TE OGH 1985/6/25 4Ob70/85

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Veröffentlicht am 25.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Resch sowie die Beisitzer Dr.Geppert und Dr.Mayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang A, Angestellter, 8053 Graz, Brauhausstraße 83, vertreten durch Dr.Heimo Hofstätter, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Hans B, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 9 als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Walter C Actual Kunststoff Gesellschaft mbH & Co KG in Haid, Actualstraße 31, wegen Feststellung (Streitwert 242.375,63 S sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 6.November 1984, GZ 2 Cg 23/84-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 19.Jänner 1984, GZ 3 Cr 44/83-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 36.321,45 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 3.302,05 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit der Behauptung, er sei seit 1.Februar 1980 Angestellter der nun vom beklagten Masseverwalter repräsentierten Firma 'Walter C Actual KunststoffGesmbH & Co KG' in Haid gewesen und am 29.Oktober 1982 unberechtigt entlassen worden, von dieser den Betrag von 242.375,63 S brutto sA als Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Nachdem am 16.Dezember 1982 über das Vermögen der beklagten Partei zu S 74, 75/82 des Landesgerichtes Linz der Konkurs eröffnet worden war, modifizierte der Kläger sein Begehren dahin, es werde festgestellt, daß seine Forderung mit 50.000 S in der ersten Klasse des Konkurses und mit dem Rest von 192.375,63 S in der dritten Klasse zu Recht bestehe.

Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren im Berufungsverfahren der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch dessen Abweisung und wendete ein, der KLäger sei nicht bei der Gemeinschuldnerin, sondern bei der Actual Fenster GesellschaftmbH in Graz, Kernstockgasse 20, angestellt gewesen. Die Entlassung sei außerdem zu Recht erfolgt, weil der Kläger versucht habe, Angestellte der Gemeinschuldnerin abzuwerben, wodurch er vertrauensunwürdig geworden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhaltes die Auffassung, im Zeitpunkt der Entlassung sei Dienstgeber des Klägers die GesmbH gewesen, die ihn auch entlassen habe.

Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Klagebegehren statt. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 3 Z 1 ArbGG von neuem und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Auf Grund von Vorbesprechungen kam es zu einer im Schreiben vom 10. Dezember 1979 festgehaltenen Vereinbarung zwischen dem Kläger und einer Firma 'Kunststofftechnik GesmbH & Co KG Ing. Walter C' in Haid Actualstraße 31, wonach der Kläger bei dieser Firma als Angestellter tätig werden sollte. In diesem Schreiben - abgefaßt von der künftigen Dienstgeberin - heißt es:

'Wir bestätigen Ihnen, daß Sie ..... ab 1.2.1980 bei uns arbeiten können .....'; als künftige Tätigkeit des Klägers wurde genannt:

'Einschulung in Haid (je nach Bedarf) als Kontaktperson zwischen Haid und den gemeinsamen Außenstellen von Haid; besonders intensive Betreuung der Außenstelle Graz, welche nach Abschluß dieser Einschulung als Geschäftsstellenleiter übernommen werden soll; nach übernahme der Geschäftsstelle die personelle und organisatorische Leitung dieser Firma'. Dafür wurde dem Kläger zunächst ein Gehalt von 21.000 S brutto 14 mal jährlich, eine kostenlose Unterkunft, Diäten nach dem Kollektivvertrag und ein Kilometergeld von 2,40 S pro Kilometer zugesagt; 'nach übernahme der Außenstelle Graz' sollte er 22.000 S brutto 14 mal jährlich zuzüglich Spesen und Kilometergeld und überdies eine Umsatzbeteiligung erhalten und zwar von 0,5 % des Umsatzes bis zur Umsatzhöhe von 12 Mill. jährlich, 1 % für den Umsatz von 12 bis 18 Mill. und 1,5 % für einen Umsatz über 18 Mill. Vereinbart wurde weiters eine einmonatige Probezeit und für die Zeit danach eine Kündigungsfrist.

Der Kläger nahm vereinbarungsgemäß seine Tätigkeit bei der genannten Firma am 1. Februar 1980 in Haid auf. Seine Aufgabe war die eines Koordinators, wobei er die Verbindung zwischen den Tochtergesellschaften und der Muttergesellschaft in Haid herzustellen hatte. Neben der Dienstgeberin des Klägers (im folgenden kurz Gemeinschuldnerin genannt) gab es eine Reihe von selbständigen Tochtergesellschaften, deren Anteile die Gemeinschuldnerin ganz oder zum Teil inne hatte, nämlich die 'Actual Fenster' GesellschaftenmbH in Rosenheim, in Tulln, in Arnoldstein, in Fischamend und die Actual Fenster GesellschaftmbH in Graz (letztere im folgenden kurz: GesmbH). Als der Kläger am 1.Februar 1980 in Haid seine Tätigkeit begann, war die letztgenannte GesmbH in Graz bereits gegründet. Der Gesellschaftsvertrag war am 17.September 1979 abgeschlossen und am 10.Oktober 1979 im Handelsregister eingetragen worden. Geschäftsführer waren Mag. Alois D und Heribert E. Ing. Walter C trat erst am 26.September 1980 an deren Stelle. Bereits ab 1. Juli 1980 hatte der Kläger wie vereinbart die Leitung des Betriebes dieser Gesellschaft in Graz übernommen. Am 3. Juli 1980 unterschrieb Anita F, die dafür zuständige Angestellte im Grazer Betrieb, die Anmeldung des Klägers als Angestellter der GesmbH bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse. Etwa gleichzeitig, nämlich am 9. Juli 1980

erfolgte die Abmeldung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers zur Gemeinschuldnerin bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Der Kläger erhielt auch zusammen mit seiner Gehaltszahlung für Juli einen Betrag von 10.120,64 S von der Gemeinschuldnerin, welche diese als Urlaubsabfindung und aliquoten Anteil an Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration bestimmt hatte. Dem Kläger kam aber die Zweckwidmung dieser Zahlung nie zum Bewußtsein. Er erhielt Kenntnis von der Zahlung nur durch einen Bankauszug, aus dem der Gesamtbetrag zu ersehen war. Eine Abrechnung oder Aufschlüsselung dieses Betrages bekam er nicht. Dem Kläger kam nie zum Bewußtsein, daß sein Dienstverhältnis zu der Gemeinschuldnerin gelöst werden sollte. Es kann nicht festgestellt werden, daß in dieser Richtung etwas besprochen wurde. Zwar bezeichnete der Kläger während seiner folgenden Diensttätigkeit in Graz in mehreren Erklärungen gegenüber verschiedenen Stellen die in Graz ansässige GesmbH als seine Dienstgeberin, so im Antrag auf Berücksichtigung des Kfz-Pauschales und gegenüber der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse. Daß er von seiner Anmeldung nichts gewußt haben sollte, ist nicht glaubhaft. Er wußte auch um den genauen Firmenwortlaut der GesmbH Bescheid, schloß in ihrem Namen Dienstverträge ab und richtete in ihrem Namen Briefe an die Gemeinschuldnerin. Er wußte ferner, daß er seine Gehaltszahlungen von der Grazer Firma bekam und daß diese firmenmäßig etwas anderes als die Gemeinschuldnerin war, zumal er selbst die Gehaltszahlungen und andere Zahlungen der Grazer Firma veranlaßt hatte. Auch auf seinem Lohnstreifen schien ab Juli 1980 die Grazer Firma als seine Dienstgeberin auf. Für den Kläger war all das aber kein Grund für die Annahme, daß die Gemeinschuldnerin künftig ihrer Dienstgeberpflichten ledig sein solle. Die Tätigkeit des Klägers in Graz bestand darin, den Betrieb in Zusammenarbeit mit der Gemeinschuldnerin aufzubauen. Er hatte Vertreter und Arbeiter aufzunehmen und einen Kundenstock zu schaffen. Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wie - ab 1. August 1980 - auch jener der GesmbH war Ing. Walter C. Dieser war der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, an dessen Weisungen der Kläger sich ebenso gebunden fühlte wie an jene des Prokuristen D. Zuletzt bezog der Kläger ein monatliches Gehalt von 21.516 S brutto 14 mal jährlich, welches sich aus einem Fixum von 17.025 S, einem überstundenpauschale von 2.994 S und einem überstundenzuschlag von 1.497 S zusammensetzte. Daneben bezog der Kläger noch Provisionen vom Umsatz der GesmbH, deren durchschnittliche Höhe zuletzt 14.656,91 S betrug.

Das Berufungsgericht traf ferner Feststellungen über die Vorgänge, die letzten Endes am 29.Oktober 1982 zur Entlassung des Klägers unter dem Vorwurf führten, er habe versucht, Angestellte und Mitarbeiter der GesmbH in Graz abzuwerben und in einer eigenen noch zu gründenden Firma anzustellen.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, eine Vereinbarung mit dem Kläger über die Auflösung seines Dienstverhältnisses zur Gemeinschuldnerin sei nicht festzustellen gewesen. Der beklagten Partei sei der im § 1406 Abs 2 ABGB geforderte Beweis für eine befreiende Schuldübernahme durch die GesmbH nicht gelungen. Nach dem festgestellten Sachverhalt sei aber vom Kläger auch kein Entlassungsgrund gesetzt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des beklagten Masseverwalters aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das Ersturteil wieder herzustellen oder das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Im Verfahren ist nicht strittig, daß die Vereinbarung vom 10. Dezember 1979 mit der späteren Gemeinschuldnerin abgeschlossen wurde, obgleich der Firmenname auf diesem Schreiben nicht voll mit dem der Gemeinschuldnerin übereinstimmt. Im Revisionsverfahren ist auch unbestritten, daß der Kläger keinen Entlassungsgrund gesetzt hat.

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens stellen zum größten Teil den Versuch dar, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes zu bekämpfen. Dieses konnte nach ständiger Rechtsprechung (SZ 27/86 uva) auch ohne unmittelbare Beweisaufnahme von der Beweiswürdigung des Erstgerichtes abgehen, weil keine der Parteien gegen die Verlesung der Beweisergebnisse Einsprache erhob.

Die Rechtsrüge ist jedoch begründet.

Eine ausdrückliche einverständliche Auflösung des unbestrittenermaßen zwischen den Streitteilen begründeten Arbeitsverhältnisses wurde zwar nicht festgestellt. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen jedoch für die Annahme der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Gemeinschuldnerin und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der GesmbH durch schlüssige Handlungen aus. Wohl ist nach Lehre und Rechtsprechung (Koziol-Welser, Grundriß 6 I 70 f; Rummel in Rummel, ABGB I Rz 14 zu § 863; SZ 54/163, SZ 50/99 uva) bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden öußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Eine konkludente Erklärung darf nur angenommen werden, wenn eine Handlung nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt. Insbesondere ist bei Annahme eines stillschweigenden Verzichtes besondere Vorsicht geboten (Rummel aaO; SZ 54/83; SZ 53/35 uva). Immer gilt aber für rechtsgeschäftliche Willensäußerungen die Vertrauenstheorie, sodaß es nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis ankommt, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat (Rummel aaO Rz 1 und 8).

Im vorliegenden Fall war schon im Arbeitsvertrag mit der Gemeinschuldnerin vorgesehen, daß der Kläger nach beendeter Einschulung die Außenstelle Graz, also die GesmbH, als Geschäftsstellenleiter übernehmen solle. Er übernahm in der Folge auch wie vereinbart die Leitung des Betriebes in Graz, über dessen genauen Firmenwortlaut er Bescheid wußte, bezeichnete selbst die Grazer Firma als seine Dienstgeberin und wußte auch, daß er bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als Dienstnehmer dieser Firma angemeldet wurde. Er bekam ferner sein Gehalt von der GesmbH, die auf dem Lohnstreifen als Dienstgeberin aufschien, schloß im Namen dieser Gesellschaft selbst Dienstverträge ab und richtete in ihrem Namen auch Briefe an die Gemeinschuldnerin. Dabei war ihm bekannt, daß die GesmbH firmenmäßig etwas anderes darstellte als die Gemeinschuldnerin. Durch dieses Verhalten hat der Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, daß er auch seinerseits von seinem Ausscheiden aus der Firma der Gemeinschuldnerin unter Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der GesmbH ausging. Anders konnte sein Verhalten auch von der Gemeinschuldnerin nicht verstanden werden. Damit wurde aber durch konkludente Handlungen das Arbeitsverhältnis des Kläges zur Gemeinschuldnerin beendet und gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis mit der GesmbH begründet.

Es fehlt daher an der Passivlegitimation der beklagten Partei, weshalb in Stattgebung der Revision das Ersturteil wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06144

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00070.85.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19850625_OGH0002_0040OB00070_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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