TE OGH 1985/7/4 13Os99/85

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Veröffentlicht am 04.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilfried A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 2. April 1985, GZ. 29 Vr 423/84-129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

II. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. werden 1. sämtliche Schuldsprüche nach dem Finanzstrafgesetz und zwar wegen der Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG.

und der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. sowie 2. sämtliche Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz und zwar die Geldstrafe nach § 35 Abs. 4 FinStrG., die Wertersatzstrafe nach § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG. und die jeweils zugehörigen Ersatzfreiheitsstrafen (§ 20 FinStrG.) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

III. Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Wilfried A wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. Mai 1983 (ON. 38) in drei Fällen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (A I 1 bis 3), des damit in Tateinheit begangenen Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG. (B I), des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 2

SuchtgiftG. (A II) und des damit in Tateinheit gesetzten Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. (B II) schuldig erkannt.

Es wurden über ihn nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (§ 28 StGB.) eine dreijährige Freiheitsstrafe und gesondert nach §§ 22, 35 Abs. 4 (37 Abs. 2) FinStrG. unter Anwendung des § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG. eine Geldstrafe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Tage) verhängt. Darüber hinaus wurde gemäß § 12 Abs. 4 SuchtgiftG., §§ 19, 22 FinStrG. eine Wertersatzstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Auf Grund der Berufung des Angeklagten wurde die Wertersatzstrafe auf 60.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Tage) gemindert (ON. 48). In der Folge wurden die Wiederaufnahme hinsichtlich einer Tat (A I 2, B I) zu Gunsten des Verurteilten bewilligt und zugleich alle Strafaussprüche nach dem Suchtgift- und dem Finanzstrafgesetz aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wurde Wilfried A erneut nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und des damit in Tateinheit begangenen Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1

FinStrG. schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er gemeinsam mit Hubert B am 1. oder 2. Jänner 1983 mit Gemeingefährdungsvorsatz ca. 33 g Heroin von Amsterdam über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingeführt sowie unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen.

Unter Einbeziehung der von der Wiederaufnahme nicht erfaßten Schuldsprüche (A I 1 und A I 3; A II) verhängte der Schöffensenat nach dem ersten Strafsatz des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (§ 28 Abs. 1 StGB.) abermals eine dreijährige Freiheitsstrafe. Für das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG. sowie für das von der Wiederaufnahme nicht betroffene der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. (B II) wurde über den Angeklagten gemäß § 35 Abs. 4 FinStrG. (§§ 21, 22 FinStrG.) gesondert eine Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Tage) und nach § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG. eine Wertersatzstrafe von 60.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Tage) verhängt.

Der Angeklagte macht Nichtigkeit des Urteils aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. geltend. Inhaltlich der Nichtigkeitsbeschwerde wendet er sich nur gegen den (neuerlichen) Schuldspruch nach § 12 SuchtgiftG., mit seiner Berufung bekämpft er ausdrücklich nur die nach dem Suchtgiftgesetz verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren als zu hoch.

Die Menge des geschmuggelten Suchtgifts (ca. 33 g Heroin) erachtet der Beschwerdeführer mit einem Begründungsmangel behaftet, weil darüber keine Erhebungen gepflogen worden seien und einzig der Zeuge B dazu angegeben hat, daß es 33 g Heroin gewesen sein können. Der Schöffensenat erachtete die Aussage des gesondert verfolgten Komplizen des Angeklagten, Hubert B, als 'schlüssig' und wegen der Schilderung vieler Details als glaubwürdig (S. 284/II). Wenn der Beschwerdeführer meint, die Aussage bloß einer für glaubwürdig gehaltenen Person reiche für eine Feststellung nicht aus, stellt er unter gleichtzeitiger Bekämpfung der Beweiswürdigung eine dem Strafprozeß fremde (§ 258 Abs. 2 StPO.) Beweisregel auf. Fehlende weitere Erhebungen über die Menge des geschmuggelten Heroins kann der Beschwerdeführer mangels diesbezüglicher Antragstellung nicht rügen.

Den Zeitpunkt der gemeinsamen Abfahrt des Angeklagten und BS nach Amsterdam, um dort Heroin zu kaufen und nach Österreich zu schmuggeln, hat das Schöffengericht unter Abwägung aller im Verfahren vorgebrachten Angaben und unter Berücksichtigung des Gutachtens eines Kraftfahrzeugsachverständigen in die Morgenstunden des 1. Jänner 1983 zwischen 4 und 7 Uhr verlegt (S. 282/II. Bd.). Damit ist einerseits, wie der Beschwerdeführer einräumt, inhaltlich kein Widerspruch mehr zur Zeugenaussage C gegeben und anderseits ist die Beschwerdebehauptung, die Tatrichter hätten mit keinem Wort erwähnt, welche (Zeit-) Angaben sie für richtig halten und warum sie dies tun, urteilsfremd.

Die Zitierung der Aussage D (richtig: Susanne E) über den von ihr genannten Abreisezeitpunkt ist unrichtig, weil diese ihn nicht 'zwischen 3 Uhr und 5 Uhr morgens' eingrenzte, sondern mit 'zwischen 4 Uhr und 5 Uhr morgens' konkretisierte (S. 125/II. Bd.) und damit innerhalb jenes Zeitraums, der dem Schuldspruch zugrundeliegt. Den Gemeingefährungsvorsatz hat das Erstgericht damit begründet, daß der Angeklagte im ersten Rechtsgang zugegeben hat, daß ein Großteil der von seinem Komplizen geschmuggelten Suchtgiftmengen (die von der Wiederaufnahme nicht betroffen waren) zum Weiterverkauf in Teilmengen an einen unbestimmten Personenkreis bestimmt war. Dieser aus vom Angeklagten einbekannten Taten gezogene Schluß auf seinen Vorsatz bei der geleugneten Tat fiel in die unanfechtbare Beweiswürdigung des Gerichtshofs. Daß der Angeklagte auch zu der 'fraglichen' (gemeint: beschwerdegegenständlichen) Suchtgiftmenge seinen Gemeingefährdungsvorsatz zugegeben hätte, wurde entgegen den Beschwerdeausführungen im Urteil nicht gesagt.

Rechtliche Beurteilung

Die im Urteil ausführliche und detaillierte (S. 281 bis 289/II. Bd.) Auseinandersetzung mit den vom Schöffensenat als unglaubwürdig beurteilten Entlastungsbeweisen verweist die Beschwerdebehauptung (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.), es liege eine pauschale Abqualifizierung der Alibibeweise und damit eine Scheinbegründung vor, a limine ins Unrecht.

Die Annahme des vom Angeklagten geplanten Verteilungsmodus der eingeführten Heroinmenge als das Ergebnis der Beweiswürdigung übergeht der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge, wenn er sein Verhalten als strafbar lediglich gemäß § 16 SuchtgiftG. bezeichnet. Mangels prozeßordnungsgemäßer Ausführung der angerufenen oder irgend eines anderen der in § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 StPO. aufgezählten Nichtigkeitsgründe war die Beschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Bei dieser zeigte sich, daß das Urteil in den nicht angefochtenen Schuld- und Strafaussprüchen nach dem Finanzstrafgesetz mit einem nicht geltend gemachten Feststellungsmangel (des materiellen Rechts: Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafrecht, E. 16 zu § 53) insoweit behaftet ist, als die Frage, ob die gerichtliche Strafbarkeit der Finanzvergehen überhaupt gegeben ist, im Verfahren nicht geprüft wurde.

Die ursprüngliche Anklage stützte die gerichtliche Zuständigkeit für die Ahndung der beiden Finanzvergehen des Schmuggels und der Abgabenhehlerei ausschließlich auf die Gewerbsmäßigkeit des Schmuggels (§§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG.: S. 46/I. Bd.). Das Urteil im ersten Rechtsgang enthielt nur einen Schuldspruch nach §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 1 lit. a FinStrG., dafür aber die ausdrückliche Feststellung, daß die 'Taten' (gemeint: die Finanzvergehen) nicht durch Rückfall oder Gewerbsmäßigkeit beschwert sind (ON. 38: S. 380/I, auch ON. 48: S. 422/I). Der strafbestimmende Wertbetrag wurde im gesamten Verfahren mit (zusammen) 66.560 S beziffert (ON. 38: S. 380/I, ON. 45: S. 409/I, ON. 48: S. 421/I; ON. 129: S. 276 f., 290/II).

Allerdings ist, ohne daß dies im Urteil erwähnt wird, in der Anzeige des Zollamts Linz darauf verwiesen, daß A an Taten beteiligt gewesen sei, bei denen für die übrigen Täter (C, F und B) 'zwingend' (?) Gerichtszuständigkeit (welche ?) bestehe (ON. 20 S. 169/I). Da diese Umstände im vorliegenden Fall die letztmögliche Voraussetzung für die Ahndung der Finanzvergehen des Angeklagten durch das Gericht sein könnten (§ 53 Abs. 4 FinStrG.), waren in Anwendung des § 290 Abs. 1

StPO. bereits in nichtöffentlicher Sitzung alle im Ersturteil enthaltenen (§ 35 Abs. 1 FinStrG.) und auch dort genannten (§ 37 Abs. 1 lit. a FinStrG.) Schuldsprüche nach dem Finanzstrafgesetz und alle nach diesem Gesetz gefällten Strafaussprüche (Geld- und Wertersatzstrafe) zu kassieren und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen.

Die Urteilsaufhebung betrifft damit nicht nur alle im angefochtenen Urteil nach dem Finanzstrafgesetz verhängten Strafen und den dort gefällten Schuldspruch nach § 35 Abs. 1 FinStrG., sondern auch die im angefochtenen Urteil rezipierten, von der Wiederaufnahme nicht betroffenen weiteren Schmuggelfakten des ersten Rechtsgangs (A 1 und A 3; B I) und den Schuldspruch nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. (B II). Stehen doch diese aus dem ersten Rechtsgang übernommenen Schuldsprüche wegen Finanzvergehen in einem unlösbaren sachlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den im angefochtenen Urteil enthaltenen Aussprüchen nach dem Finanzstrafgesetz, weil entweder für alle Schuldsprüche oder für keinen von ihnen die gerichtliche Zuständigkeit gegeben ist (§ 53 Abs. 4 FinStrG.; Durchgriff auf rechtskräftige Schuldsprüche: siehe 11 Os 128/79). Auch liegt der im angefochtenen Urteil verhängten Geldstrafe eine Summe, die sich aus der Zusammenrechnung der Strafsätze aller Finanzvergehen des Angeklagten ergibt, zugrunde (§ 21 Abs. 2 FinStrG.). Die Schuldsprüche nach dem Finanzstrafgesetz im ersten Rechtsgang sind daher vom Inhalt des im Wiederaufnahmeverfahren ergangenen Urteils nicht trennbar (vgl. § 289 StPO.).

Die Aufhebung der Schuld- und Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz und die Verweisung der Sache an das Erstgericht in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung steht jedoch einer Entscheidung über die Strafberufung des Angeklagten bezüglich der Delikte nach dem Suchtgiftgesetz nicht entgegen. Die Strafenkumulierung des § 22 Abs. 1 FinStrG. bewirkt die Trennbarkeit der für die Finanzvergehen und der für die Suchtgiftdelikte ergangenen Strafaussprüche, sodaß darüber gesondert entschieden werden kann. Mangels einer die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufung (§ 296 StPO.) begründenden Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde waren daher die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen die nach § 12 Abs. 1

SuchtgiftG. verhängte Freiheitsstrafe an das zuständige Oberlandesgericht zu leiten (RZ. 1970 S. 17 f., 1973 S. 70 u.v.a.).

Anmerkung

E05935

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00099.85.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19850704_OGH0002_0130OS00099_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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