TE OGH 1985/6/12 3Ob29/85

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Veröffentlicht am 12.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A IN B, 3390 Melk/Donau, Abt-Stadler-Gasse 18, vertreten durch Dr.Hans-Jörg Schachner, Rechtsanwalt in Melk, wider die verpflichteten Parteien 1) Franz C, Tischlermeister, 3382 Loosdorf, Albrechtsbergerstraße 16, und 2) Dorith C, Angestellte, ebendort, beide vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung gemäß § 156 Abs 2 EO, infolge Rekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 12.Oktober 1984, GZ R 562/84-52, womit der Rekurs der verpflichteten Parteien gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Melk vom 7.September 1984, GZ E 4/83-47, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz aufgetragen, über den Rekurs der verpflichteten Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Die Kosten des Rekurses an die dritte Instanz sind wie weitere Kosten des Rekursverfahrens in zweiter Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Am 4.7.1984 wurde die im Eigentum der beiden Verpflichteten stehende Liegenschaft EZ 131 KG Albrechtsberg versteigert und der betreibenden Partei als Ersteherin zugeschlagen. Gemäß den Versteigerungsbedingungen hatte der Ersteher die auf der versteigerten Liegenschaft unter D 10 und 11 einverleibten Dienstbarkeiten des Wohnungsrechtes zugunsten der Theresia E, des Johann C und der Maria C nur insoweit zu übernehmen, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung fänden.

Nach Erfüllung der Versteigerungsbedingungen beantragte die Ersteherin die übergabe der Liegenschaft und Durchführung der zwangsweisen Räumung, weil sich die verpflichteten Parteien weigerten, die Liegenschaft freiwillig zu räumen. Auf die Wohnungsberechtigten wies die betreibende Partei in ihrem Antrag nicht hin.

Das Erstgericht bewilligte zugunsten der Ersteherin die zwangsweise Räumung der versteigerten Liegenschaft 'durch Entfernen der Verpflichteten Franz und Doris C, deren Familienmitgliedern und deren beweglichen Sachen' und die übergabe an die Ersteher. Gegen diesen Beschluß erhoben die verpflichteten Parteien einen Rekurs, in dem sie vor allem geltend machten, gemäß § 156 EO dürfe nur gegen sie selbst, nicht aber gegen nicht in ihrem Haushalt lebende Dritte eine zwangsweise Räumung durchgeführt werden. Gemäß ihrer Anfechtungserklärung bekämpften sie zwar den gesamten Beschluß des Erstgerichtes, gemäß ihrem Rekursantrag begehrten sie aber lediglich, es möge der Beschluß des Erstgerichtes dahin abgeändert werden, daß der Antrag der betreibenden Partei auf Räumung durch Entfernen der 'Familienmitglieder' der verpflichteten Parteien abgewiesen werde.

Das Gericht zweiter Instanz wies diesen Rekurs als unzulässig zurück. Es vertrat die Auffassung, daß die beiden Verpflichteten und deren im gemeinsamen Haushalt lebende Familienangehörige (Kinder, soweit solche vorhanden seien), die Liegenschaft jedenfalls zu räumen hätten. Ob dies auch hinsichtlich der Theresia E, des Johann C und der Maria C der Fall sei, lasse sich derzeit nicht mit Sicherheit beurteilen, weil nicht feststehe, ob ihre Wohnrechte übernommen werden müßten oder nicht. Diese dienstbarkeitsberechtigten Personen könnten daher vorerst von der angeordneten Räumung nicht umfaßt werden. Das Erstgericht habe aber auch gar nicht beabsichtigt, deren Rechte zu berühren, sondern der Räumungsbeschluß beziehe sich offensichtlich nur auf die beiden Verpflichteten und deren im gemeinsamen Haushalt lebende, von den Rechten der Verpflichteten abhängige Familienangehörige. Nur den genannten dritten Personen stehe ein Rekursrecht zu, wenn sich der Beschluß des Erstgerichtes überhaupt auf sie erstrecken sollte. Die beiden Verpflichteten seien hingegen durch die Entscheidung des Erstgerichtes nicht beschwert.

Infolge Ergänzungsauftrages des Obersten Gerichtshofes sprach das Gericht zweiter Instanz aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Rekurs der verpflichteten Parteien mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß dem Rekurs der verpflichteten Parteien gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge gegeben werde und der Antrag der betreibenden Partei auf Räumung der versteigerten Liegenschaft durch Entfernen der Familienmitglieder der verpflichteten Parteien abgewiesen werde.

Die verpflichteten Parteien vertreten die Auffassung, sie seien als verpflichtete Parteien auf jeden Fall rekurslegitimiert. Die Entscheidung der zweiten Instanz vernachlässige auch den Umstand, daß die verpflichteten Parteien in ihrem zurückgewiesenen Rekurs den Beschluß des Erstgerichtes in seiner Gesamtheit, zB wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs 1 EO, bekämpft hätten, so daß auf jeden Fall eine Beschwer der verpflichteten Parteien gegeben sei. Die Annahme des Gerichtes zweiter Instanz, der Beschluß des Erstgerichtes beziehe sich nicht auf die erwähnten Wohnungsberechtigten, sei aktenwidrig und mit dem Wortlaut der Entscheidung des Erstgerichtes nicht vereinbar. Dies ergebe sich u.a. auch daraus, daß das Erstgericht die Exekution gemäß § 42 Abs 1 Z 7 EO nur hinsichtlich der Familienangehörigen, nicht aber hinsichtlich der verpflichteten Parteien aufgeschoben habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist begründet.

Zutreffend geht zwar das Gericht zweiter Instanz davon aus, daß im Rahmen eines Verfahrens zur Erzwingung der übergabe einer zwangsversteigerten Liegenschaft und Räumung derselben durch die verpflichteten Parteien gemäß § 156 Abs 2 EO nur die Entfernung der verpflichteten Partei selbst sowie derjenigen Personen durchgesetzt werden kann, die als Familienangehörige, Angestellte, Besucher und dergl. mit der verpflichteten Partei eine wirtschaftliche Einheit bilden und die von der verpflichteten Partei benützten Räume mitbenützen, ohne daß ihnen dies auf Grund eigenen Rechtes zusteht (Heller-Berger-Stix, 1255, Entscheidungen wie MietSlg 33.745, SZ 53/148 u.a.). Die Dienstbarkeitsberechtigten Theresia E, Johann C und Maria C werden daher von der Durchführung einer Räumung gemäß § 156 Abs 2 EO nicht erfaßt, gleichgültig, ob es sich dabei um Familienangehörige der verpflichteten Parteien handelt oder nicht, da sie die Liegenschaft kraft eigenen Rechtes benützen. Daraus folgt aber entgegen der Beurteilung durch die zweite Instanz nicht, daß den verpflichteten Parteien im vorliegenden Fall keine Beschwer zukommt. Der von den verpflichteten Parteien bekämpfte Beschluß des Erstgerichtes verstieß nämlich einerseits gegen den Räumungsantrag, in welchem bezüglich der Familienangehörigen kein Antrag enthalten war, und ist andererseits so unklar gefaßt, daß ihm nicht entnommen werden kann, welche Familienangehörigen mit dem Zusatze im Exekutionsbewilligungsbeschluß gemeint seien, alle oder nur solche, welche sich nicht kraft eigenen Rechtes auf der Liegenschaft aufhalten. Je nach der Bedeutung des vom Erstgericht ohne Antrag der betreibenden Partei in den Bewilligungsbeschluß aufgenommenen Zusatzes wird aber damit den verpflichteten Parteien die Möglichkeit genommen, die zwangsweise Räumung durch vorherige Erfüllung ihrer Räumungspflicht abzuwenden. Damit sie nämlich schon vor dem Räumungstermin mit Erfolg geltend machen können, sie hätten voll erfüllt und könnten die Einstellung des Räumungsverfahrens beantragen, müßten sie auch für die Entfernung derjenigen Personen gesorgt haben, die sich nicht kraft eigenen Rechtes auf der Liegenschaft aufhielten (vgl.dazu etwa MietSlg 33.180). Wenn aber nicht feststeht, bezüglich welcher dritter Personen diese Räumungsverpflichtung besteht, weil der bezügliche Beschluß diesbezüglich unklar ist, dann muß den verpflichteten Parteien ein Rekursrecht zugebilligt werden.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über den Rekurs derverpflichteten Parteien aufzutragen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78 EO, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E05877

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00029.85.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19850612_OGH0002_0030OB00029_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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