TE OGH 1985/5/22 1Ob573/85

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Veröffentlicht am 22.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard T***, Geschäftsfrau, Peggau, Bachgasse 26, vertreten durch Dr. Hugo Zenkner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei 'ALTA' Antiquitäten und Kunstgegenstände Gesellschaft m.b.H., Graz, Leonhardstraße 67, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen (Streitwert des Revisionsverfahrens 200.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29.Jänner 1985, GZ 6 R 6/85-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 18. Oktober 1984, GZ 7 Cg 229/84-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.318,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 581,70 S Umsatzsteuer und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

am 29. Mai 1980 schlossen Ortwin A, Gerold B und Hildegard C in Form eines Notariatsaktes einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der beklagten Partei. Die Gesellschaft wurde am 10. Juni 1980 im Handelsregister des Landesgerichtes für ZRS Graz zu HRB 1740 eingetragen. Das Stammkapital beträgt 2,000.000 S, hievon entfallen auf Ortwin A und Gerold A eine Stammeinlage von je 760.000 S, auf die Klägerin eine Stammeinlage von 480.000 S. Auf die übernommene Stammeinlage wurden von Ortwin und Gerold A je 190.000 S, von Hildegard C 120.000 S, zusammen 500.000 S, eingezahlt. Unter Punkt 7 des Gesellschaftsvertrages wurde Ortwin A für die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Nach Punkt 8 des Gesellschaftsvertrages werden alle Beschlüsse der Generalversammlung, sofern im Gesetz bzw. im Gesellschaftsvertrag keine andere Regelung zwingend vorgeschrieben ist, mit einfacher Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefaßt; je 1.000 S der übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme. Ortwin A berief als Geschäftsführer der beklagten Partei mit Schreiben vom 7.Juni 1984 eine Generalversammlung für den 26.Juni 1984 in die Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr.Josef D, Graz, ein. Die Tagesordnung lautete: 1. Genehmigung der Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983;

2. Entlastung des Geschäftsführers hinsichtlich der zu 1 genannten Geschäftsjahre; 3. Auflösung der Gesellschaft; 4. Allfälliges. Mit der Einladung zur Generalversammlung wurde auch eine Ablichtung der Jahresabschlüsse übersandt. Die Generalversammlung fand zum vorgesehenen Termin in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Josef D in Anwesenheit des öffentlichen Notars Dr. Leo E statt. Anwesend waren Rechtsanwalt Dr. Josef D als mit beglaubigter Vollmacht ausgewiesener Machthaber des Gesellschafters Ortwin A, Rechtsanwalt Dr. Hugo F als mit Vollmacht vom 25.Juni 1984 ausgewiesener Machthaber der Klägerin und Rechtsanwalt Dr. Eberhard G als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Karl H, 21 S 15/81 des Landesgerichtes für ZRS Graz;

Dr. Karl H ist Treugeber des nicht erschienenen Gesellschafters Gerold A. über den Ablauf der Generalversammlung verfaßte öffentl. Notar Dr. Leo E eine Niederschrift. In der Niederschrift wurde festgehalten, daß dem Gesellschafter Gerold A, da er weder erschienen war noch einen Vertreter entsandt hatte, kein Stimmrecht zustehe. Laut Niederschrift stellte zu Punkt 1 der Tagesordnung (Genehmigung der Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983) Rechtsanwalt Dr. Josef D namens des Gesellschafters Ortwin A den Antrag auf Genehmigung dieser Jahresabschlüsse und stimmte diesem Antrag namens seines Mandanten zu. Der Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. Hugo F, widersprach im Namen der Klägerin als Gesellschafterin diesem Antrag und versagte die beantragte Genehmigung. Zu Punkt 2 der Tagesordnung (Entlastung des Geschäftsführers hinsichtlich der zu 1 genannten Geschäftsjahre) stellte Rechtsanwalt Dr. Josef D namens seines Mandanten Ortwin A den Antrag auf Entlastung des Geschäftsführers Ortwin A und stimmte gleichzeitig diesem Antrag zu. Dr. Hugo F sprach sich namens der Klägerin gegen die beantragte Entlastung des Geschäftsführers aus und stimmte gegen diesen Antrag. Zu Punkt 3 der Tagesordnung (Auflösung der Gesellschaft) stellte Rechtsanwalt Dr. Josef D namens des Gesellschafters Ortwin A den Antrag auf sofortige Auflösung der Gesellschaft und Einleitung der Liquidation, stimmte gleichzeitig diesem Antrag namens seines Mandanten zu, während Dr. Hugo F im Namen der Klägerin sich gegen diesen Antrag aussprach. Zu Punkt 4 der Tagesordnung (Allfälliges) erfolgte keine Wortmeldung. Am Ende der Generalversammlung erklärte Rechtsanwalt Dr. Hugo F, daß dem Gesellschafter Ortwin A gemäß § 39 Abs 4 GmbHG kein Stimmrecht zustehe.

Mit Schreiben vom 5.Juli 1984 übersandte der Geschäftsführer der beklagten Partei der Klägerin eine Ablichtung aus dem Protokollbuch über die Eintragung der in der Generalversammlung am 26.Juni 1984 gefaßten Beschlüsse. Dieses Protokoll hat folgenden Wortlaut:

'Stimmrecht wurde ausgeübt vom Gesellschafter Ortwin A und der Gesellschafterin Hildegard C. Nachstehende Beschlüsse wurden gefaßt:

1.) Gemehmigung der Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983 mit der Stimme des Herrn Ortwin A gegen die Stimme der Frau Hildegard C mit Stimmenmehrheit, somit festgestellt. 2.) Der Antrag auf Entlastung des Geschäftsführers Ortwin A hinsichtlich der Geschäftsjahre 1980, 1981, 1982 und 1983 wurde auf Grund der Stimme der Frau Hildegard C, die gegen die Entlastung stimmt, abgelehnt, zumal Herr Ortwin A hinsichtlich seiner Person kein Stimmrecht hatte. 3.) Die Auflösung der Gesellschaft wurde mit der Stimme des Gesellschafters Ortwin A gegen die Stimme der Frau Hildegard C, somit mit Stimmenmehrheit, beschlossen.' Mit der am 25.Juli 1984 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung der in der Generalversammlung der beklagten Partei am 26.Juni 1984 gefaßten Beschlüsse zu Punkt 1 (Genehmigung der Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983) und Punkt 2 der Tagesordnung (Entlastung des Geschäftsführers hinsichtlich dieser Jahresabschlüsse) gemäß § 41 GmbHG, weil Ortwin A wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Abs 4

GmbHG nicht stimmberechtigt gewesen sei.

Die beklagte Partei anerkannte das Klagebegehren, soweit es auf Nichtigerklärung des Beschlusses zu Punkt 1 der Tagesordnung (Genehmigung der Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983) gerichtet war. Im übrigen beantragte sie Abweisung des Klagebegehrens, weil ein Beschluß auf Entlastung des Geschäftsführers Ortwin A nicht gefaßt worden sei; nach der Eintragung im Protokollbuch sei der entsprechende Antrag abgelehnt worden.

Das Erstgericht erklärte den in der Generalversammlung der beklagten Partei vom 26.Juni 1984 gefaßten Beschluß, wonach die Jahresabschlüsse 1980, 1981, 1982 und 1983 mit Stimmenmehrheit genehmigt werden, für nichtig und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren, den in dieser Generalversammlung gefaßten Beschluß auf Entlastung des Geschäftsführers Ortwin A für die angeführten Geschäftsjahre für nichtig zu erklären, ab. Gemäß § 41 GmbHG könnten nur Beschlüsse der Gesellschaft mittels Klage für nichtig erklärt werden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Ortwin A sei gemäß § 39 Abs 4 GmbHG bei der Beschlußfassung über seine Entlastung von der Ausübung des Stimmrechtes ausgeschlossen gewesen. Ein Beschluß, wie ihn die Klägerin behaupte, sei weder aus dem Protokoll über die Generalversammlung noch aus der Eintragung im Protokollbuch der beklagten Partei zu entnehmen.

Die Nichtigerklärung eines nicht gefaßten Beschlusses sei schon begrifflich ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den das Klagebegehren abweisenden Teil der Entscheidung des Erstrichters erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil dahin ab, daß es auch diesem Teilbegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, jedoch nicht 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Die Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin in der Generalversammlung der beklagten Partei, Ortwin A stehe ein Stimmrecht nicht zu, sei als Widerspruch zu werten, so daß die Klägerin zur Anfechtung der in Rede stehenden Beschlüsse berechtigt sei. Da Ortwin A durch die Beschlußfassung über seine Entlastung von einer Verpflichtung befreit werden sollte, sei ihm gemäß § 39 Abs 4 GmbHG kein Stimmrecht zugestanden. Dessen ungeachtet habe er aber in der Generalversammlung vom 26.Juni 1984 seine Stimme für den von ihm gestellten Antrag auf seine Entlastung abgegeben. Wenn auch das Abstimmungsergebnis im notariellen Protokoll über die Generalversammlung nicht ausdrücklich als Beschluß bezeichnet wurde, könne doch kein Zweifel darüber bestehen, daß über einen Antrag abgestimmt und Beschluß gefaßt worden sei. Die Anfechtung eines Beschlusses der Generalversammlung setze weder seine Beurkundung noch die Eintragung in das Protokollbuch voraus, die lediglich die Klagefrist in Lauf setze. Die anders lautende, der fehlenden Stimmberechtigung des Ortwin A Rechnung tragende Eintragung in das Protokollbuch könne daran nichts ändern. Dieser Eintragung komme keine konstitutive Bedeutung zu; das Abstimmungsergebnis könne durch die Eintragung nicht korrigiert werden. Der Klägerin müsse auch ein Rechtsschutzinteresse an der Klagsführung und Nichtigerklärung des Beschlusses zugestanden werden, da auf andere Weise die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses nicht herbeigeführt werden könne. Erst durch das dem Klagebegehren stattgebende Urteil habe die Klägerin Gewähr, daß auch der Gesellschafter, der an der Generalversammlung nicht teilgenommen habe, sich nicht auf die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses berufe.

Der gegen den die Entscheidung des Erstrichters abändernden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin macht geltend, daß das über die Generalversammlung vom 26.Juni 1984 aufgenommene Protokoll keine Feststellung über das Ergebnis der Abstimmungen enthalte. Es sei in der Generalversammlung auch kein Antrag gestellt worden festzuhalten, welche Beschlüsse gefaßt wurden. Da dem Gesellschafter und Geschäftsführer Ortwin A ein Stimmrecht bei der Beschlußfassung über den Antrag auf seine Entlastung für die Geschäftsjahre 1980 bis 1983 nicht zustand, sei seine Stimme unwirksam und nehme keinen Einfluß auf das Abstimmungsergebnis. Der einzige stimmberechtigte Gesellschafter, die Klägerin, habe gegen die Entlastung gestimmt, so daß mit ihrer Stimme der Beschluß gefaßt worden sei, daß dem Geschäftsführer Ortwin A die Entlastung nicht erteilt werde. Dieser Beschluß sei auch in das Protokollbuch eingetragen worden, so daß ein Widerspruch zwischen dem über den Verlauf der Generalversammlung aufgenommenen Protokoll und der Eintragung in das Protokollbuch nicht bestehe. Darüber hinaus habe Einigkeit darüber bestanden, daß Ortwin A kein Stimmrecht zustehe, da der Erklärung des Vertreters der Klägerin nicht widersprochen worden sei. Das Klagebegehren auf Nichtigerklärung des Beschlusses über die Entlastung des Geschäftsführers sei in Wahrheit auf die Nichtigerklärung eines gar nicht gefaßten Beschlusses gerichtet.

Diesen Ausführungen ist nicht beizutreten. Nach dem Inhalt des vom öffentl. Notar Dr. Leo E verfaßten Protokolls über die Generalversammlung der beklagten Partei vom 26. Juni 1984 stellte Rechtsanwalt Dr. Josef D namens seines Mandanten Ortwin A den Antrag auf Entlastung des Geschäftsführers Ortwin A hinsichtlich der Geschäftsjahre 1980, 1981, 1982 und 1983 und stimmte gleichzeitig diesem Antrag zu.

Rechtsanwalt Dr. Hugo F sprach sich namens der Klägerin gegen die beantragte Entlastung aus und stimmte gegen diesen Antrag. Das Ergebnis der Abstimmung wurde im Protokoll nicht festgehalten. Das GmbH-Gesetz sieht, anders als das Aktiengesetz 1965, einen Vorsitzenden der Generalversammlung, der die Abstimmung zu leiten und das Abstimmungsergebnis festzustellen hat, nicht ausdrücklich vor (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 340; Hueck in FS Molitor 409). Gemäß § 108 Abs 4 AktG führt den Vorsitz in der Hauptversammlung der Vorsitzende des Aufsichtsrates oder sein Stellvertreter; mangels dieser hat der Notar die Versammlung zur Wahl eines Vorsitzenden zu leiten. Gemäß § 111 Abs 1 AktG bedarf jeder Beschluß der Hauptversammlung zu seiner Gültigkeit der Beurkundung in einer von einem Notar aufgenommenen Niederschrift; die Niederschrift hat das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung anzugeben (§ 111 Abs 2 AktG). Die beurkundete Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung bildet für diese eine Gültigkeitsvoraussetzung und hat konstitutive Wirkung. Der Beschluß der Hauptversammlung erlangt mit seinem festgestellten Inhalt auch dann vorläufige, und, wenn eine Anfechtung unterbleibt, endgültige Geltung, wenn die Feststellung dem tatsächlichen Abstimmungsergebnis (etwa zufolge Vernachlässigung von Stimmen, die entgegen einem Stimmverbot abgegeben wurden) nicht entspricht. Anders als im Wege der Anfechtung kann ein Beschluß mit dem Inhalt der Beurkundung nicht beseitigt werden (Schiemer-Losert-Stadler, Handkommentar zum AktG, § 111 Punkt 3.1;

vgl. Eckhardt in Geßler-Hefermehl-Eckardt-Kropff, AktG Rz 27 und 29 zu § 130; Barz in Großkomm. AktG 3 § 130 Anm. 7). Eine derartige verbindliche Feststellung des Beschlußinhalts sieht das GmbH-Gesetz nicht vor.

Die unterbliebene Feststellung hat demnach auf die Frage, ob ein Gesellschafterbeschluß gefaßt wurde und welchen Inhalt er hat, keinen Einfluß.

Gemäß § 39 Abs 4 GmbHG hat derjenige, der durch die Beschlußfassung von einer Verpflichtung befreit werden soll, weder im eigenen noch im fremden Namen ein Stimmrecht. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer Ortwin A stand demnach bei der Abstimmung über Punkt 2 der Tagesordnung der Generalversammlung (Entlastung für die Geschäftsjahre 1980 bis 1983) kein Stimmrecht zu (SZ 37/24; SZ 25/200; Reich-Rohrwig aaO 346). Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein Beschluß, der unter Teilnahme eines nicht stimmberechtigten Gesellschafters an der Abstimmung zustandegekommen ist, keinesfalls absolut nichtig, sondern bloß gemäß § 41 GmbHG anfechtbar (JBl 1977, 267; SZ 37/24; SZ 25/33; Reich-Rohrwig aaO 379, 393). Zum Recht in der Bundesrepublik Deutschland vertritt Karsten Schmidt in Scholz, Komm. 6

Rz 151 zu § 47 dGmbHG, die Auffassung, daß ein Stimmverbot zur Ungültigkeit der Stimmabgabe, nicht aber ohne weiteres auch zur Nichtigkeit des auf diese Weise zustandegekommenen Beschlusses führe. Ein unter Mitzählung verbotswidrig abgegebener Stimmen und auf Grund dieser Stimmen gefaßter Beschluß sei ein Scheinbeschluß, dessen Unwirksamkeit in jeder Weise, insbesondere durch Feststellungsklage, geltend gemacht werden könne. Sei eine förmliche Beschlußfeststellung erfolgt und messe man dieser konstitutive Bedeutung bei, dann könne der Verstoß nur durch kassatorische Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Dieser Auffassung folgte im wesentlichen der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 51, 209, 214, wenn er aussprach, daß es an einem Gesellschafterbeschluß fehle, wenn ein Gesellschafter wegen Interessenkollision vom Stimmrecht ausgeschlossen, die für ihn abgegebene Stimme demnach ungültig ist und durch ihren Wegfall die scheinbare Mehrheit zur Minderheit werde. Die Rechtslage sei dann nicht durch Anfechtungsklage zu klären, da sie einen Beschluß im Sinne des § 47 dGmbHG voraussetze, sondern könne auf andere Weise, vor allem durch Feststellungsklage nach § 256 dZPO, geltend gemacht werden; dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn die Gesellschafterversammlung durch einen Vorsitzenden geleitet wurde und dieser die Annahme des Antrages zu Protokoll festgestellt habe. Bei satzungsändernden Beschlüssen, die der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedürfen, wird die urkundliche Feststellung des Beschlusses als maßgeblich angesehen; wer die Unrichtigkeit einer solchen Feststellung geltend machen will, müsse den Beschluß anfechten (BGHZ 14, 25, 35). Schilling in Hachenburg, Großkomm. 7

Rz 81 zu § 47 und Rz 15 und 16 zu § 48, lehnt diese Auffassung vor allem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ab; nach ihm macht der Verstoß gegen ein Stimmrechtsverbot die Stimme nichtig, die Nichtigkeit müsse im Wege der Anfechtungsklage geltend gemacht werden.

Der dargestellten deutschen Lehre und Praxis, wonach ungültige Stimmen, insbesondere solche, die entgegen einem Stimmverbot abgegeben wurden, bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses außer Betracht zu bleiben haben und ein mit diesen Stimmen gefaßter Beschluß ein Scheinbeschluß sei, ist für den österreichischen Rechtsbereich nicht zu folgen. Das Vorliegen eines Stimmrechtsverbotes kann vielfach zweifelhaft sein. Hat ein Gesellschafter, der vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, bei der Abstimmung mitgestimmt, so muß die Frage, ob ein gültiger Gesellschafterbeschluß vorliegt und welchen Inhalt er hat, rasch geklärt werden. Dem dient der Grundsatz, daß fehlerhafte Beschlüsse wirksam sind, wenn sie nicht binnen kurzer Frist (vgl. § 41 Abs 4 GmbHG) angefochten werden (vgl. Reischauer, Das Schicksal fehlerhafter Generalversammlungsbeschlüsse einer Genossenschaft, JBl 1976, 7, 9). Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse mittels Klage nach § 41 GmbHG ist nur dort entbehrlich, wo ein Beschluß mit solch gravierenden Mängeln behaftet ist, daß von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung gesprochen werden muß (SZ 50/51; Reich-Rohrwig aaO 395; Kastner, Grundriß 4 315). In der Lehre wird auch die Rechtsprechung vertreten, daß Gesellschafterbeschlüsse, die gegen elementare Grundsätze der Rechtsordnung verstoßen, (absolut) nichtig sind und die Unwirksamkeit solcher Beschlüsse auch nach Verstreichen der Frist des § 41 Abs 4 GmbHG geltend gemacht werden kann (vgl. Schönherr, Die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen einer Gesellschaft mbH, JBl 1960, 1 ff; Reich-Rohrwig aaO 392; Kastner, aaO 314). Die Teilnahme eines vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafters an der Abstimmung bewirkt keinen Mangel dieser Art. Ein derartiger Beschluß der Generalversammlung ist im Sinne des § 41 Abs 1 Z 1 GmbHG als nicht nach dem Gesetze zustandegekommen anzusehen und demnach Gegenstand der Anfechtung mit Nichtigkeitsklage im Sinne des § 41 GmbHG. Gegenstand der Nichtigkeitsklage ist jener Beschluß, wie er sich unter Berücksichtigung der Stimme des vom Stimmrecht (angeblich) Ausgeschlossenen ergibt. Jede abgegebene Stimme ist daher zunächst als gültig zu behandeln, es ist nicht vorweg zu prüfen, welches Abstimmungsergebnis die Nichtberücksichtigung der Stimme des vom Stimmrecht Ausgeschlossenen zeitigt.

Erst das stattgebende rechtskräftige Urteil bewirkt die Unwirksamkeit eines solchen Generalversammlungsbeschlusses (vgl. GesRZ 1984, 217; GesRZ 1983, 222;

GesRZ 1981, 184 u.a.).

Die Anfechtung eines Beschlusses wird als entbehrlich erachtet, wenn die an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter darüber einig sind, daß infolge der Nichtigkeit ein Beschluß nicht zustandegekommen ist (Schilling in Hachenburg aaO Rz 81 zu § 47). Im vorliegenden Fall kann von einer Einigkeit der an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter nicht gesprochen werden. Daß Ortwin A an der Abstimmung teilnahm, kann nur dahin verstanden werden, daß er jedenfalls im Zeitpunkt der Abstimmung der Ansicht war, sein Stimmrecht ausüben zu dürfen, so daß Einigkeit darüber, die Stimme des Ortwin A sei ungültig, nicht bestand; andernfalls hätte es auch einer ausdrücklichen Erklärung des Vertreters der Klägerin, Ortwin A sei vom Stimmrecht ausgeschlossen, nicht bedurft. Der späteste Zeitpunkt, das Nichtzustandekommen des Beschlusses zu bestätigen, wäre der Schluß der Generalversammlung gewesen, also in Erwiderung auf den Widerspruch. Die Eintragung in das Protokollbuch beseitigte die Unklarheit nicht.

Der Eintragung des Beschlusses in das gemäß § 40 GmbHG vom Geschäftsführer zu führende Protokollbuch kommt auch nicht die Bedeutung zu, daß als beschlossen das zu gelten hätte, was in das Protokollbuch eingetragen wird. Generalversammlungsbeschlüsse sind auch ohne Eintragung in das Protokollbuch gültig (EvBl 1958/322), ihm kommt nur die Beweiskraft einer Privaturkunde zu (Gellis-Feil, Komm. 2 272, 273). Ein Beschluß, wie er vom Geschäftsführer Ortwin A in das Protokollbuch eingetragen wurde, wurde in der Generalversammlung nicht gefaßt. Die Klägerin hat auch entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin rechtzeitig Widerspruch gegen den gefaßten Beschluß im Sinne des § 41 Abs 2 GmbHG erhoben. Für den Widerspruch genügt jede Erklärung, aus der sich die Rechtsverwahrung der Person ergibt, die den Beschluß in der Folge bekämpft. Dieses Verhalten muß der klagende Gesellschafter nach der Beschlußfassung nur vor Schluß der Generalversammlung gesetzt haben (HS 7495; SZ 41/134; SZ 39/36; SZ 7/180; SZ 6/334; Reich-Rohrwig aaO 381; Gellis-Feil aaO 282). Die Erklärung der Klägerin, dem Gesellschafter Ortwin A stehe kein Stimmrecht zu, ist dahin zu verstehen, daß sie sich gegen den Beschluß verwahrt, der unter Mitwirkung des vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafters Ortwin A zustandegekommen ist. Demnach steht auch § 41 Abs 2 GmbHG der Stattgebung des erhobenen Klagebegehrens nicht entgegen. Die Kostenentscheidung gründet sich aufhdie §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05724

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00573.85.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19850522_OGH0002_0010OB00573_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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