TE OGH 1985/6/26 1Ob601/85

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Veröffentlicht am 26.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia A, Hausfrau, Velden, Mozartstraße 12, vertreten durch Dr. Hugo Schally, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Hans A, Gemeindebediensteter, Velden, Villacherstraße 3, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterhalts (Streitwert S 90.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 22. November 1984, GZ 2 R 501/84-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 20. August 1984, GZ 11 C 15/83-42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.889,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 335,40 Umsatzsteuer und S 1.200 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 25. Juni 1961 vor dem Standesamt Velden geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. September 1983 gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden; es wurde ausgesprochen, daß der Beklagte (dort Kläger) die Zerrüttung allein verschuldet habe. Im während des Scheidungsverfahrens geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung der Beiträge für die freiwillige Versicherung der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Ehe entstammen keine Kinder. Der Beklagte ist bereits am 23. Mai 1979 aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Klägerin begehrt zuletzt die Verurteilung des Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 2.500,-- ab 1. Jänner 1983. Der Beklagte habe bis Ende 1982 freiwillig Unterhaltszahlungen von monatlich S 2.000,-- geleistet; er habe ein monatliches Einkommen von etwa S 12.000,--. Die Klägerin könne krankheitsbedingt nicht mehr so wie bisher arbeiten; ihre Fremdenpension könne nur mehr mit Verlust geführt werden.

Der Beklagte wendete ein, die Klägerin sei in der Lage, ihren Unterhalt aus den Erträgnissen ihrer Fremdenpension zu bestreiten. Außerdem sei sie Eigentümerin einer Reihe von Liegenschaften mit einem Gesamtwert von rund S 6 Mill. S; schon deshalb wäre es unbillig, wenn er trotzdem zu Unterhaltsleistungen verhalten würde. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Beklagte habe sich am 19. Februar 1979 endgültig von der Klägerin abgewendet, weil sie ihn im Zuge einer Auseinandersetzung 'wieder einmal' zum Verlassen der Ehewohnung aufgefordert habe. Bis dahin habe er ihr ein monatliches Wirtschaftsgeld von S 7.000,-- (einschließlich der für die uneheliche Tochter der Klägerin bezogenen Familienbeihilfe) zur Verfügung gestellt. Im März 1979 habe sie das Wirtschaftsgeld mit dem Bemerken zurückgewiesen, sie brauche von ihm keine Almosen. Am 23. Mai 1979 sei er unter Mitnahme seiner Kleidung ausgezogen. Bis dahin habe die Klägerin den gemeinsamen Haushalt versorgt. Im April 1979 sei der Beklagte von der Klägerin wiederum zur Ausfolgung von Wirtschaftsgeld aufgefordert worden, doch habe er das abgelehnt. Daraufhin habe sie die Unterhaltsklage eingebracht. Nach der Verhandlungstagsatzung am 30. Oktober 1979 habe er sich bereit erklärt, der Klägerin unter der Bedingung, daß sie das Verfahren nicht mehr fortsetze, einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- zu zahlen; sollte er mehr verdienen, werde er die monatlichen Leistungen um S 500,-- erhöhen. Anfang 1983 habe er diese Zahlungen eingestellt, weil ihm von einer Bauvereinigung eine Wohnung in Velden zugewiesen worden sei, für die er einen Baukostenzuschuß von S 60.200,-- erlegen habe müssen. Die Klägerin sei Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 161 KG Velden mit dem Haus Mozartstraße 12, in dem sie eine Frühstückspension betreibe, ferner der Liegenschaft EZ 54 KG Velden mit dem (Wald-)Grundstück 5 im Ausmaß von 25.175 m 2 mit einem Einheitswert von S 11.000,-- und einem Verkehrswert von zumindest S 100.000,-- und schließlich der Liegenschaft EZ 1209 KG Velden mit dem Haus Villacherstraße 10 im Gesamtausmaß von 5.225 m 2 mit einem Einheitswert von S 884.000,--. Das Grundstück 628/1, das zum Gutsbestand der EZ 54 KG Velden gehört habe, habe die Klägerin einer Wohnbaugenossenschaft um den Preis von 1 Mill. S verkauft. An der Liegenschaft EZ 1209 KG Velden habe sich die Mutter der Klägerin anläßlich der übergabe das lebenlange Nutznießungsrecht vorbehalten. Der Gesamtwert des Liegenschaftsbesitzes der Klägerin betrage mindestens 4,4 Mill. S. Mit der Frühstückspension habe die Klägerin in den Jahren 1981 bis 1983 jeweils Umsätze von rund S 110.000,-- erzielt; während das Unternehmen 1981 noch einen Gewinn von rund S 5.000,-- abgeworfen habe, seien die Geschäftsjahre 1982 und 1983 mit Verlusten (S 30.882,-- bzw. S 539,--) abgeschlossen worden. Der Verlust 1982 sei auf Instandsetzungsarbeiten (im Betrag von S 20.977,40) und die Anschaffung von Inventar (S 14.350,56) zurückzuführen. Die 1983 mit einem Aufwand von S 91.627,24 durchgeführten Reparaturarbeiten habe die Klägerin aus dem Verkaufserlös des Grundstückes 628/1 bestritten. Zum 1. Jänner 1984 hafteten Kredite an die Klägerin im Gesamtbetrag von S 74.730,-- aus. Steuerliche Sondermaßnahmen habe die Klägerin nicht in Anspruch genommen. Sie werde auch in Hinkunft außerstande sein, mit ihrer Frühstückspension Gewinne zu erzielen; vergleichbare Betriebe würfen dagegen Erträge ab, aus welchen zumindest der Lebensunterhalt in beschränktem Rahmen bestritten werden könne. Die Klägerin habe ein schweres Halswirbelsäulenleiden und könne daher den Pensionsbetrieb nicht allein führen; sie bedürfe hiezu einer Bedienerin für die Reinigungs- und Aufräumearbeiten. Der Beklagte habe als Vertragsbediensteter der Gemeinde Velden 1981 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 13.132,61 sowie 1982 und 1983 ein solches von S 13.867,73 bzw. S 14.225,21 erzielt; er sei vermögenslos und habe für seine Wohnung mit Garage einen monatlichen Mietzins von S 3.604,-- zu bezahlen. Er habe keine Sorgepflichten und lebe mit einer berufstätigen Frau in Lebensgemeinschaft. Daraus schloß das Erstgericht, die Klägerin könne auf ihr ansehnliches Liegenschaftsvermögen zurückgreifen, so daß ihr Unterhaltsbegehren bei Vergleich ihrer Vermögenslage mit dem Einkommen des Beklagten einen Rechtsmißbrauch darstelle. Allein schon aus der zinsbringenden Anlegung des Verkaufserlöses könne die Klägerin Erträge im Ausmaß des begehrten Unterhalts erzielen. Zur Erhaltung oder Vergrößerung ihres Vermögens sei der Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet. Das Berufungsgericht gab dem Unterhaltsbegehren statt und ließ die Revision zu. Das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung sei bindend festgestellt; die Einwendung des Beklagten, die Klägerin habe den Unterhaltsanspruch verwirkt, sei deshalb nicht weiter zu prüfen. Entscheidend seien daher die Verhältnisse der Streitteile unter der Fiktion, daß die Ehe fortbestehe. Die Klägerin habe keine eigenen Einkünfte, die nach § 94 Abs 2 erster Satz ABGB angemessen zu berücksichtigen seien; es verbleibe daher nur ihr Vermögen. Die Liegenschaft EZ 1209 KG Velden sei angesichts des Nutznießungsrechtes ihrer Mutter zu deren Lebzeiten für die Klägerin unverwertbar. Das Waldgrundstück sei derzeit nur schwer veräußerlich und bringe selbst bei Richtigkeit des festgestellten Verkehrswertes nicht allzu viel ein. Die Liegenschaft EZ 161 KG Velden diene der Klägerin und ihrer Mutter, der gegenüber sie verschiedene Versorgungs- und Betreuungsverpflichtungen zu erfüllen habe, zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses; schon deshalb könne ihr nicht zugemutet werden, ihren Unterhalt aus dieser Vermögenssubstanz zu bestreiten. Demnach bleibe das Barvermögen aus dem Verkauf des Grundstücks 628/1. Selbst wenn dieser Betrag (1 Mill. S) für die Klägerin frei verfügbar wäre und sie ihn zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes wertgesichert und zinsbringend anlegen könnte, befreiten diese Erträge den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung zum begehrten Unterhalt; das gelte umsomehr für den Fall, daß die Klägerin mit diesem Verkaufserlös verschiedene zur Erhaltung des Liegenschaftsvermögens und zur Finanzierung ihres Unterhalts eingegangene Kreditverbindlichkeiten habe abdecken müssen. Der Klägerin falle demnach der vom Erstgericht angenommene Rechtsmißbrauch nicht zur Last. Sie habe den besonderen Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG, wie sie ihn bei aufrechter Ehe hätte. Ein nach § 94 ABGB unterhaltsberechtigter Ehegatte müsse seinen Vermögensstamm zur Verschaffung des eigenen Unterhalts nur im Notfall - wenn also der verpflichtete Ehegatte den Unterhalt nicht oder nicht vollständig aufbringen könne - angreifen; das treffe bei dem Einkommen des Beklagten nicht zu. Dieses habe sich in letzter Zeit deutlich erhöht. Die erheblichen Wohnungskosten könnten den Beklagten nicht allein belasten, weil die Wohnung von einer berufstätigen Lebensgefährtin mitbenützt werde. Aber selbst dann sei der begehrte Unterhalt (einschließlich der Krankenversicherungsbeiträge) bei Bedachtnahme auf sein Einkommen angemessen. Die Klägerin werde dennoch zur Bestreitung ihres Unterhalts auch noch auf ihr Vermögen greifen müssen, weshalb es auch nicht erheblich sein könne, wenn sie durch die Verpachtung ihres Unternehmens in die Lage versetzt wäre, einen Teil ihres Unterhalts aus solchen Erträgen zu bestreiten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zwar gemäß § 502 Abs 2 Z 1 ZPO zulässig, weil der behauptete Verstoß des Berufungsgerichtes gegen das Neuerungsverbot und die Frage, ob ein nach den Behauptungen des Beklagten von der Klägerin noch vor einem in Rechtskraft erwachsenen Scheidungsurteil, mit dem ausgesprochen wurde, daß der Beklagte die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe, gesetzter Unterhaltsverwirkungstatbestand im nachfolgenden Unterhaltsprozeß erneut geltend gemacht werden könne, zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Unterhaltsbemessung gehören und die Behauptungen über den Rechtsmißbrauch und den Unterhaltsverzicht den Anspruchsgrund betreffen; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die auch in einem Verstoß gegen das Neuerungsverbot erblickt wird, liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach wie vor beharrt der Beklagte auf seiner Ansicht, die Klägerin habe auf den Unterhalt schlüssig verzichtet, weil sie die Annahme des Wirtschaftsgeldes für März 1979 verweigert und dabei bemerkt habe, sie brauche von ihm keine Almosen. Ein solcher Unterhaltsverzicht, der sich überhaupt nur auf künftige Einzel- oder Teilleistungen erstrecken könnte (EvBl 1982/127; SZ 50/128), müßte in jeden Zweifel ausschließender Weise erklärt worden sein (EFSlg. 35.203 ua). In dem vom Unmut über die Auseinandersetzungen mit dem Beklagten getragenen Verhalten der Klägerin kann ein solcher über jeden Zweifel erhabener Unterhaltsverzicht umsoweniger erblickt werden, als die Klägerin schon für den nächsten Monat Unterhalt begehrte und der Beklagte sich in der Folge auch unter der Bedingung, daß jene den Unterhaltsstreit nicht fortsetze, zu Unterhaltsleistungen erboten und solche auch bis zum Bezug einer eigenen Wohnung - mehr als zwei Jahre hindurch - erbracht hat (AS 201).

Den Verwirkungstatbestand erblickt der Beklagte in seiner 'Ausweisung' aus der Ehewohnung durch die Klägerin im Jahre 1979. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auf das in Rechtskraft erwachsene Scheidungsurteil vom 15. September 1983, mit dem ausgesprochen wurde, daß der Beklagte die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe. Damit ist mit Rechtskraftwirkung auch für den vorliegenden Unterhaltsstreit festgestellt, daß die Ehe ausschließlich durch Eheverfehlungen des Beklagten zerrüttet wurde; damit ist aber auch zwangsläufig mitausgesprochen, daß die Klägerin krasse Eheverfehlungen, wie sie die Unterhaltsverwirkung voraussetzt, nicht begangen hat, weil den Beklagten sonst nicht das alleinige Verschulden treffen könnte. Infolge der mit der Rechtskraft der Entscheidung verbundenen Präklusionswirkung wurde der Beklagte im (erst nach Abschluß des Scheidungsverfahrens fortgesetzten) Unterhaltsprozeß von allen Einwendungen ausgeschlossen, die er schon gegen den Schuldantrag der Klägerin im Scheidungsstreit nach § 61 Abs 3 EheG hätte vorbringen müssen. Zu Recht ist das Gericht zweiter Instanz daher auf die (durch die vorinstanzlichen Feststellungen auch nicht untermauerten) Behauptungen einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches nicht weiter eingegangen.

Verfehlt ist auch die Auffassung, die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruches trotz eigenen erheblichen Liegenschaftsvermögens komme einem Rechtsmißbrauch gleich. Ein solcher kann nur in einem Verhalten des Ehegatten erblickt werden, das die Gewährung eines Unterhalts als grob unbillig erscheinen ließe (SZ 52/6 uva; Schwind, Eherecht 2 67; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 94; Ent-Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 134). Ob und inwieweit im einzelnen Fall eigene Mittel - und damit auch die Verwertung eigenen Liegenschaftsbesitzes - zur Vermeidung eines unbilligen Ergebnisses zu berücksichtigen sind, ist aber eine Frage der Unterhaltsbemessung (JB 60 neu; JBl 1979, 39 uva; Fasching, Komm. ErgB 86), mit welcher der Oberste Gerichtshof auch im Rahmen einer zulässigen Revision nicht befaßt werden kann (SZ 49/28 ua).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05939

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00601.85.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19850626_OGH0002_0010OB00601_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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