TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/28 2003/01/0533

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Veröffentlicht am 28.06.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §63 Abs5;
ZustG §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des J A in S, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. September 2003, Zl. 224.022/0-V/14/01, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juni 2001 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 28. November 2000 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 13. September 2001 Berufung erhoben.

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 27. September 2001 dem Beschwerdeführer die verspätete Erhebung seines Rechtsmittels vorgehalten und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2001 brachte der Beschwerdeführer zu diesem Verspätungsvorhalt vor, dem Zustellorgan sei (von der Hauptmieterin und Verfügungsberechtigten) wiederholt mitgeteilt worden, dass für die Wohnung (Abgabestelle) 1030 Wien, Dampfschiffstraße 8/8, "Hinterlegungen im Postfach" deshalb nicht vorgenommen werden sollen, weil die am Hausgang angebrachten Postfächer häufig aufgebrochen und die "Hinterlegungszettel" daraus entnommen würden. Der Zusteller sei gleichzeitig informiert worden, dass die Bewohner dieser Wohnung über keine Personaldokumente verfügten; aus diesem Grund sei dafür gesorgt, dass "ständig jemand in der Wohnung anwesend ist und die Post entgegen nimmt." Die Hinterlegung (des Bescheides) sei daher nicht notwendig gewesen, und sie sei entgegen der (dem Zusteller) erteilten Information erfolgt. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer erst am 30. August 2001 am Bundesasylamt ausgefolgt (übergeben) worden.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. September 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juni 2001 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensverlaufes aus, der Bescheid des Bundesasylamtes sei (nach dem Rückschein) am 20. Juni 2001 zugestellt worden. Die zweiwöchige Rechtmittelfrist habe am 20. Juni 2001 zu laufen begonnen und am 4. Juli 2001 geendet. Es sei unbestritten, dass die Berufung erst am 13. September 2001 - und daher verspätet - eingebracht worden sei. Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vorgebrachten Gründe hätten außer Betracht zu bleiben, weil nicht zu prüfen sei, ob ihn an der Versäumung ein Verschulden treffe; diese Gründe könnten allenfalls im Rahmen einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer wiederholt in seiner Beschwerde im Wesentlichen sein schon in der Stellungnahme vom 12. Oktober 2001 erstattetes Vorbringen.

Mit diesem Vorbringen, das der Beschwerdeführer (nicht in einem Wiedereinsetzungsverfahren, sondern) auf Grund des Verspätungsvorhaltes erstattete und inhaltlich die Wirksamkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides betrifft, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.

Die belangte Behörde hat unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er habe zur Vermeidung einer Hinterlegung in der von ihm als "unsicher" angesehenen Hausbrieffachanlage Vorkehrungen getroffen, der Sache nach (auch) bestritten hat, dass die am Rückschein beurkundeten Zustellversuche tatsächlich erfolgten. Auch wenn eine zu eigenen Handen zuzustellende Sendung gemäß § 21 Abs. 1 Zustellgesetz (anders als Zustellungen gemäß § 16 leg. cit.) nur an den Beschwerdeführer (als Empfänger) und nicht einem Ersatzempfänger zugestellt werden durfte, konnte der Zusteller eine allfällige Abwesenheit des Beschwerdeführers erst aufgrund eines (tatsächlich an der Abgabestelle vorgenommenen) Zustellversuches annehmen. Träfe es - wie in der Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Verspätungsvorhalt behauptet - zu, dass in der Wohnung (gemeint wohl: zumindest zu der für die Postzustellung in Frage kommenden Tageszeit) "ständig jemand anwesend" gewesen und der Zusteller überdies ersucht worden sei, keine "Hinterlegungen im Postfach" vorzunehmen, so wäre es im Falle gesetzmäßigen Vorgehens des Zustellers (nämlich dann, wenn er tatsächlich erst nach Aufsuchen der Wohnung die Benachrichtigungen in das Postfach eingelegt hätte) nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass einerseits der Beschwerdeführer - auch wenn er selbst zu den Zeitpunkten der beiden Zustellversuche jeweils nicht anwesend gewesen sein sollte -

von den Zustellversuchen und der Hinterlegung nichts erfahren haben sollte und andererseits sowohl die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches als auch die Verständigung über die Hinterlegung nicht an der Abgabestelle zurückgelassen, sondern entgegen dem nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ausdrücklich geäußerten Wunsch der Wohnungsinhaberin in das Hausbrieffach eingelegt worden sein sollten, wie dies auf dem Rückschein vermerkt wurde. Das Vorbringen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers war daher geeignet, zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen, weshalb die belangte Behörde - als Voraussetzung für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Zustellung - Feststellungen darüber zu treffen gehabt hätte.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010533.X00

Im RIS seit

29.07.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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