TE OGH 1985/7/4 13Os91/85

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Veröffentlicht am 04.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin in der Strafsache gegen Margarete A wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 7.Mai 1985, GZ. 7 Vr 962/84-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Wampl zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Margarete A wird von der Anklage, sie habe von

Dezember 1977 bis 16.Oktober 1984 in Mattighofen in ihrer

Eigenschaft als Buchhalterin der B C D E

die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß sie Sammelüberweisungen an die F WIEN auch ihre Privatrechnungen unterschob und dadurch der B C D

E einen 100.000 S übersteigenden Vermögensnachteil in der Gesamthöhe von 2,637.464,04 S zugefügt und sie habe hiedurch das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Prozeßparteien auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Margarete A wurde des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. schuldig erkannt, weil sie vom Dezember 1977 bis 16. Oktober 1984 durch wissentlichen Mißbrauch der ihr als Leiterin der Buchhaltung der B E eingeräumten Befugnis,

über fremdes Vermögen zu verfügen, diesem Institut einen Vermögensnachteil von insgesamt 2,637.464,04 S zugefügt hat. In ihrer Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO.) behauptet die Angeklagte, daß die Strafbarkeit ihrer Untreue durch tätige Reue aufgehoben worden sei. Sie habe die rechtzeitig vereinbarte Schadensgutmachung - entgegen der Meinung des Erstgerichts - freiwillig und durch vertragliche Verpflichtung (§ 167 Abs. 2 Z. 2 StGB.) auch vollständig geleistet. Demgegenüber verneinte der Schöffensenat das Merkmal der Freiwilligkeit. Inhaltlich der Urteilsgründe hat die Angeklagte dem Sparkassenleiter, als er ihr am 29.Oktober 1984 die Verfehlungen 'auf den Kopf zusagte' (S. 196), diese zugegeben, weil nur sie allein als Täterin in Frage gekommen ist und ein Leugnen zwecklos gewesen wäre. Nach den weiteren, der Verantwortung der Angeklagten folgenden Urteilsfeststellungen hat diese sich nur unter dem Druck der Verhältnisse zur sofortigen Schadensgutmachung bereit erklärt, die mit Erfolg zu verweigern sie keine Möglichkeit hatte (S. 203). Im einzelnen hat das Schöffengericht aber noch folgendes konstatiert: Die Angeklagte hat sogleich mit dem Sparkassenleiter beraten, wie der Schaden gutgemacht werden könnte. Da dies nur durch den Verkauf der im Hälfteeigentum der Angeklagten und ihrer Mutter Margarete G stehenden Liegenschaft EZ. 1036, inneliegend im Grundbuch der Katastralgemeinde Mattighofen, geschehen konnte, wurden der Ehegatte und die Eltern der Angeklagten in die B gebeten (S. 196). Auf Grund der sodann getroffenen Vereinbarung gewährte die B E am 29.Oktober 1984 der Beschwerdeführerin zum Zweck der Schadensgutmachung einen Kredit von 3 Millionen Schilling, wobei als Kreditnehmer die Ehegatten Gerhard und Margarete A (die Angeklagte und ihr Ehemann) sowie Margarete G auftraten. Dieser Kredit sollte bis 31.März 1985 rückzahlungsfrei sein. Bis dahin sollten lediglich die auflaufenden Kreditzinsen von monatlich 15.000 S abgedeckt werden, zu deren Zahlung sich Gerhard A im Weg einer Lohnabtretungserklärung verpflichtete. Zur weiteren Absicherung des Darlehens wurde der B E eine Kredithöchstbetragshypothek über

3 Millionen Schilling auf der obgenannten Liegenschaft eingeräumt und darüber eine Pfandbestellungsurkunde errichtet. Ob der Kredit ab 31. März 1985 in zu vereinbarenden Raten oder durch Versteigerung bzw. durch freihändigen Verkauf der Liegenschaft getilgt werden sollte, wurde nicht vereinbart, sondern blieb der Entscheidung der B E vorbehalten. Hinsichtlich der Kreditrückzahlung nach diesem Zeitpunkt gab es nur sehr vage Vorstellungen und sollte nach dem 31.März 1985 noch eine ergänzende Vereinbarung getroffen werden. Jedenfalls sollte die Liegenschaft bis 30.September 1985 verkauft und hinsichtlich der zu erwartenden Restschuld noch eine weitere Kreditvereinbarung getroffen werden. Am 30. Oktober 1984 wurde die Schuld auf das Kreditkonto umgebucht, wodurch der Schadensbetrag durch den Kredit abgedeckt war (S. 197, 198).

Die Rechtzeitigkeit der Vereinbarung zwischen dem Ehepaar A und Margarete G einerseits sowie der B E

andererseits steht unter dem Gesichtspunkt des § 167 Abs. 2 StGB. urteilsmäßig außer Frage. Die Freiwilligkeit der Schadensgutmachung wurde indes irrig beurteilt. Sie ist gegeben, wenn der Täter, obgleich auf Andringen des Verletzten, so doch, ohne hiezu gezwungen zu sein, den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden ersetzt (§ 167 Abs. 2 Z. 1 StGB.) oder sich vertraglich verpflichtet, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit solche Schadensgutmachung zu leisten (§ 167 Abs. 2 Z. 2 StGB.). Der Täter, der sich um die Schadensgutmachung ernstlich bemüht hat, ist auch dann nicht zu bestrafen, wenn ein Dritter in seinem Namen den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden unter den im § 167 Abs. 2 StGB. angeführten Voraussetzungen gutmacht (§ 167 Abs. 4 StGB.).

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend davon, daß im Strafrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist (LSK. 1983/6 = EvBl. 1983/67; 13 Os 34/84), ist der wesentliche Inhalt der Vereinbarung vom 29. Oktober 1984 die Solidarschuld zweier von der Täterin verschiedenen Personen, nämlich des Gerhard A und der Margarete G, welch letztere übrigens zusätzlich mit der ihr gehörigen Liegenschaftshälfte haftet. Damit steht die Schadensgutmachung durch Dritte (§ 167 Abs. 4 StGB.) wirtschaftlich (siehe oben) im Vordergrund, sodaß demgegenüber die Tatsache, daß die Angeklagte als weitere Darlehensnehmerin in das Gesamtschuldverhältnis einbezogen ist, in ihrer Bedeutung als Schadensgutmachung durch den Täter (§ 167 Abs. 1 Z. 1 StGB.) zurücktritt.

Mit der Aufnahme des Darlehens und der Abdeckung der Deliktsschuld durch Umbuchung per 30.Oktober 1984 war aber zugleich der aus der Tat entstandene Schaden zur Gänze gutgemacht (§ 167 Abs. 4 StGB. in Verbindung mit § 167 Abs. 1 Z. 1 StGB.). Ein Rückgriff auf § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB. (mit allen Implikationen) scheidet darnach aus. Anders als in dem der Entscheidung JBl. 1981 S. 331 (siehe Urteilszitat) zugrundeliegenden und komplexer gestalteten Sachverhalt, wo es sich eben um einen Fall des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB., nämlich um eine vertragliche Verpflichtung, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit Schadensgutmachung zu leisten, handelte, bedurfte es hier keiner weiteren Erörterung der Modalitäten der Rückzahlung des Darlehens, in dem sich, schon vom Kreis der Schuldner her gesehen, die bereits mit der Kreditaufnahme getilgte Deliktsschuld nicht mehr wesensmäßig verkörperte (zur Zulässigkeit tätiger Reue mittels Darlehensaufnahme durch den Täter allein siehe SSt. XXXII/23 und EvBl. 1957 Nr. 327). Gerade angesichts der effektiven Schadensgutmachung durch Dritte kann aber die Freiwilligkeit des Vorgangs insgesamt nicht bestritten werden. Gewiß wird auch auf Seiten der dritten Personen vorausgesetzt, daß sie zur Restitutionsleistung nicht gezwungen wurden (§ 167 Abs. 4 StGB.: '... unter den im Abs. 2 genannten Voraussetzungen ...'). Doch hielt sich schon der im Ersturteil erwähnte Druck der Verhältnisse, unter dem sich die Angeklagte zur Schadensgutmachung bereit erklärte (S. 203), durchaus im Rahmen dessen, was dem Andringen des Verletzten, das vom Gesetz (§ 167 Abs. 2 Einleitung StGB.) ausdrücklich nicht als Zwang gewertet wird, regelmäßig jenes Gewicht verleiht, das den Täter zur noch freiwilligen Schadensgutmachung veranlaßt. Dies umso mehr, als das Motiv, einer Anzeige oder strafgerichtlichen Verfolgung vorzubeugen, das Merkmal der Freiwilligkeit des täterischen Verhaltens nicht ausschließt (Leukauf-Steininger 2 Rz. 14 zu § 167 StGB.; ebenso Kienapfel BT. II § 167 StGB. Rz. 56, 57, 58 und Bertel in AnwBl. 1979 S. 384, beide in überzeugender Auseinandersetzung mit der Judikatur). Die generalisierende Aussage in LSK. 1976/58 kann sonach als Maßstab der Freiwilligkeit nicht mehr herangezogen werden (im Anlaßfall 10 Os 140/75 war das fehlende Geld teils im Schuh, teils in der Brieftasche des Verdächtigen gefunden worden). Darüber hinaus geht es hier aber gar nicht um die Freiwilligkeit der Angeklagten, sondern um die jener dritten Personen, welche die Schadensgutmachung leisteten, konkret also darum, daß weder der Ehegatte noch die Mutter der Nichtigkeitswerberin zur Schadensgutmachung 'gezwungen' waren (siehe nochmals § 167 Abs. 2, erster Satz, StGB.: 'ohne hiezu gezwungen zu sein'). Da es Gerhard A und Margarete G freistand, die Kreditaufnahme zwecks Schadensdeckung abzulehnen, ist die Urteilskonstatierung, daß die Angeklagte keine Möglichkeit hatte, die Schadensgutmachung mit Erfolg zu verweigern (S. 203), nicht nur sachlich unrichtig (siehe oben), sondern letztlich sogar unentscheidend. Hebt doch § 167 Abs. 4 StGB. hinsichtlich des Täters nur auf sein ernstliches Bemühen ab und bezieht die 'im Abs. 2 genannten Voraussetzungen' auf den Dritten. Eine Feststellung des Inhalts aber, Margarete G und Gerhard A hätten unter Zwang gehandelt, ist nicht getroffen und wäre auch aktenwidrig.

Im Urteilskontext steht des weiteren fest, daß die Angehörigen der Beschwerdeführerin den Schaden in deren Namen gutgemacht haben und daß die Angeklagte sich darum ernstlich bemüht hat; hiefür genügt, daß der Schadenersatz mit Wissen und Willen des Täters bzw. mit dessen konkludentem Einverständnis geleistet wird (Kienapfel BT. II § 167 StGB. Rz. 84; Leukauf-Steininger 2 Rz. 30 zu § 167 StGB.). Folglich ist die Strafbarkeit der verübten Untreue infolge tätiger Reue aufgehoben.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil zu kassieren und, auf der Grundlage der vorhandenen Sachverhaltsfeststellungen nach § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. sofort in der Sache selbst erkennend, Margarete A vom Anklagevorwurf der Untreue gemäß § 259 Z. 3 StPO. freizusprechen.

Mit ihren Berufungen waren beide Prozeßparteien hierauf zu verweisen.

Anmerkung

E06471

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00091.85.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19850704_OGH0002_0130OS00091_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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