TE OGH 1985/8/28 6Ob626/85

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Veröffentlicht am 28.08.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Zehetner und Dr. Riedler als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin A Gesellschaft mbH, Wien 1., Rosengasse 4, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegnerinnen

1.

Margarethe B, Pensionistin, Graz, Alte Post-Straße 139,

2.

Irene C, Angestellte, Graz-St. Peter, Hauptstraße 33 c, beide vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Regelung der Rechtsverhältnisse am Miteigentum, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerinnen, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 4. Juni 1985, GZ 1 b R 34/85-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 28. Dezember 1984, GZ 5 Nc 305/84-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist zu 3/4-Anteilen, die Antragsgegnerinnen sind zu je 1/8-Anteil Miteigentümer der Liegenschaft EZ 74 KG Innsbruck. Die Antragsgegnerinnen sind außerdem gemeinsam Mieter des rechts vom Hauseingang im Erdgeschoß dieses Hauses gelegenen Geschäftslokales. Früher waren sie auch Mieter einer Wohnung im dritten Stock dieses Hauses. Die mit Ermächtigung des Erstgerichtes (Beschluß vom 21. Februar 1980, 5 Nc 1/80-7) eingebrachte gerichtliche Aufkündigung der Mietverhältnisse über beide Bestandobjekte war letztlich hinsichtlich der Wohnung für rechtswirksam erklärt, hinsichtlich des Geschäftslokales aber aufgehoben worden, weil ein Verzicht der Antragstellerin auf die Aufkündigung wegen Untervermietung dieses Lokales als erwiesen angenommen worden war.

Die Antragstellerin begehrte erneut, die Zustimmung der Antragsgegnerinnen zur Einbringung einer Aufkündigung des Mietvertrages über das Geschäftslokal aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 Z 3 und 4 MRG zu ersetzen. Sie brachte zur Begründung vor, die Auflösung des Bestandverhältnisses sei zum offenbaren Vorteil der Gemeinschaft, weil ein weit höherer als der derzeit von den Mieterinnen geleistete Zins, nämlich etwa 25.000 S monatlich, erzielt werden könnte. Die Kündigung solle sich darauf stützen, daß die Mieterinnen nach Auflösung des Untermietverhältnisses mit Johann D, dem die Antragstellerin zugestimmt habe, neuerlich zu einem unverhältnismäßig hohen Unterbestandzins von nunmehr 25.000 S monatlich das Geschäftslokal an einen Dritten untervermietet hätten, was durch die seinerzeitige Zustimmung der Antragstellerin nicht gedeckt sei. Ferner habe der Untermieter im Zusammenwirken mit den Antragsgegnerinnen eigenmächtig einen wesentlichen Umbau des Geschäftslokales vorgenommen.

Die Antragsgegnerinnen sprachen sich gegen die Erteilung der Ermächtigung zur Aufkündigung aus und wendeten ein: Der im Verfahren 11 C 322/80 des Erstgerichtes vom Berufungsgericht festgestellte Verzicht der Antragstellerin auf die Heranziehung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG sei uneingeschränkt erfolgt. In dieser Hinsicht liege eine rechtskräftig entschiedene Streitsache vor. Nach dem Tode des früheren Untermieters Johann D hätten die Antragsgegnerinnen an eine dritte Person untervermietet, weil sie ihren Lebensunterhalt aus dem Erlös der Untervermietung bestritten. Die Antragsgegnerinnen hätten sich keineswegs rücksichtslos und grob ungehörig verhalten. Johann D habe das Geschäftslokal in einem desolaten Zustand hinterlassen. Der nunmehrige Untermieter habe diesen Zustand nur saniert, allerdings in diesem Zusammenhang auch das Portal durch ein neues ersetzt, dabei die Eingangstür schräg angebracht und eine hintere Ausgangstüre zur Stiftgasse geschaffen. Dort sei früher einmal eine Tür vorhanden gewesen, jedoch vor vielen Jahren zugemauert worden. Die beabsichtigte Aufkündigung sei bedenklich und offenbar aussichtslos. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß nach Auflösung des Mietverhältnisses die Aussicht bestünde, die Räume für die Gesamtheit besser verwerten zu können.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab. Es vertrat die Auffassung, der Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG stehe das Hindernis der Rechtskraft entgegen. Ob die Umbauarbeiten den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 3 MRG verwirklichten, sei nicht zu prüfen. Die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG sei aussichtslos und schon deshalb nicht zum Vorteil der Miteigentumsgemeinschaft. Dies treffe zwar nicht für die Aufkündigung aus dem Grunde des § 30 Abs. 2 Z 3 MRG zu, eine solche Aufkündigung wäre aber nur zum Vorteil der Mehrheit der Miteigentümer, nämlich der Antragstellerin, und nicht zum Vorteil der Gesamtheit der Miteigentümer.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der Antragstellerin diesen Beschluß dahin ab, daß es die Antragstellerin ermächtigte, das Mietverhältnis betreffend das rechts vom Hauseingang im Erdgeschoß gelegene Geschäftslokal des Hauses Innsbruck, Burggraben 17 (Stiftgasse 11), gerichtlich aufzukündigen. Es führte dazu aus:

Die Aufkündigung eines Bestandverhältnisses mit Miteigentümern der Liegenschaft stelle nach herrschender Ansicht nicht eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung dar, sondern gehöre zu den wichtigen Veränderungen nach § 834 ABGB. Die Antragstellerin benötige daher hiezu, obwohl sie Mehrheitseigentümerin sei, mangels Zustimmung der Antragsgegnerinnen die Ermächtigung durch den Außerstreitrichter nach § 835 ABGB. Bei der Beurteilung, ob die fehlende Zustimmung von Miteigentümern zu ersetzen sei, komme es darauf an, ob die beabsichtigte Maßnahme vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig sei. Dabei sei auf das Interesse der Gesamtheit der Miteigentümer, also auf die Miteigentümergemeinschaft als solche, abzustellen. Zutreffend habe das Erstgericht erkannt, daß die Frage des Vorliegens der in Aussicht genommenen Kündigungsgründe an sich nicht näher zu prüfen sei. Dies müsse dem Kündigungsstreit vorbehalten bleiben. Nur dann, wenn sich bereits im außerstreitigen Verfahren ergebe, daß die Aufkündigung offenbar aussichtslos sei, komme 'eine Genehmigung' nicht in Betracht, weil eine offenbare aussichtslose Aufkündigung nicht vorteilhaft für die Eigentümergemeinschaft sein könne. Von offenbarer Aussichtslosigkeit der von der Antragstellerin angestrebten Aufkündigung könne aber nicht gesprochen werden. Im Verfahren 11 C 322/80 des Erstgerichtes sei zwar vom Berufungsgericht festgestellt worden, daß sich die Antragstellerin (dort Klägerin) anläßlich der Umbauarbeiten in den Jahren 1963/64 mit der gänzlichen Untervermietung des strittigen Geschäftslokales durch die damalige Miteigentümerin und Mieterin Ludmilla E an Johann D in Kenntnis eines im Verhältnis zu dem von Ludmilla E entrichteten Mietzins überhöhten Untermietzinses einverstanden erklärt und zugestanden habe, daraus keinen Kündigungsgrund abzuleiten, ohne daß von einer Beschränkung des Kündigungsverzichtes auf die Person der Ludmilla E die Rede gewesen sei. Die Antragstellerin mache aber geltend, daß sich die Sachlage geändert habe, indem nach Beendigung des Bestandverhältnisses mit Johann D das Geschäftslokal an einen anderen Untermieter zu einem neuerlich wesentlich höheren Zins weitergegeben worden sei. Schon wegen dieser anderen Behauptungen werde der neuen Aufkündigung das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache nicht entgegenstehen und es könne auch nicht von vornherein gesagt werden, daß die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes geradezu aussichtslos sei. Ob von der Zustimmung der Antragstellerin auch die gänzliche Untervermietung an eine von Johann D verschiedene Person umfaßt gewesen sei, sei im Vorverfahren nicht geprüft worden. Vor allem aber beabsichtige die Antragstellerin, den weiteren Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 3 MRG geltend zu machen. Daß der nunmehrige Untermieter - offenbar mit Billigung der Antragsgegnerinnen - neben bloßen Sanierungsarbeiten auch das Portal erneuert und das Äußere des Hauses zumindest in gewissem Maße verändert habe, hätten die Antragsgegnerinnen nicht bestreiten können. Eigenmächtige Umbauten, durch die sogar das äußere Erscheinungsbild des Hauses beeinflußt würde, könnten ebenso wie das Ausbrechen einer Tür in der hinteren Außenmauer des Hauses sehr wohl den angeführten Kündigungsgrund verwirklichen. Keinen Einfluß habe dabei, daß, wie die Antragsgegnerinnen behaupteten, vor vielen Jahren eine Hintertür bereits vorhanden gewesen und zugemauert worden sei, und auch die Antragstellerin selbst Änderungen an dem von ihr benützten Geschäftslokal vorgenommen habe. Es werde nämlich darauf ankommen, ob wichtige Gründe für die Aufkündigung des Mietvertrages mit den Antragsgegnerinnen vorlägen, und nicht darauf, ob die Antragstellerin ihrerseits ebenfalls Grund zur Aufkündigung eines anderen Mietverhältnisses 'geboten' habe. Schließlich sei auch davon auszugehen, daß im Falle erfolgreicher Aufkündigung des Mietverhältnisses mit den Antragsgegnerinnen eine günstigere Vermietung des Geschäftslokales möglich sein werde. Der von den Antragsgegnerinnen als Mieterinnen des Geschäftslokales bezahlte Mietzins übersteige nach der Aktenlage jedenfalls nicht den Betrag von 1.000 S monatlich. Daß eine für die Bestandgeber erheblich günstigere Vermietung möglich wäre, ist nicht nur im Hinblick auf die offenkundige gute Geschäftslage nach allgemeiner Erfahrung anzunehmen, sondern ergebe sich auch daraus, daß die Antragsgegnerinnen das Lokal zu einem den von ihnen bezahlten Bestandzins weit übersteigenden Zins hätten untervermieten können. Sie hätten zwar nicht die von der Antragstellerin behauptete Höhe des Untermietzinses von 25.000 S zugestanden, wohl aber erklärt, aus den Erträgnissen der Untervermietung ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Vermietung des Lokales zu einem erheblich höheren Mietzins als bisher liege aber im Interesse der Eigentümergemeinschaft, also der Gesamtheit der Miteigentümer. Daß die Antragsgegnerinnen ein Interesse daran hätten, das Mietverhältnis, das ihnen die Erzielung erheblicher Einnahmen aus der Untervermietung ermögliche, aufrecht zu erhalten, stehe dem nicht entgegen, weil dieses Interesse nicht aus ihrer Stellung als Miteigentümerinnen, sondern aus der davon zu trennenden Rechtsstellung als Mieterinnen entspringe, auf die es bei dieser Entscheidung nicht ankomme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs (richtig Revisionsrekurs) der Antragsgegnerinnen ist nicht berechtigt.

Die Antragsgegnerinnen beharren in ihrem Revisionsrekurs darauf, daß die auf § 30 Abs. 2 Z 4 MRG gestützte Kündigung aussichtslos sei, weil ihr der Einwand der res iudicata entgegenstehe. Im Verfahren 11 C 322/80 des Erstgerichtes sei nämlich festgestellt worden, daß die nunmehrige Antragstellerin gegenüber den Antragsgegnerinnen ohne Einschränkung die Erklärung abgegeben habe, wegen der gänzlichen Untervermietung des Geschäftslokales von einer auf den Kündigungsgrund der Untervermietung zu einem im Verhältnis zum Hauptmietzins wesentlich höheren Untermietzins gestützten Aufkündigung keinen Gebrauch zu machen.

Die Antragsgegnerinnen verkennen bei diesem Vorbringen, daß der Einwand der entschiedenen Rechtssache schon deshalb nicht berechtigt sein kann, weil wegen des verschiedenen Kündigungstermines keine Identität des Streitgegenstandes gegeben ist (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1187; MietSlg. 35.773). Darauf, welche Feststellungen im Vorverfahren getroffen wurden, kommt es bei der Entscheidung der Frage nicht an. überdies sind die Feststellungen von Tatsachen in jedem Rechtsstreit ohne Bindung an die Beurteilung in einem Vorprozeß zu treffen (SZ 55/116).

Von einer Aussichtslosigkeit der auf deesen Kündigungsgrund gestützten Aufkündigung wegen des Einwandes der res iudicata - andere Gründe für die Aussichtslosigkeit einer auf diesen Kündigungsgrund gestützten Aufkündigung wurden gar nicht behauptet - kann daher keine Rede sein.

Die Antragsgegnerinnen vermögen auch gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, die beabsichtigte Aufkündigung könne zum Vorteil der Gesamtheit der Miteigentümer dienen, während die Antragsgegnerinnen aus der Untervermietung nicht in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerinnen, sondern in ihrer Eigenschaft als Mieterinnen Vorteile zögen, nichts vorzubringen, weshalb ein Hinweis auf diese Ausführungen genügt.

Bezüglich des Kündigungsgrundes des § 30 Abs. 2 Z 3 MRG führen die Antragsgegnerinnen aus, der Genehmigung der Kündigung stehe entgegen, daß die Antragstellerin selbst nicht behauptet habe, die von der Firma F vorgenommenen Arbeiten hätten ihr das Zusammenleben verleidet; auch von einem rücksichtslosen oder grob ungehörigen Verhalten könne keine Rede sein.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - nur zur Einbringung einer aussichtslosen Aufkündigung eine Ermächtigung nicht erteilt werden darf und erst im Verfahren über die Aufkündigung das Vorliegen der in Aussicht genommenen Kündigungsgründe näher zu prüfen ist. Das Fehlen der nach Meinung der Antragsgegnerinnen erforderlichen Behauptung schadet nicht, weil einerseits das von der Antragstellerin zum Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 3 MRG erstattete Vorbringen eher unter den ersten Fall dieser Bestimmung (nachteiliger Gebrauch), als unter den zweiten Fall (unleidliches Verhalten) subsumiert werden kann, und andererseits die Nachholung einer allenfalls erforderlichen Behauptung in der Aufkündigung möglich ist. Die Antragsgegnerinnen versuchen auch gar nicht darzulegen, daß die Aufkündigung bei Subsumierung unter den ersten Fall der genannten Bestimmung aussichtslos wäre.

Die Antragsgegnerinnen führen weiter aus, die Antragstellerin habe dem Gericht eine Aufkündigung zum 31. März 1985 zur Genehmigung vorgelegt, eine Aufkündigung zu diesem Termin sei rechtlich aber nicht mehr möglich.

Letzteres ist zwar richtig. Die Antragsgegnerinnen übersehen aber, daß das Rekursgericht ohnehin nicht die Ermächtigung zur Einbringung einer Aufkündigung zu diesem Termin, sondern ohne Beschränkung auf einen Termin erteilt hat. Dies stellt keinen Verfahrensverstoß dar, weil das Begehren der Antragstellerin nicht dahin verstanden werden darf, sie habe die Genehmigung der Aufkündigung ausschließlich zum Termin 31. März 1985 verlangt, sondern im Zusammenhalt mit dem Vorbringen vielmehr davon auszugehen ist, daß die Antragstellerin die Genehmigung der auf die von ihr angeführten Tatsachen gestützten Aufkündigung anstrebt, auch wenn dies nicht zu dem in der Aufkündigung genannten, sondern nur zu einem späteren Termin möglich ist.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E06258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00626.85.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19850828_OGH0002_0060OB00626_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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