TE OGH 1985/6/18 2Ob588/85

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Veröffentlicht am 18.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Edwin A, Rechtsanwalt, Spiegelgasse 19, 1010 Wien als Masseverwalter im Konkurs der B C D E, F G H I, J mbH (S 17/83 des Handelsgerichtes Wien), wider die beklagte Partei K, Automatenindustrie und Handelsgesellschaft mbH, Wienerstraße 158, 2352 Gumpoldskirchen, vertreten durch Dr. Peter H. Prettenhofer, Dr. Peter Jandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 500.000 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. März 1985, GZ 3 R 261/84-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4.September 1984, GZ 15 Cg 131/83-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.443,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger brachte vor, die Beklagte habe bei der Gemeinschuldnerin 10.000 Stück Netzteile zum Stückpreis von S 498,--

bestellt. Mangels Abrufes durch die Beklagte sei es nur zur Auslieferung von 1.236 Stück gekommen, so daß die Vereinbarung noch hinsichtlich 8.764 Netzteile zu einer Gesamtsumme von S 4,364.472,-- offen sei. Hievon werde mit der Klage ein Betrag von S 500.000,-

geltend gemacht.

Die Beklagte wendete ein, kurz nach der schriftlichen Bestellung sei mündlich vereinbart worden, daß nur das bei der Gemeinschuldnerin vorhandene Material verarbeitet werden solle. Im Zuge weiterer Gespräche sei vereinbart worden, daß die Beklagte ein geändertes Abnahmeanbot erstelle. Die Beklagte habe ein derartiges Anbot unterbreitet, die Gemeinschuldnerin habe aber kein besonderes Interesse mehr am Zustandekommen eines neuen Vertrages gezeigt. Als der Beklagten die Insolvenz der Gemeinschuldnerin bekannt geworden sei, sei auch ihr Interesse an der Aufrechterhaltung weiterer Geschäftsbeziehungen erloschen.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es führte aus, der Beklagten sei der ihr obliegende Beweis einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung nicht gelungen, weshalb der Klagsanspruch zu Recht bestehe.

Die Beklagte bekämpfte das Ersturteil mit Berufung, in der sie die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung geltend machte. Mit beiden Berufungsgründen versuchte sie darzutun, daß der Vertrag einvernehmlich aufgelöst worden ist.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es gelangte zu dem Ergebnis, ein Verfahrensmangel liege nicht vor, die Beklagte habe keine unrichtige Beweiswürdigung aufgezeigt. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter Berufung auf Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 1930, vertritt die Beklagte die Ansicht, es schade nicht, daß sie die unrichtige rechtliche Beurteilung nicht bereits im Berufungsverfahren geltend gemacht habe. Die rechtliche Beurteilung sei unrichtig, weil es sich um keinen Kauf-, sondern um einen Werkvertrag gehandelt habe, weshalb der Unternehmer keinen Anspruch auf Vertragserfüllung habe. Auf diese Rechtsrüge ist nicht einzugehen, weil der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht geltend gemacht worden war (EvBl 1951/268; SZ 41/68; SZ 50/152;

EFSlg. 44.123 uva). Die von der Revisionswerberin zitierte Lehrmeinung Faschings bietet keinen Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzugehen. Der Meinung Faschings, die Rechtsprechung sei durch das Gesetz nicht gedeckt und beruhe auf 'reinen Gerichtsentlastungsgründen', ist folgendes entgegenzuhalten:

Der Revisionsgrund des § 503 Abs1 Z 4 ZPO ist gegeben, wenn das Urteil des Berufungsgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht. Wie indes Fasching selbst einräumt (Kommentar IV 40 f), ist eine materiellrechtliche überprüfung der Entscheidung des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht nur möglich, wenn der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dem Gesetz gemäß geltend gemacht wurde. Da die Beklagte die rechtliche Beurteilung in der Berufung nicht bekämpfte, hat sich das Berufungsgericht zutreffend mit der rechtlichen Beurteilung nicht befaßt. Aus diesem Grund beruht das Urteil des Berufungsgerichtes - unabhängig davon, ob die Rechtsansicht des Erstgerichtes richtig ist - nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 503 Abs1 Z 4 ZPO.

Zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens meint die Beklagte, sie mache einen Mangel des Verfahrens erster Instanz geltend, was zulässig sei (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 1909). Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht seiner Anleitungspflicht gemäß § 182 ZPO entsprechen und die Parteien zu entsprechenden Behauptungen und Beweisanboten über das Vorliegen eines Werkvertrages anleiten müssen.

Auch auf die Mängelrüge ist nicht einzugehen. In der Berufung hatte die Beklagte diesen angeblichen Mangel des Verfahrens erster Instanz nämlich nicht gerügt, weshalb sie ihn im Sinne der ständigen Rechtsprechung in der Revision nicht mehr geltend machen kann (SZ 23/352; ÖBl.1974, 57, EFSlg.41.771 uva). Die Meinung Faschings, diese Rechtsprechung sei weder aus dem Gesetz noch aus dem Sinn des Revisionsverfahrens ableitbar und daher auch nicht rechtlich, sondern höchstens mit Zweckmäßigkeits- oder Gerichtsentlastungserwägungen begründbar, kann nicht geteilt werden. Wurde ein Verfahrensmangel in der Berufung nicht gerügt, dann dürfte ihn das Berufungsgericht - anders als bei einer Nichtigkeit - nicht wahrnehmen. Das Berufungsverfahren kann somit nicht wegen eines derartigen, dem Erstgericht vermeintlich unterlaufenen Verfahrensmangels mangelhaft sein.

Daß sich das Berufungsgericht mit einem nicht gerügten Verfahrensmangel ebenso wie mit einer nicht geltend gemachten unrichtigen rechtlichen Beurteilung - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nicht auseinanderzusetzen hat, entspricht durchaus dem Sinn des Revisionsverfahrens. Dieser besteht darin, fehlerhafte Entscheidungen des Berufungsgerichtes zu korrigieren, nicht aber darin (dies auch nicht nebenbei), den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihnen im Berufungsverfahren unterlaufene Versäumnisse nachzuholen (vgl. hiezu auch Fasching, Kommentar IV 242, wonach Aufgabe der Revision primär die Prüfung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05948

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00588.85.0618.000

Dokumentnummer

JJT_19850618_OGH0002_0020OB00588_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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