TE OGH 1985/8/29 12Os129/85

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Veröffentlicht am 29.08.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernd A wegen des Verbrechens des Raubes als Beteiligter nach §§ 12, dritter Fall, 142 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 12.Juni 1985, GZ. 11 a Vr 1372/84-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Angeklagten Bernd A eine Ausfertigung des Urteils des Kreisgerichtes

Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 19.Februar 1985, GZ. 11 a Vr 1372/84-50 samt Rechtsbelehrung zur Ausführung der gegen dieses Urteil angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zuzustellen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 19.Februar 1985, GZ. 11 a Vr 1372/84-50 wurde unter anderem Bernd A der Verbrechen des Raubes als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 142 Abs. 1 StGB. und des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. sowie der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB. und nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten A am 20. Februar 1985, sohin rechtzeitig, die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON. 51). Nachdem dieser Verteidiger am 12.April 1985 dem Kreisgericht Wr. Neustadt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekanntgegeben hatte (ON. 55), verfügte der Vorsitzende des Schöffengerichtes am 13. Mai 1985 die Urteilszustellung samt Rechtsmittelbelehrung an den Angeklagten A. Diese an die Adresse 2531 Gaaden, Sittendorferstraße 28 gerichtete Gerichtssendung (mit Urteilsausfertigung samt Rechtsmittelbelehrung) wurde am 23.Mai 1985 bei der Post hinterlegt (Seite 3 i) und vom Angeklagten A nicht behoben (ON. 59). Da keine Rechtsmittelausführung des Angeklagten A beim Kreisgericht Wr. Neustadt einlangte, hat der Vorsitzende die zwar angemeldete, aber nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluß vom 12.Juni 1985, ON. 60 gemäß § 285 a Z. 2 StPO. zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Angeklagten A (gleichfalls durch Hinterlegung bei der Post, allerdings nun unter der Adresse 2500 Baden, Wilhelmsring 13) am 24. Juni 1985 zugestellt (S. 470).

Dagegen hat der Genannte am 28.Juni 1985, sohin rechtzeitig beim Kreisgericht Wr. Neustadt Beschwerde erhoben, die er dort mündlich zu Protokoll gab (ON. 64). Dieser Vorgang wurde beim Kreisgericht Wr. Neustadt in Form eines Amtsvermerkes festgehalten. Darin erklärte der Angeklagte A, gegen den seine angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurückweisenden Beschluß 'Beschwerde erheben zu wollen'. Diese unpräzise Formulierung ist aber der Sache nach nicht bloß als Ankündigung einer Beschwerde zu verstehen, sie ist vielmehr nach Lage des Falles bereits als die Erhebung einer Beschwerde anzusehen. Einer näheren Begründung der Beschwerde bedarf es zu deren Rechtswirksamkeit nicht, da an ein solches Rechtsmittel nicht dieselben strengen formalen Voraussetzungen wie an die Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung geknüpft sind. Nach den nunmehr - über Auftrag des Oberlandesgerichtes Wien (vgl. ON. 65) - vom Kreisgericht Wr. Neustadt veranlaßten Erhebungen ist die Hinterlegung der Gerichtssendung mit dem Urteil vom 23. Mai 1985 bei der Post zu Unrecht erfolgt, weil der Angeklagte A sich in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum (vom 23. Mai 1985 bis zum 6.Juni 1985) an der Zustelladresse 2531 Gaaden, Sittendorferstraße 28, das ist die Wohnung seiner Mutter, nur einige Male zu Besuch aufgehalten (S. 484), zu dieser Zeit aber bei Martina B in 2500 Baden, Hubmanngasse 3 gewohnt hatte (S. 485).

Rechtliche Beurteilung

Da sich sohin der Angeklagte A an der Zustelladresse (Abgabestelle) in 2531 Gaaden, Sittendorferstraße 28, während des genannten Zeitraumes ganz offensichtlich nicht regelmäßig aufgehalten hatte und der Zusteller ersichtlich auch keinen Grund hatte, dies anzunehmen (s. § 17 Abs. 1 ZustG.), liegt bisher keine wirksame Zustellung der Urteilsausfertigung an den Beschwerdeführer vor (vgl. § 17 Abs. 3 ZustG.).

In Stattgebung der berechtigten Beschwerde des Angeklagten Bernd A war daher der angefochtene Zurückweisungsbeschluß, der - offensichtlich verfehlt - von einer rechtswirksamen Zustellung des Urteils an den Angeklagten A ausgegangen ist, aufzuheben und dem Erstgericht ein Vorgehen nach § 285 b Abs. 5 StPO. aufzutragen.

Anmerkung

E06342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00129.85.0829.000

Dokumentnummer

JJT_19850829_OGH0002_0120OS00129_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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