TE OGH 1985/7/11 8Ob542/85

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Veröffentlicht am 11.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A WIEN

reg.GenmbH, Wien 2., Hollandstraße 2, vertreten durch Dr. Werner Masser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Rudolf B, Wien 7., Neubaugürtel 28/E/1, vertreten durch Dr. Ewald Weninger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 428.101,96 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Dezember 1984, GZ 14 R 278/84-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes f. ZRS Wien vom 2. Mai 1984, GZ 40 d Cg 161/83-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 12.318,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 1.119,90) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung von S 428.101,96 sA. Sie habe Adolf C mit dem Kreditvertrag vom 3.3.1981 einen Betriebsmittelkredit von 400.000 S gewährt. Grundlage für die Kreditgewährung sei ein vom Beklagten am 26.1.1981 über die im Eigentum des Kreditnehmers stehende Liegenschaft erstattetes Schätzungsgutachten gewesen, in dem der Schätzwert der Liegenschaft mit 4 Mill.S angegeben wurde. Wie sich jedoch im Zuge des diese Liegenschaft betreffenden Zwangsversteigerungsverfahrens herausstellte, sei der Schätzwert nur mit 220.000 S zu veranschlagen gewesen, weil die zur Liegenschaft gehörenden Grundstücke lediglich als landwirtschaftlich genutzte Flächen, nicht aber - wie vom Beklagten in seinem Gutachten angegeben - als Bauland einzustufen waren. Die Liegenschaft sei am 16.9.1982 zum Meistbot von 220.000 S versteigert worden. Die in COZ 36 sichergestellte Forderung der Klägerin habe im Meistbot keine Deckung gefunden, weil ihrem Pfandrecht Pfandrechte anderer Gläubiger in der Gesamthöhe von S 1,164.000 vorangingen. Die Klägerin habe sich im Vertrauen auf die Richtigkeit des vom Beklagten erstatteten Gutachtens und die von ihm vorgegebene Berufsqualifikation - er habe sich in diesem Gutachten unberechtigterweise als 'Architekt Ing. Rudolf B, Bausachverständiger und Schätzmeister' bezeichnet - zur Kreditgewährung an Adolf C bewegen lassen. Dadurch sei ihr ein Schaden in Höhe des Klagebetrages erwachsen, weil die Einbringlichkeit ihrer per 31.3.1982 in der Höhe des Klagebetrages fällig gestellten Forderung im Hinblick auf einen vergeblichen Exekutionsversuch und die Unbekanntheit des Aufenthaltes des Schuldners nicht gewährleistet sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß er das Gutachten nicht im Auftrag der Klägerin, sondern des Adolf C erstattet habe. Letzterer habe ihm das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Gleichenberg vom 18.12.1970 vorgelegt, aus dem hervorgegangen sei, daß es sich bei den in Rede stehenden Grundstücken um Bauland handelte. Auf dieser Basis habe er für seinen Auftraggeber das Gutachten erstattet. Sache der Klägerin wäre es gewesen, die für die Gewährung eines Hypothekarkredites erforderlichen Voraussetzungen zu überprüfen. Abgesehen davon wäre eine diesbezügliche Schadenersatzforderung, würde sie tatsächlich bestehen, noch gar nicht fällig, weil die Versuche der Klägerin, ihre Forderung einbringlich zu machen, offensichtlich noch nicht endgültig gescheitert seien. Der Beklagte habe sich nicht wahrheitswidrig eine Berufsqualifikation angemaßt; er besitze eine Qualifikation zur Schätzung von Liegenschaften, seine Eintragung in die Sachverständigenliste sei lediglich mangels eines Bedarfes unterblieben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf nachstehende

Feststellungen:

Adolf C war Eigentümer der Liegenschaft EZ 500

KG Gleichenberg. Im Jahre 1981 beauftragte er den Beklagten mit der Erstellung eines Schätzungsgutachtens dieser Liegenschaft, weil er diese verkaufen wollte. Der Beklagte besitzt die notwendige Sachkunde, um in die Liste der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen als Bausachverständiger eingetragen zu werden; mangels Bedarfes ist eine solche Eintragung bisher nicht erfolgt. Der Beklagte besichtigte die Liegenschaft und setzte sich sodann fernmündlich mit dem Gemeindeamt Gleichenberg in Verbindung, wo ihm gesagt wurde, daß von jenen Grundstücken, aus denen die Liegenschaft besteht, eines Bauland sei, die übrigen würden in naher Zukunft in Bauland umgewidmet werden. Auf der Grundlage dieser Auskunft erstellte der Beklagte das Schätzungsgutachten vom 26.1.1981, in welchem er von einem Wert in der Höhe von S 680 pro m 2 ausging. Dieses Gutachten wurde mit dem Namen des Beklagten - gemeint auch unter Verwendung des Wortes Architekt (siehe Beilage B) - und der Berufsbezeichnung 'Bausachverständiger und Schätzmeister' versehen. Der Beklagte übermittelte das Gutachten an Adolf C und hatte danach mit der Angelegenheit weiterhin nichts mehr zu tun. Adolf C wandte sich unter der Vorlage dieses Gutachtens an die Klägerin um Gewährung eines Kredites, wobei dieses Darlehen auf der genannten Liegenschaft hypothekarisch sichergestellt werden sollte. Der Klägerin war zwar bekannt, daß die Liegenschaft vorbelastet war, sie vertraute jedoch auf die Richtigkeit des Gutachtens des Beklagten, nach welchem der Wert der Liegenschaft nicht einmal bis zu ca. 60 bis 70 % vorbelastet war, sodaß die Darlehensforderung der Klägerin Deckung finden würde.

Da Adolf C mit den Rückzahlungsraten in Verzug geriet, wurde der Kredit von der Klägerin fälliggestellt. Er haftet in der Höhe der Klagesumme aus. Alle Exekutionsschritte gegen Adolf C blieben bisher erfolglos.

Im Zuge des Zwangsversteigerungsverfahrens wurde die Liegenschaft mit einem Wert von 40 S pro m 2 geschätzt, weil sie im Flächenwidmungsplan als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen und in den nächsten fünf Jahren eine Umwidmung in Bauland nicht möglich ist. Im Versteigerungsverfahren wurde der Wert der Liegenschaft ausgehend von diesem Preis pro m 2 festgesetzt. Die Klägerin kam im Meistbotsverteilungsverfahren mit ihrer Forderung nicht zum Zuge. Der Beklagte hatte niemals Kenntnis davon, daß Adolf C das von ihm erstellte Gutachten dazu gebrauchen würde, um bei der Klägerin ein Darlehen zu erlangen.

Nach Ansicht des Erstgerichtes hafte ein Sachverständiger grundsätzlich nur dem Besteller. Nur ausnahmsweise käme die Haftung einem Dritten gegenüber in Betracht, wenn der Besteller in einer für den Sachverständigen erkennbaren Weise bei der Bestellung des Gutachtens die Interessen jenes Dritten mitverfolge. Da nach den Urteilsfeststellungen keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme vorhanden waren, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Auszugehen sei mit dem Erstgericht davon, daß die Klägerin den Beklagten nicht als ihren Vertragspartner, den sie mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt hätte, sondern als Dritten in Anspruch nimmt, der zu ihr in keiner vertraglichen Beziehung steht. Nach Lehre und Rechtsprechung sei die Ersatzpflicht des Sachverständigen grundsätzlich nur gegenüber dem aus dem Schuldverhältnis Berechtigten gegeben. Dem durch mangelhafte Erfüllung eines Auftrags nur mittelbar Geschädigten sei ein Klageanspruch versagt. Nur im Falle des dolosen oder sittenwidrigen Zusammenspiels zwischen dem Auftraggeber und dem Sachverständigen oder in Fällen, in denen dem Vertragspartner als vertragliche Nebenpflicht eine Schutzpflicht gegenüber solchen dritten Personen, die der Vertragsleistung nahestehen, oblag, seien Ausnahmen gemacht worden. Dergleichen komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil weder ein solches Zusammenspiel zwischen Sachverständigem und Kreditnehmer behauptet oder bewiesen wurde noch die Verletzung einer derartigen Nebenpflicht erfolgte. Da der Beklagte bei der Erstellung des Gutachtens keine bloß Ziviltechnikern vorbehaltene Gutachtertätigkeit ausgeübt habe, was sich aus §§ 5 und 6 ZiviltechnikerG ergebe, sondern nur eine solche, zu der er auch ohne Eintragung in die Sachverständigenliste auf Grund seiner festgestelltermaßen gegebenen Sachkunde berechtigt war, habe er nicht gegen den Schutzzweck des § 2 ZiviltechnikerG verstoßen. Die Klägerin als Dritter könne jedenfalls aus den angeführten Gründen daraus keinen Schadenersatzanspruch ableiten.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin argumentiert in der Revision dahin, daß der Beklagte ihr gegenüber a) sowohl als Sachverständiger gemäß § 1300 ABGB hafte als auch b) wegen der Verletzung der Schutznorm des § 2 ZiviltechnikerG haftpflichtig sei. Ihre Ausführungen sind jedoch nicht stichhältig:

a) Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kommt eine Haftung des Sachverständigen gegenüber Dritten nur ausnahmsweise in Betracht (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 189 f; Welser, die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 84 ff, 98; Bydlinski JBl 1965, 320 f; JBl 1965, 319; SZ 9/76; SZ 16/143; SZ 43/236; JBl 1981, 319; 3 Ob 547/84 ua). Eine solche Ausnahme wird bei deliktischer Verantwortlichkeit - die kein besonderes Vertragsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem voraussetzt, sondern gegenüber jeder beliebigen Person eintreten kann - dann zu machen sein, wenn eine absichtliche, sittenwidrige Schadenszufügung erfolgt (Welser, BankArch.120, Bydlinksi aaO 321), wenn der Sachverständige in doloser Weise und im Einverständnis mit dem Auftraggeber ein falsches Gutachten abgibt oder sonst ein sittenwidriges Zusammenspiel vorliegt (JBl 1965, 319; 3 Ob 547/84 ua). In dieser Richtung liegen keine Beweisergebnisse vor. Eine Haftung für die Auskunftserteilung gegenüber Dritten wäre dann anzunehmen, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar, gerade (auch) die Interessen eines - oder mehrerer bestimmter - Dritten(r) bei der Bestellung des Gutachtens mitverfolgt (Bydlinski aaO 321, Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 85, SZ 34/39, JBl 1981, 319; 5 Ob 547/84 ua); in diesem Fall liegt ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor (Welser aaO 84 f). Welche diese bestimmten dritten Personen sind, für die die Auskunft eine geeignete Vertrauensgrundlage darstellen, ihnen als Richtschnur dienen soll, richtet sich nach der Verkehrsübung, wobei darauf zu achten ist, für welche Zwecke das Gutachten erstattet wurde (Welser aaO 88; im gleichen Sinn bereits SZ 16/143, 6 Ob 475/60). Nicht in Frage kommt eine Verantwortlichkeit gegenüber beliebigen Personen im Zweifel auch dann nicht, wenn der Gutachter weiß, daß seine Stellungnahme verbreitet werden soll (Welser aaO 88; iglS Bydlinski aaO 321, iglS Canaris, Bankvertragsrecht 2 53 f; 3 Ob 547/84). Auch in dieser Richtung liegen keine die Anspruchsbehauptung der Klägerin stützenden Beweisergebnisse vor. Im Gegenteil, die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, daß der Beklagte keine Kenntnis davon hatte, wonach Adolf C das Gutachten dazu verwenden werde, um bei der Klägerin ein Darlehen zu erlangen.

b) Gemäß § 2 Abs 1 ZivTG, BGBl.1957/146, dürfen die Berufsbezeichnungen 'Ziviltechniker', 'Architekt', 'Ingenieurkonsulent' und 'Zivilingenieur' nur von Personen geführt werden, denen eine solche Befugnis verliehen wurde. Gemäß § 2 Abs 2 leg.cit. ist auch die Führung von Berufsbezeichnungen verboten, die auf irgend eine Art, insbesondere durch den Hinweis auf eine den Ziviltechnikern (Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieuren) vorbehaltene Tätigkeit den Anschein zu erwecken geeignet sind, daß es sich um eine Berufsausübung handelt, die an eine solche Befugnis gebunden ist. Durch das Verbot der Führung der genannten Berufsbezeichnungen durch Unbefugte sollen die Öffentlichkeit, insbesondere die Wirtschaftstreibenden, vor Schädigung durch Vortäuschung nicht voll entsprechender Leistungsmöglichkeiten bewahrt werden (ÖBl.1977, 119; 4 Ob 329/77; 4 Ob 398/81 ua). In dem mit 'Inhalt und Umfang der Befugnisse' überschriebenen § 5 wird festgelegt, daß die Ziviltechniker auf Grund ihrer Befugnis in allen Zweigen ihres Fachgebietes zu verschiedenen, im einzelnen aufgezählten, Tätigkeiten, darunter auch zur Abgabe von Gutachten, Schätzungen und Berechnungen (Abs 1 lit e) 'berechtigt' sind. Der mit 'weitere Befugnisse' überschriebene § 6 legt dagegen fest, daß Ziviltechniker unbeschadet der den Gewerbetreibenden und den autorisierten überwachungsstellen zustehenden Befugnisse zur freiberuflichen und entgeltlichen Ausführung der dort genannten Aufgaben 'allein berechtigt' sind. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (aaO S.15) wird dazu ausgeführt, daß durch § 5 der Umfang der Befugnisse, und zwar in den Absätzen 1 und 3 allgemein und im Absatz 2 zwischen den einzelnen Fachgebieten, abgegrenzt werden soll, und der § 6 'weitere' Befugnisse aufzählt, die den Ziviltechnikern 'allein' zustehen. Unter den von § 6 betroffenen Tätigkeiten ist die Gutachtertätigkeit nicht enthalten. Der Schutzzweck, der sich aus den zitierten Bestimmungen ableiten läßt, betrifft daher den Umstand, daß nicht Leistungsmöglichkeiten vorgetäuscht werden, die gar nicht bestehen. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden; die Vorinstanzen haben im Gegenteil festgestellt, daß der Beklagte einerseits sehr wohl zur Abgabe von Schätzungsgutachten der in Rede stehenden Art befähigt war. Daß er dazu andererseits nicht berechtigt gewesen wäre, ist den zitierten Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes nicht zu entnehmen. Er hat daher gegen den Schutzzweck des Ziviltechnikergesetzes, wie er oben dargestellt wurde, nicht verstoßen. Die dagegen vorgebrachten Argumente der Revisionswerberin gehen an den im wesentlichen bereits vom Berufungsgericht ausgeführten Argumenten vorbei. Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E06299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00542.85.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19850711_OGH0002_0080OB00542_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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