TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/28 2005/11/0037

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Veröffentlicht am 28.06.2005
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Index

L92703 Jugendwohlfahrt Kinderheim Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
JWG NÖ 1991 §11 Abs1;
JWG NÖ 1991 §21 Abs1;
JWG NÖ 1991 §21;
JWG NÖ 1991 §35;
JWG NÖ 1991 §40;
JWG NÖ 1991 §9 Abs1;
JWG NÖ 1991 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der 1. Dr. H H,

2. G H, beide in Kritzendorf, vertreten durch Dr. Ruth

E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Jänner 2005, Zl. GS6-FP-3010/044-2004, betreffend Anträge nach dem NÖ JWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Schreiben der Beschwerdeführer vom 17. Dezember 2003 an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung hat (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"Antrag auf Eignungsfeststellung zur Übernahme von

Pflegekindern

Wichtige Bewilligungsvoraussetzungen

...

Nach Abschluss der Überprüfung erhalten wir eine Mitteilung

über die Eignungsfeststellung.

Mit dieser Mitteilung können wir auch andere Behörden um Vermittlung eines Pflegekindes (Adoptivkindes) ersuchen.

Vor der Übernahme eines Kindes in unseren Haushalt muss mit der Behörde, die für unseren Wohnsitz örtlich zuständig ist, Kontakt aufgenommen werden und ein Antrag auf Pflegebewilligung dieses Kindes gestellt werden.

Wir wollen ein Kind in Pflege nehmen und ersuchen die Bezirkshauptmannschaft, eine Bestätigung über unsere Eignung auszustellen. Wir ersuchen den Amtsarzt, die für die Überprüfung notwendigen Auskünfte zu erteilen."

Nach Einholung von Stellungnahmen richtete die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung am 19. März 2004 an die Beschwerdeführer folgende (auszugsweise wiedergegebene) Verständigung:

"Verständigung über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens

     Sie haben den Antrag gestellt, Ihre Eignung zur Übernahme von

Pflegekindern zu überprüfen.

     Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sind folgende Tatsachen

bekannt geworden, die gegen Ihre Eignung sprechen:

     ...

     Auf Grund Ihrer beider Alter ist der vom Gesetzgeber gedachte

natürliche Altersabstand zwischen Eltern und Kind deutlich

überschritten.

...

Sie haben die Möglichkeit, sich zu diesem Ermittlungsergebnis ... zu äußern. Nach Ablauf der Frist wird über Ihren Antrag mit Bescheid entschieden werden."

Die Beschwerdeführer nahmen mit Schriftsatz vom 21. April 2004 Stellung und ersuchten um "eilige positive Erledigung des Ansuchens".

In ihrer Stellungnahme vom 3. Juni 2004 erklärten die Beschwerdeführer, "den Antrag auf dringende und eilige Pflegestellenbewilligung" zu wiederholen.

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 15. Juni 2004 enthält folgenden Spruch:

"Der Antrag vom 17. Dezember 2003, Ihnen eine Bestätigung über die Eignung zur Übernahme eines Pflegekindes im Vorschulalter in Ihrem Haushalt in K. zu erteilen, wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 14, 15, 16 Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG)

§§ 19, 20, 21, 22 Niederösterreichisches

Jugendwohlfahrtsgesetz (NÖ JWG)

Vorschrift der Niederösterreichischen Landesregierung Pflegeplatz, Volle Erziehung vom 25.06.2002"

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde - nach einer Darstellung der Gesetzeslage und des Verfahrensganges sowie nach Ausführungen über die "persönliche Eignung" der Beschwerdeführer - im Wesentlichen aus, dass bei Aufnahme eines Säuglings oder Kleinstkindes durch die Beschwerdeführer der vom Gesetzgeber gedachte natürliche Altersabstand zwischen Eltern und Kind nicht gegeben sei (der Erstbeschwerdeführer ist 1955, die Zweitbeschwerdeführerin 1957 geboren).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung beantragten die Beschwerdeführer "in Stattgebung unserer Berufung den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Pflegestellenbewilligung zu erteilen."

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 20 bis 22 NÖ JWG" keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe des Inhalts der §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 und 22 Abs. 1 Z. 2 des Niederösterreichischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991, LGBl. 9270-6 (NÖ JWG), im Wesentlichen aus, maßgebliches Kriterium für die Abweisung des Antrages sei das fortgeschrittene Alter der Berufungswerber bzw. der Altersabstand zu einem gewünschten Säugling. Der Altersunterschied zwischen möglichen Pflegeeltern und einem noch aufzunehmenden Minderjährigen solle entsprechend § 22 Abs. 1 Z. 2 NÖ JWG dem natürlichen Altersunterschied zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Niederösterreichischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991, LGBl. 9270-6 (NÖ JWG), von Bedeutung:

"§ 9

Zulässigkeit freier Jugendwohlfahrt

(1) Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt dürfen die im Abs. 2 genannten privatrechtlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt besorgen, wenn ihre Eignung hiezu mit Bescheid festgestellt ist (§ 11).

...

(3) Eine Feststellung der Eignung (§ 11) ist für solche Aufgaben nicht erforderlich, die nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig (§§ 21 und 35) oder anzeigepflichtig (§ 40) sind.

...

§ 11

Feststellung der Eignung von Einrichtungen

(1) Die Landesregierung stellt auf Antrag eines Trägers der freien Jugendwohlfahrt mit Bescheid fest, ob dessen Einrichtung zur Erfüllung privatrechtlicher Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt geeignet ist.

...

§ 19

Begriff

Pflegekinder sind Minderjährige, die von Personen in deren Haushalt gepflegt und erzogen werden, welche weder mit ihnen bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert noch ihre Wahleltern sind.

§ 20

Vermittlung von Minderjährigen auf Pflegeplätze

(1) Die Vermittlung hat dem Wohl des Minderjährigen zu dienen. Es muss begründete Aussicht bestehen, dass eine Beziehung entsteht, die dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommt und dass die bestmögliche persönliche Entwicklung und soziale Integration des Minderjährigen gesichert ist.

...

§ 21

Pflegebewilligung

(1) Minderjährige unter 16 Jahren dürfen nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde in Pflege und Erziehung übernommen werden; sie erfolgt mit Bescheid und darf nur für ein bestimmtes Pflegeverhältnis erteilt werden.

...

§ 22

Voraussetzungen

(1) Die Pflegebewilligung darf nur erteilt werden, wenn

1.

die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 vorliegen und

2.

der Altersunterschied zwischen den Pflegeeltern (- personen) und dem Minderjährigen dem natürlichen Altersunterschied zwischen leiblichen Eltern und Kindern entspricht. Wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordert, sind Ausnahmen möglich.

...

§ 54

Hoheitliche Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörden

Die Bezirksverwaltungsbehörden vollziehen durch eigene Abteilungen:

              1.              die Pflegebewilligung (§§ 21 bis 24);

..."

Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, der im Gesetz geforderte natürliche Altersunterschied werde von ihnen auch bei Aufnahme eines Säuglings eingehalten, zumal es in der Natur vorkomme, dass Personen in einem weit höheren Alter als dem der Beschwerdeführer noch Eltern würden. Dazu komme, dass gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 letzter Satz NÖ JWG von dieser Voraussetzung Ausnahmen möglich seien, wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordere, was bei der "Adoption eines indischen Kleinkindes aus einem Waisenhaus" generell angenommen werden könne.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Während die Pflegebewilligung nur für ein bestimmtes Pflegeverhältnis erteilt werden darf (§ 21 Abs. 1 NÖ JWG), ist eine - von einem bestimmten Pflegeverhältnis unabhängige - Feststellung der Eignung nach dem NÖ JWG nur für Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt vorgesehen (§ 9 Abs. 1 iVm § 11 Abs. 1 NÖ JWG). § 9 Abs. 3 NÖ JWG legt überdies fest, dass eine Feststellung der Eignung für solche Aufgaben nicht erforderlich ist, die nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig (§§ 21 und 35) oder anzeigepflichtig (§ 40) sind.

Die Beschwerdeführer - die selbst nicht vorbringen, eine derartige Einrichtung zu betreiben - haben in ihrem Antrag vom 17. Dezember 2003 nicht die Erteilung einer Pflegebewilligung für ein bestimmtes Pflegeverhältnis beantragt; welches konkrete Kind in Pflege und Erziehung genommen werden soll, blieb offen. Vielmehr bezog sich der wiedergegebene Antrag der Beschwerdeführer auf die Ausstellung einer Bestätigung über ihre Eignung, nicht aber auf Erteilung einer Pflegebewilligung. Die bescheidmäßige Erledigung eines solchen Antrages sieht das Gesetz aber wie dargestellt nicht vor.

In ihrer Stellungnahme vom 3. Juni 2004 erklärten die Beschwerdeführer, den "Antrag auf dringende und eilige Pflegestellenbewilligung" zu "wiederholen". In der Berufung schließlich haben die Beschwerdeführer zwar beantragt, "die Pflegestellenbewilligung zu erteilen", sich aber auch dabei nicht auf ein konkretes Pflegeverhältnis bezogen; selbst im Beschwerdeverfahren bleibt offen, welches Kind in Pflege genommen werden soll, wenn etwa das Alter mit "beispielsweise eineinhalb Jahren" angegeben wird.

Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung wäre die (örtlich und sachlich zuständige) Verwaltungsbehörde nur dann zur Erlassung eines Feststellungsbescheides befugt, wenn hiefür ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen (vgl. die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 203ff zu § 56 AVG zitierte hg. Judikatur).

Ein im öffentlichen Interesse (oder im rechtlichen Interesse einer Partei) gegründeter Anlass zur Erlassung eines Feststellungsbescheides liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2004, Zl. 2000/17/0245). Wegen der grundsätzlichen Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden wäre die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides zu verneinen, wenn die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden ist (vgl. die in Walter/Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 212f zu § 56 AVG zitierte hg. Judikatur). Die Frage der Eignung der Beschwerdeführer ist im Verfahren nach § 21 NÖ JWG - Erteilung der Pflegebewilligung - unter Bezugnahme auf ein "bestimmtes Pflegeverhältnis" zu prüfen, weshalb ein vorangehender Feststellungsbescheid unzulässig ist.

Schon die erstinstanzliche Behörde hätte deshalb den Antrag der Beschwerdeführer zurückweisen müssen. Durch Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung hat die belangte Behörde - mangels gesetzlicher Grundlage - den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Juni 2005

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110037.X00

Im RIS seit

02.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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