TE OGH 1985/5/14 10Os30/85

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Veröffentlicht am 14.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den §§ 15, 207 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Josef A und die Berufung der Privatbeteiligten Edeltraud B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 6. Dezember 1984, GZ 6 Vr 121/83-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Josef A und des Verteidigers Dr. Brandt zu Recht erkannt:

Spruch

1.)

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

2.)

Die Schuldberufung wird zurückgewiesen.

3.)

Der (Straf-) Berufung wird teilweise Folge gegeben und - unter Beibehaltung des Ausspruches über die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB - die Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt. Im übrigen wird der (Straf-) Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben.

              4.)              Die Berufung der Edeltraud B wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

              5.)              Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - im zweiten Rechtsgang ergangenen - Urteil wurde Josef A des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 19.Jänner 1983 in St.Martin im Innkreis dadurch, daß er die am 8.Februar 1970 geborene Edeltraud B mit beiden Händen an den Brüsten betastete und versuchte, ihr den Pullover auszuziehen, eine (damals) unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versuchte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer (Z 4) die Ablehnung (S 224 f) seiner Beweisanträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Lehrers Wolfgang C zum Beweise dafür, daß Edeltraud B zur Lügenhaftigkeit neige, sowie des Arztes Dr.Heinz D darüber, daß er sich nach dem Anruf der Mutter der Vorgenannten erbötig gemacht habe, trotz seines dienstfreien Tages (gemeint: noch am 20.Jänner 1983) eine Untersuchung des Mädchens vorzunehmen (S 224).

Denn in Ansehung der Wahrheitsliebe der Edeltraud B ist das Erstgericht ohnehin davon ausgegangen, daß die Genannte selbst zugegeben hat, 'in der Schule nicht immer wahrheitsliebend' gewesen zu sein und 'früher in der Schule oft die Unwahrheit gesagt' zu haben (S 224 f iVm S 216), doch maß es diesem Umstand mit Bezug auf den hier inkriminierten Vorfall im Hinblick auf die Kontinuität ihrer Darstellung im Verfahren sowie auf das Sachverständigengutachten, wonach über ein 'Gelegentlich-die-Unwahrheit-Sagen' hinausgehende Anhaltspunkte für eine ausschweifende Lügensucht, insbesondere im Bereiche sexueller Phantasie bei ihr nicht vorliegen (US 5 f iVm S 226), keine Bedeutung bei. Daß der Zeuge C eine weitergehende Neigung des Mädchens zur 'Lügenhaftigkeit' hätte bestätigen können, ist dem Antrag - zumal im Zusammenhang mit der darauf bezogenen eigenen Darstellung des Angeklagten (S 208) - nicht zu entnehmen. Durch dessen Abweisung sind daher Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden.

Nichts anderes gilt aber auch für die Ablehnung einer Vernehmung des Zeugen Dr. D, durch dessen Aussage der Angeklagte ersichtlich die Glaubwürdigkeit der Edeltraud B und ihrer Mutter hinsichtlich beim inkriminierten Vorfall entstandener Verletzungsspuren und damit in bezug auf den Vorfall selbst in Zweifel zu ziehen hoffe: Ist doch ganz abgesehen davon, daß Edeltraud B ohnehin jedenfalls eingeräumt hat, anstatt am 21. erst am 24.Jänner 1983 den Arzt aufgesucht zu haben (S 220), der darauf bezogenen Fragestellung des Verteidigers an die Genannte (S 221) - gleich wie der Beschwerde (S 263) - unmißverständlich zu entnehmen, daß es sich bei dem unter Beweis gestellten Vorbringen, Dr. D wäre trotz seines dienstfreien Tages schon am 20.Jänner 1983 zur Untersuchung des Mädchens bereit gewesen, um eine reine Prozeßbehauptung zur gegenteiligen Darstellung der Zeugin handelte. Da der Vernehmungsantrag demgemäß augenscheinlich auf die Durchführung eines bloßen Erkundigungsbeweises hinauslief, ist er vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden.

Die zeugenschaftliche Einvernahme des Josef B gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers jedoch (S 222) war entgegen dem Beschwerdevorbringen prozessual zulässig und unbedenklich: In der Aufnahme eines gesetzlich zulässigen Beweises kann keine Verletzung eines die Rechte der Verteidigung sichernden Grundsatzes erblickt werden; die Tatsache, daß ein Zeuge als Zuhörer im Verhandlungssaal anwesend und daher - zumindest zum Teil - über Ergebnisse des früheren Beweisverfahrens informiert war, sollte zwar gewiß bei der Würdigung der Beweiskraft seiner Aussage Berücksichtigung finden, macht seine Einvernahme aber keineswegs unzulässig (vgl Mayerhofer-Rieder 2 , ENr 4 zu § 248 StPO).

Soweit sich der Beschwerdeführer mit der Mängelrüge (Z 5) gegen die Feststellung wendet, er habe sich dem Mädchen von hinten genähert, es über der Kleidung in der Gegend der Brustwarzen erfaßt und 'gleichzeitig' versucht, ihm den Pullover auszuziehen (US 4), wobei er diese Konstatierung als ungenau und in sich widersprüchlich bezeichnet, übersieht er, daß das Wort 'gleichzeitig' ersichtlich auf den Vorfall in seiner Gesamtheit gemünzt ist. Eine Widersprüchlichkeit oder 'Ungenauigkeit' im Sinne eines prozessualen Nichtigkeitsgrundes liegt daher insoweit nicht vor. In diesem Sinne konnte das Schöffengericht aber auch durchaus davon ausgehen, daß Edeltraud B über den inkriminierten Vorfall stets gleichlautende und detaillierte Angaben gemacht hat (US 5), ohne daß es deren Erörterung in allen Einzelheiten bedurfte. Mit dem Begehren des Beschwerdeführers nach den vom Erstgericht abgelehnten (seiner Verantwortung entsprechenden) Feststellungen hinwieder, er habe das Mädchen nur unabsichtlich an der Brust gestreift, dessen Eltern niemals Geld für ein Verschweigen der Angelegenheit angeboten und ihnen gegenüber nie seine Verfehlung zugestanden, wird nicht der behauptete Nichtigkeitsgrund ausgeführt, sondern lediglich nach Art einer Schuldberufung versucht, in unzulässiger Weise aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens andere als die getroffenen Konstatierungen abzuleiten.

Weitere Feststellungen zur Intensität der Berührung der Brust des Mädchens jedoch, wie sie der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang und auch in der Rechtsrüge vermißt (sachlich jeweils Z 9 lit a), waren schon deshalb nicht geboten, weil die Tat des jedenfalls auf weitergehende unzüchtige Handlungen abzielenden Angeklagten (US 7) ohnedies aus einem (im folgenden noch zu erörternden) anderen Grund beim Versuch blieb und zwar ungeachtet dessen, daß aus dem in den Urteilsfeststellungen verwendeten Ausdruck 'erfaßte' (US 4) ohnedies erhellt, daß es sich bei der Tathandlung um keine bloß flüchtige, sondern jedenfalls um eine gezielte Berührung mit intensivem Kontakt gehandelt hat (vgl auch 12 Os 133/79, 12 Os 123/80).

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird zunächst die Annahme bemängelt, daß die dem Beschwerdeführer angelastete Tat ungeachtet der auf eine Vollendung hindeutenden Urteilsfeststellungen beim Versuch geblieben ist. Damit verkennt der Beschwerdeführer indessen, daß trotz des relevierten Gelingens der Unzucht als solcher (als lediglich eines der mehreren Tatbestandsmerkmale des § 207 Abs. 1

erster Fall StGB) sehr wohl der Fall eintreten kann, daß aus anderen Gründen die Vollendung des Deliktes unterbleibt (vgl EvBl 1979/38); von einem Rechtsirrtum kann daher insoweit keine Rede sein. In bezug auf das Mißlingen des Versuchs aber geht aus den Urteilsgründen ohnedies eindeutig hervor, daß das Tatbild nur deshalb nicht gänzlich verwirklicht worden ist, weil sich das mißbrauchte Kind noch nicht in der Phase der Pubertät befand (US 9). Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gleichfalls vermißte Feststellung, daß sich Edeltraud B zur Tatzeit noch nicht in der Pubertät, sondern in einer Phase der Präpubertät befand, wurde nämlich vom Erstgericht ohnedies getroffen (US 5).

Soweit aber der Beschwerdeführer vorbringt, es sei nur ein absolut untauglicher Versuch vorgelegen, weil die Herbeiführung des konkreten Erfolges unter keinen Umständen möglich gewesen wäre, da das Mädchen ja 'keine Brust' gehabt habe, übersieht er, daß die Tauglichkeit eines Versuches (§ 15 Abs. 3 StGB) in einer von den zufälligen Umständen des Einzelfalles abstrahierenden Betrachtung zu prüfen ist: Dabei kommt es auf jenen Eindruck an, den das Täterverhalten auf einen mit Durchschnittswissen ausgestatteten Dritten macht, der den Tatplan und insbesondere die Vorstellungen des Täters über die für dessen Ausführung in bezug auf Tatsubjekt, Tatobjekt und Tathandlung bedeutsamen Umstände kennt; muß er darnach die Tatvollendung geradezu für unmöglich und ausgeschlossen halten, liegt ein untauglicher, sonst aber ein tauglicher Versuch vor (ÖJZ-LSK 1982/151 = EvBl 1983/16 = JBl 1983, 50; erneut EvBl 1979/38 ua). Nach den Urteilsfeststellungen hinterließ Edeltraud B zur Tatzeit den Eindruck eines körperlich bereits voll entwickelten Mädchens (US 11): Einem Betrachter, der den Tatplan des Beschwerdeführers gekannt hätte, wäre daher eine Deliktsvollendung keineswegs als ausgeschlossen, sondern durchaus als möglich erschienen. Der Annahme eines strafbaren, bloß relativ untauglichen (siehe wiederum EvBl 1979/38) Versuches haftet demnach ein Rechtsirrtum nicht an (vgl hiezu die im ersten Rechtszug ergangene, in RZ 1984/56 veröffentlichte E). Mit seinem Einwand jedoch, daß jedenfalls er Edeltraud B nur für ein dickliches Mädchen gehalten habe, setzt sich der Beschwerdeführer über die gegenteiligen Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite hinweg, wonach er gerade noch erkannt hat, daß sich das Mädchen entwicklungsmäßig erst im beginnenden Stadium der Pubertät befand, sondern sehr wohl annahm, daß sie bereits gut entwickelt sei (US 7);

mit dieser Behauptung bringt er daher die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weshalb sich die Nichtigkeitsbeschwerde auch in diesem Punkt als unbegründet erweist. Die 'Schuldberufung' des Angeklagten war zurückzuweisen, da gegen schöffengerichtliche Urteile ein solches Rechtsmittel in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist (§ 283 Abs. 1 StPO). Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 207 Abs. 1 StGB eine unter Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den Mißbrauch der Vertrauensstellung (als Schulwart), als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit und den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.

Der Strafberufung des Angeklagten, mit der er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, in eventu die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe begehrt, kommt teilweise Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe zwar vollständig angeführt, doch vermag sich der Oberste Gerichtshof deren Bewertung nicht anzuschließen. Berücksichtigt man den Umstand, daß der Zeugin Edeltraud B nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens aus der strafbaren Handlung des Angeklagten kein schwerwiegender Nachteil erwachsen ist (vgl § 32 Abs. 3 StGB), dann erweist sich - ausgehend von der Strafdrohung des § 207 Abs. 1 StGB, die sich auf Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren erstreckt - eine einjährige Freiheitsstrafe als überhöht. Angesichts des allerdings nicht zu übersehenden Gewichtes des (einzigen) Erschwerungsumstandes mußte die Strafe jedoch über dem gesetzlichen Mindestmaß ausgemessen werden. So gesehen erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten als tätergerecht und schuldangemessen.

Mit der Verhängung einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe war die Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB und demnach die in der Berufung außerdem begehrte Umwandlung in eine Geldstrafe schon von gesetzeswegen ausgeschlossen.

Unbegründet ist die die Verweisung auf den Zivilrechtsweg bekämpfende Berufung der Privatbeteiligten, die zwar angemeldet (S 231), aber nicht ausgeführt wurde. Denn das Beweisverfahren erbrachte keinen Nachweis dafür, daß der Edeltraud B aus der strafbaren Handlung des Angeklagten ein Schaden von 5.000 S entstanden ist, zumal der Privatbeteiligtenvertreter in der Hauptverhandlung (S 230) weder einen Titel für sein Begehren nannte, noch irgendwelche Anhaltspunkte für die Höhe des begehrten Zuspruches vorbrachte. Demnach erfolgte die auf § 366 Abs. 2 StPO gestützte Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zu Recht, sodaß die gegen das Adhäsionserkenntnis erhobene Berufung erfolglos bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05830

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00030.85.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19850514_OGH0002_0100OS00030_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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