TE OGH 1985/8/28 1Ob635/85

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Veröffentlicht am 28.08.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel (Vorsitz) und Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Wurz und Dr.Hofmann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj.Niki A, geboren 2.11.1977, infolge Revisionsrekurses der Mutter Friederike B, Hausfrau, Peggau 153, vertreten durch Dr.Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 3.Mai 1985, GZ.3 R 146/85-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frohnleiten vom 8.März 1985, GZ.P 83/82-64, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Punkt 5 des erstgerichtlichen Beschlusses werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Niki A wurde am 2.11.1977 als nichteheliches Kind der Staatsbürgerin der Bundesrepublik Deutschland Friederike A in C geboren. Niki A war ab Geburt Staatsbürgerin der Bundesrepublik Deutschland. Am 18.12.1977 ehelichte Friederike A in C den iranischen Staatsbürger Dipl.Ing.Mohammad D.

Im Jahre 1979 nahm die Mutter mit dem Kind in Österreich ihren Wohnsitz. Sie beantragte am 27.2.1980 beim Bezirksgericht für ZRS E, ihr die Vormundschaft über die Minderjährige zu übertragen. Dipl.Ing.Mohammad D sei zwar der Vater des Kindes, habe aber ein Vaterschaftsanerkenntnis bisher nicht abgegeben. Mit Beschluß vom 5.5.1980, 21 P 50/80-6, bestellte dieses Gericht die Mutter zur Vormünderin der Minderjährigen. Die Ehe der Mutter mit Dipl.Ing.Mohammad D wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS E vom 11.12.1980, 17 Cg 132/80, rechtskräftig geschieden. Am 8.5.1981 ehelichte die Mutter den österreichischen Staatsbürger Johann B; sie ist seither in F wohnhaft. Der Minderjährigen wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11.1.1982, Zl.2-11/I Za 38- 82/6, mit Wirkung vom 1.2.1983 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Ein Antrag des Ehegatten der Mutter, den zwischen der Minderjährigen, vertreten durch ihren Vormund, und ihm am 1.2.1983 abgeschlossenen Adoptionsvertrag zu bewilligen, wurde von ihm, nachdem das Rekursgericht die Bewilligung des Beschlusses des Erstgerichtes über Rekurse des Dipl.Ing.Mohammad D zweimal aufgehoben hatte, am 26.9.1983 zurückgezogen. Beide Instanzen gingen davon aus, daß Dipl.Ing. Mohammad D durch Anerkennung der eheliche Vater der Minderjährigen sei. Am 29.6.1982 beantragte Dipl.Ing.Mohammad D unter der Behauptung, er sei der eheliche Vater der Minderjährigen, ihm ein Recht auf Besuch des Kindes einzuräumen. Er erhebe keine Einwände dagegen, daß die im § 144 ABGB genannten Rechte und Pflichten auf die Mutter übertragen werden. Während die Mutter vorerst einwendete, sie habe nichts dagegen, daß Dipl.Ing. Mohammad D die Minderjährige bei ihr in der Wohnung besuche (S 29 dA), brachte sie später unter Vorlage des Auszuges aus dem Geburtsregister des Standesamtes I in G Nr.579/1978 vor, die Minderjährige sei nichtehelich, der Antragsteller sei nicht der Vater des Kindes.

Dipl.Ing.Mohammad D replizierte unter Vorlage einer von der Botschaft der Islamischen Republik Iran ausgestellten Geburtsurkunde, daß seine Vaterschaft zur Minderjährigen bestätigt worden sei, er habe die Vaterschaft zur Minderjährigen anerkannt und habe auch Unterhalt bezahlt. Durch die in C erfolgte Eheschließung sei das Kind legitimiert worden. Zwei Beschlüsse des Erstgerichtes, mit denen einmal der Antrag des Dipl.Ing.Mohammad D auf Besuchsregelung abgewiesen (ON 31) sowie ein weiterer, mit dem ihm ein Besuchsrecht eingeräumt wurde (ON 60), wurden jeweils vom Rekursgericht aufgehoben (ON 42 und 63).

Schließlich räumte das Erstgericht dem Dipl.Ing.Mohammad D ein Besuchsrecht alle drei Monate am ersten Wochenende ein. Bei den ersten drei Ausübungen des Besuchsrechts habe eine Vertrauensperson des Kindes anwesend zu sein. Das Besuchsrecht könne aber von Dipl.Ing.Mohammad D nur unter der Auflage ausgeübt werden, daß er den Reisepaß des Kindes für die Dauer der Besuchszeit der Mutter aushändige (Punkt 5). Da durch vom Kindesvater ausgesprochene Drohungen und seine religiös bedingten Anschauungen begründeten Unsicherheitsmomente nicht völlig hätten ausgeräumt werden können, sei es zweckmäßig, das Besuchsrecht nur unter der Auflage der Aushändigung des Reisepasses der Minderjährigen an die Mutter einzuräumen; diese Maßnahme sei sicherlich auch geeignet, die Befürchtungen der Mutter und ihre dadurch bedingte ablehnende Einstellung abzubauen.

Das Rekursgericht gab mit dem Beschluß vom 18.6.1985, 3 R 207/85-77, dem Rekurs der Mutter nicht Folge, mit dem angefochtenen Beschluß aber dem Rekurs des Dipl.Ing.Mohammad D Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die erteilte Auflage bei Ausübung des Besuchsrechtes, den Reisepaß des Kindes für die Dauer der Besuchszeit der Mutter auszuhändigen, zu entfallen habe. Solange der Vater durch sein Verhalten keinen Anlaß zu einem Mißtrauen gebe, seien allzu einschränkende Bedingungen ausgeschlossen. Konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Entführung des Kindes durch den Vater lägen nicht vor und seien auch nicht aus den Akten zu ersehen. Im übrigen enthalte der Beschluß auch keine Feststellungen darüber, daß der Vater einen Reisepaß für das Kind besitze, so daß eine Identifizierung eines solchen Dokumentes nicht möglich sei. Seine Befürchtungen, daß dadurch zusätzliche Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechtes eintreten könnten, seien daher nicht unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt. Die Mutter ließ den Beschluß des Rekursgerichtes, daß Dipl.Ing.Mohammad D als ehelichem Vater grundsätzlich ein Besuchsrecht zustünde, unangefochten. Die Einräumung eines Besuchsrechtes wurde demnach rechtskräftig (vgl.RZ 1985/35). Ob Dipl.Ing. Mohammad D von den Vorinstanzen zu Recht als ehelicher Vater angesehen wurde, kann, da diese Vorfrage mit der Einräumung des Besuchsrechtes mit entschieden wurde, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden.

Zutreffend wendet sich aber die Mutter dagegen, es seien, um zu verhindern, daß Dipl.Ing.Mohammad D mit dem Kind nach dem Iran ausreise, keine Kautelen angeordnet worden. Hätte Dipl.Ing.Mohammad D eine nach iranischem Recht wirksame Legitimanerkennung des Kindes abgegeben (vgl.Zemen, Zur Anerkennung der Vaterschaft in Islam und ihrer Qualifikation im österreichischen Kollisions- und Personenstandsrecht ZfRV 1977, 204 ff.;

Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, 12 f.; FamRZ 1982, 52 f.; OLG Frankfurt am Main NJW 1976, 1592;

BGHZ 55, 188, 191 ff.), durch die unabhängig von einer Eheschließung zwischen dem Anerkennenden und dem Kind ein eheliches Kindschaftsverhältnis begründet hätte werden können, wäre das Kind gemäß Art.976 Zivilgesetzbuch (auch) iranischer Staatsbürger, auf welche Staaatsbürgerschaft es bis zur Vollendung des 25.Lebensjahres nicht verzichten könnte (Art.988 Zivilgesetzbuch). Würde Dipl.Ing.Mohammad D das Kind in den Iran verbringen, erschiene ein Bemühen um eine Rückführung nach Österreich wohl aussichtslos. Bedenkt man die aktenkundigen Aversionen und die dadurch hervorgerufenen Befürchtungen der Mutter, so scheint es angezeigt, gegen eine bei Ausübung des Besuchsrechtes immer mögliche Verbringung des Kindes ins Ausland vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Als solche kämen die Hinterlegung des Reisepasses des Kindes oder des Reisepasses von Dipl.Ing.Mohammad D in Betracht. Da das Erstgericht nicht feststellte, ob bzw. welches Reisedokument des Kindes in Händen von Dipl.Ing.Mohammad D ist und dieser - entgegen seiner Darstellung beim Sachverständigen Prof.Dr.Gernot H S.87 des Aktes - im Rekurs behauptete, er besitze kein Reisedokument des Kindes, wird das Erstgericht das Verfahren dahin zu ergänzen haben, ob Dipl.Ing.Mohammad D ein Reisedokument des Kindes zur Verfügung steht, mit dem ihm mit dem Kind die Ausreise aus Österreich möglich wäre. Andernfalls wäre, wie Dipl.Ing.Mohammad D in seinem Eventualantrag zugesteht, die Hinterlegung seines eigenen Reisepasses für die Dauer der Ausübung des Besuchsrechtes anzuordnen.

Anmerkung

E06354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00635.85.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19850828_OGH0002_0010OB00635_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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