchdorf, Einsiedling 42, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehescheidung und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1984, GZ 5 R 261,262/84-76, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 20. Juli 1984, GZ 2 Cg 153/82-69, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß der Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird das angefochtene Urteil insoweit, als es die Entscheidung des Erstrichters über das Scheidungsbegehren bestätigte, als nichtig aufgehoben und die Berufung der beklagten und widerklagenden Partei in diesem Umfang zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 20.7.1984, ON 69, schied das Erstgericht die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten und Widerklägers (im folgenden: Beklagter), sprach aus, daß die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden: Klägerin) kein Mitverschulden trifft und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin ab Rechtskraft des Urteils einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000 zu bezahlen; das weitere Begehren auf Zuspruch eines Unterhaltsbetrags von S 2. ooo,-- monatlich wies es ab.Das Urteil wurde dem Vertreter des Beklagten am 14.8.1984 zugestellt. Der Beklagte bekämpfte dieses Urteil mit der am 12.9.1984 zur Post gegebenen Berufung insoweit, als die Ehe nicht aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin geschieden wurde, und im Ausspruch über den von ihm zu leistenden Unterhalt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung mit Urteil vom 7.12.1984, ON 76, teilweise Folge. Es bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung im Scheidungsausspruch und änderte es im übrigen dahin ab, daß es das Begehren der Klägerin auf Leistung von Unterhalt (zur Gänze) abwies.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes im Scheidungsausspruch mit Revision.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Revision ist eine dem Berufungsgericht unterlaufene Nichtigkeit (§§ 411 Abs 2 477 ZPO) wahrzunehmen.

Die Klägerin verband in ihrer Klage das Begehren auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten mit dem Begehren auf Zuspruch eines Unterhaltsbetrages für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung. Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr.135, waren gemäß § 224 Abs 1 Z 6 a ZPO Klagen auf Leistung des aus dem Gesetz gebührenden Unterhalts Ferialsachen, es sei denn, daß sie mit Streitigkeiten verbunden waren, die nicht zu den Ferialsachen gehören. Wurde in einer Klage ein Begehren auf Scheidung der Ehe, also eine Nichtferialsache, mit dem Begehren auf Leistung von gesetzlichem Unterhalt verbunden, war die gesamte Rechtssache nicht mehr Ferialsache. Nach der gemäß Art.XVII § 2 Abs 2 der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr.135, im vorliegenden Fall anzuwendenden geänderten Fassung der Bestimmung des § 224 Abs 1 Z 4 ZPO gilt diese Regelung nicht mehr. Daraus ist zu schließen, daß nicht nur die Verbindung einer Ferialsache mit einer Nichtferialsache in einer Klage am Charakter der ersteren als Ferialsache nichts ändert (vgl.Stohanzl, ZPO 3 Anm.zu § 224), sondern daß, wie dies schon früher in anderen Fällen herrschende Lehre und Rechtsprechung war (vgl.EvBl.1975/222; SZ 8/345), durch die Verbindung auch die Nichtferialsache zur Ferialsache wird. Dies war gerade für einen Fall wie den vorliegenden die ausdrückliche Absicht des Justizausschusses, der darlegte, ihm erscheine es sachlich nicht gerechtfertigt, daß Unterhaltssachen keine Ferialsache sein sollen, wenn sie mit anderen Streitigkeiten verbunden sind; der Ausschuß - und ihm folgend das Gesetz - sah daher die Streichung der noch in der Regierungsvorlage vorgesehenen, der damaligen Rechtslage entsprechenden Ausnahmebestimmung vor; er führte noch verdeutlichend aus, daß dadurch Prozesse, in denen neben den im § 224 Abs 1 ZPO angeführten Streitgegenständen auch über andere Ansprüche zu entscheiden ist, zur Gänze Ferialsachen sein sollen (1337 BlgNR XV.GP 11).

Die Frist für die Erhebung der Berufung gegen das Ersturteil endete daher am 11.9.1984, so daß die am 12.9.1984 zur Post gegebene Berufung verspätet war und vom Berufungsgericht zurückgewiesen hätte werden müssen (§§ 471 Z 2, 474 Abs 2 ZPO). Die sachliche Erledigung einer verspäteten Berufung begründet Nichtigkeit (1 Ob 595/84;

ArbSlg.9258;

SZ 41/113; SZ 22/173; Fasching Komm.IV 302), deren Vorliegen im Rahmen einer rechtzeitigen und zulässigen Revision von Amts wegen wahrzunehmen ist, soweit nicht bereits durch Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels Teilrechtskraft eingetreten ist (JBl.1958,212; Fasching a.a.O. IV 110). Das gilt auch für die Nichtbeachtung einer Ferialsache (Fasching, Lehrbuch Rz 619). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung über das von der Klägerin erhobene Unterhaltsbegehren in Rechtskraft erwachsen; insoweit kommt daher auch die amtswegige Wahrnehmung der dem Berufungsgericht unterlaufenen Nichtigkeit nicht in Betracht. Im übrigen, demnach in Ansehung des meritorischen Ausspruchs über das Scheidungsbegehren, ist die dem Berufungsgericht unterlaufene Nichtigkeit aus Anlaß der Revision wahrzunehmen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist insoweit als nichtig aufzuheben und die (verspätete) Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Ersetzung der Sachentscheidung des Berufungsgerichtes durch eine zurückweisende Formalentscheidung erfordert auch unter dem Gesichtspunkt des § 51 ZPO keine Änderung des Ausspruchs über die Verfahrenskosten zweiter Instanz. Da der Kläger im Revisionsverfahren nur einen Formalerfolg erzielte und die Beklagte das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes nicht erkannte, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben (§ 43 Abs 1 ZPO).

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E05564

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00560.85.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19850508_OGH0002_0010OB00560_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten