TE OGH 1985/9/10 2Ob37/85

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Veröffentlicht am 10.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A, Pensionist, Mariengasse 30, 8020 Graz, vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.)Albert B, Elektriker, Föhrenweg 2, 8401 Kalsdorf, 2.)C

D E F, 1010 Wien, Ringturm, beide

vertreten durch Dr.Alfred Lukesch, Dr.Eduard Pranz, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Schadenersatzes, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Oktober 1984, GZ 16 R 219/84-17, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Endurteil des Kreisgerichtes St.Pölten vom 2.Juli 1984, GZ 6 Cg 540/83-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

'Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 225.721,-- samt 4 % Zinsen aus S 132.641,33 vom 2.12.1983 bis 16.4.1984, aus S 204.641,33 vom 17.4.1984 bis 13.6.1984 und aus S 225.721,-- ab 14.6.1984 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 341.011,33 s.A. sowie das Begehren auf Bezahlung einer monatlichen Rente von S 1.833,33 ab 1.7.1984 werden abgewiesen.

Die beklagten Parteien haben zur ungeteilten Hand dem Kläger die mit S 11.249,43 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.'

Die beklagten Parteien haben weiters dem Kläger die mit S 987,41 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1924 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall vom 5.12.1980 eine schwere Bauchquetschung, einen Riß im Gekröse des unteren Dünndarmabschnittes und an zwei Stellen eine durchbohrende Verletzung dieses Dünndarmabschnittes. Die etwa 35 cm lange beschädigte Dünndarmschlinge wurde reseziert und der körpernahe Anteil dieses Dünndarmabschnittes mit dem quer verlaufenden Dickdarm verbunden. In der Folge litt der Kläger an sehr starken und medikamentös zunächst kaum beherrschbaren Durchfällen mit entsprechender Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus am 20.1.1981 waren die Durchfälle durch Medikamente weitgehend unter Kontrolle gekommen. Wegen der Unfallsfolgen wurde der Kläger im Jahr 1982 zweimal operiert. Beim ersten Mal mußte man massenhafte Verwachsungen lösen, einen Teil des Blindsackes des Dünndarmes resezieren und den unteren Dünndarmabschnitt nunmehr in den aufsteigenden Dickdarm einpflanzen, um dann später bei der zweiten Operation die bestehende kurze Verbindung des Dünndarmes mit dem quer liegenden Dickdarm auflösen zu können. Gleichzeitig wurden zwei bestehende Narbenbrüche operativ behoben. Beim zweiten Krankenhausaufenthalt im Jahr 1982 wurden wieder massive Verwachsungen nach Öffnung der Bauchhöhle gelöst und die bestehende Kurzschlußverbindung des Dünndarms zum querliegenden Dickdarm reseziert. Dabei wurde der querliegende Dickdarm wieder 'Ende zu Ende' verschlossen. Der weitere Verlauf war komplikationsfrei. Der Kläger wird stets an Verdauungstörungen und immer wieder auftretenden durchfallsartigen Darmentleerungen leiden, eine entsprechende Diät ist notwendig.

Eine Schmerzengeldforderung des Klägers bis einschließlich 20.6.1982 haben die Parteien mit einem Betrag von S 160.000,-- verglichen (den Parteien standen damals Sachverständigengutachten zur Verfügung, nach welchen von 16 Tagen starken, 30 Tagen mittelstarken und 95 Tagen leichten Schmerzen auszugehen war). In der Zeit vom 21.6. bis 31.12.1982 hatte der Kläger 7 Tage starke, 14 Tage mittelstarke und 45 Tage leichte Schmerzen. Auf Grund der Dauerfolgen ist für die Zukunft davon auszugehen, daß der Kläger pro Kalenderjahr zusammengerafft 21 Tage leichte körperliche Schmerzen haben wird.

Der Kläger begehrte für die Zeit vom 21.6.1982 bis 30.6.1984 ein Schmerzengeld von S 113.000,-- und ab 1.7.1984 weitere S 330.000,--. Für die Zeit ab 1.7.1984 stellte er ein Eventualbegehren auf Zahlung einer Schmerzengeldrente ab 1.7.1984 bis zu seinem Tod von monatlich S 1.833,33. Die weiteren Forderungen des Klägers (Verdienstentgang) sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Erstgericht sprach dem Kläger für die Zeit vom 21.6.1982 bis 30.6.1984 ein weiteres Schmerzengeld von S 112.000,-- und für die Zeit ab 1.7.1984 eine Schmerzengeldrente von monatlich S 1.583,33 zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten dahin teilweise Folge, daß die Schmerzengeldrente auf monatlich S 800,-- herabgesetzt wurde. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die bleibende Beeinträchtigung des Klägers in seiner Lebensgestaltung und der Verlust an Lebensqualität durch immer wieder auftretende Verdauungsstörungen und häufige durchfallsartige Darmentleerungen könne bei Bemessung des Schmerzengeldes auch für die Zeit nach Erreichung des Endausheilungszustandes nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Die von den Beklagten angestrebte Herabsetzung des Schmerzengeldes auf S 70.000,-- sei daher nicht berechtigt. Mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verletzung, den Heilungsverlauf, die Verletzungsfolgen sowie die Dauer und Intensität der Schmerzen erachtete das Berufungsgericht vielmehr die Zuerkennung eines Schmerzengeldes von S 112.000,-- zuzüglich zu dem bereits aus diesem Titel geleisteten Betrag von S 160.000,-- für die Zeit bis 30.6.1984 für angemessen. Die dauernde Behinderung durch die festgestellten Darmfunktionsstörungen und das damit für den Kläger verbundene Ungemacht seien hiebei als besonders schwerwiegende Komponente zu berücksichtigen gewesen. Auch die Zuerkennung einer Schmerzengeldrente sei berechtigt. Die Rechtsprechung habe in Ausnahmsfällen schwere Körperschäden, die auch in Zukunft das körperliche und seelische Wohlbefinden oder die Lebensfreude des Geschädigten beeinträchtigen werden, Schmerzengeldrenten zugesprochen. Die Annahme eines solchen Ausnahmefalles erscheine hier gerechtfertigt. An den auf den Unfall zurückzuführenden Beschwerden werde sich in Zukunft nichts mehr ändern, der Kläger werde bis an sein Lebensende jährlich 21 Tage leichte Schmerzen zu erdulden haben, mit welch körperlichen Beschwerden eine nicht unerhebliche seelische Beeinträchtigung und der Verlust an Lebensqualität weiterhin verbunden sei. Bei dieser Sachlage bstünden auch im Hinblick auf den Genugtuungscharakter des Schmerzengeldes gegen die Zerkennung einer Schmerzengeldrente an den Kläger keine Bedenken. Allerdings sei nur eine monatliche Rente von S 800,-- berechtigt.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig und begründete dies damit, daß es an einer gesicherten Judikatur zur Frage der Schmerzengeldrente fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und begehren eine Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes dahin, daß ein weiterer Kapitalsbetrag von S 42.000,-- sowie das gesamte Rentenbegehren abgewiesen werden. Hilfsweise stellen die Beklagten einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes, mit der als Schmerzengeld ein Kapitalbetrag und daneben eine Rente zugesprochen wurde, der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht entspricht; sie ist auch teilweise berechtigt.

Die Beklagten vertreten die Ansicht, seelische Schmerzen seien über den 20.6.1982 hinaus nicht mehr zu berücksichtigen, da sich die Psyche des Klägers nach 1 1/2 Jahren soweit konsolidiert habe, daß er keine seelischen Leiden mehr habe. Für die Zeit vom 21.6.1982 bis 30.6.1984 sei daher ein Schmerzengeld von S 70.000,-- angemessen. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Die Unfallsfolgen, an denen der Kläger bis zu seinem Lebensende zu leiden haben wird (Verdauungsstörungen, Durchfälle, Notwendigkeit einer Diät), stellen auch eine psychische Beeinträchtigung dar, die bei der Schmerzengeldbemessung nicht außer Acht gelassen werden darf. Auszugehen ist davon, daß der Kläger eine schwere Darmverletzung erlitt, deren Heilungsverlauf langwierig und kompliziert war und daß mehrere schwere Darmoperationen notwendig waren. Nimmt man weiters auf die Schmerzen Bedacht, die der Kläger zu erdulden hatte, und berücksichitgt man die seit Erreichung des Endzustandes weiterhin auftretenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen, dann ist ein Schmerzengeld von insgesamt S 272.000,-- (verglichener Betrag von S 160.000,-- zuzüglich S 112.000,--) nicht überhöht. Hinsichtlich des Kapitalsbetrages ist die Revision daher nicht berechtigt.

Den Revisionsausführungen zum Zuspruch einer Schmerzengeldrente kann allerdings Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist Schmerzengeld grundsätzlich in einem Globalbetrag zuzusprechen. Die Rechtsprechung hat zwar in Ausnahmefällen bei dauernden schweren Körperschäden, die auch in Zukunft das körperliche und seelische Wohlbefinden oder die Lebensfreude beeinträchtigen, die Möglichkeit des Zuspruches einer Schmerzengeldrente bejaht (SZ 41/159 ua), doch sind die Voraussetzungen hiefür im vorliegenden Fall nicht gegeben. In der Entscheidung ZVR 1976/370 (= JBl 1976,539) wurde bei einer Querschnittlähmung neben einem Pauschalbetrag eine Schmerzengeldrente zugesprochen, wobei insbesondere auch die durch die Verletzung verursachte verkürzte Lebenserwartung hingewiesen wurde. In ZVR 1977/169 erfolgte der Zuspruch einer Schmerzengeldrente neben einem Kapitalsbetrag bei schweren spastischen Lähmungen, die den Kläger an den Rollstuhl banden. Lediglich in ZVR 1980/159 wurde auch bei weniger schwerwiegenden Unfallsfolgen eine Schmerzengeldrente als berechtigt angesehen. In den übrigen Entscheidungen (SZ 41/159, 8 Ob 190/77, 5 Ob 557/81, 2 Ob 28/83, 2 Ob 22/84) wurde das Begehren auf Leistung einer Schmerzengeldrente mit der Begründung abgewiesen, daß ein derartiger Anspruch nur in Ausnahmefällen bei besonders schweren Verletzungen bestehe und diese Voraussetzungen nicht vorlägen. Nach diesen Entscheidungen (insbesondere 2 Ob 28/83 und 2 Ob 22/84) kommt eine Schmerzengeldrente, wenn die künftigen Unfallsfolgen feststehen, jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn nicht ganz besonders schwerwiegende Dauerfolgen - wie etwa eine Querschnittlähmung - vorliegen.

Im vorliegenden Fall sind die weiteren Unfallsfolgen überschaubar, sie wurden vom Erstgericht festgestellt. Diese Unfallsfolgen stellen zwar eine Beeinträchtigung des weiteren Lebens des Klägers dar, doch können sie in keiner Weise etwa mit den Folgen einer Querschnittlähmung verglichen werden. Diese schon jetzt feststehenden künftigen Unfallsfolgen sind daher im Rahmen der Globalbemessung im Kapitalsbetrag zu berücksichtigen und können den gesonderten Zuspruch einer Schmerzengeldrente nicht rechtfertigen. Aus diesem Grund war der Revision der Beklagten teilweise Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Klagebegehren, soweit es die Schmerzengeldrente betrifft, zur Gänze abgewiesen wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens überdies auf § 51 ZPO. Hiebei war davon auszugehen, daß der Kläger ab der Ausdehnung seines Schmerzengeldbegehrens um weitere S 330.000,-- bzw. eine monatliche Rente von S 1.833,33 nur mit wesentlich weniger als der Hälfte seines Schmerzengeldbegehrens obsiegte, sodaß er wesentlich überklagte und eine Anwendung der Vorschrift des § 43 Abs 2 ZPO nicht mehr in Betracht kommt. Für den ersten Verfahrensabschnitt hat der Kläger entsprechend der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes Anspruch auf 21 % der Kosten, das sind S 3.092,60. Im zweiten Verfahrensabschnitt, der den Zeitraum einschließlich der Verhandlungstagsatzung vom 16.4.1984 umfaßt, obsiegte der Kläger zur Gänze, es stehen ihm hiefür Kosten im Betrag von S 9.009,60 zu. Dazu kommt noch der Sachverständigenvorschuß von S 2.950,--, sodaß der Kläger für den ersten und zweiten Verfahrensabschnitt Anspruch auf Kosten in der Höhe von S 15.052,20 hat. Im dritten Verfahrensabschnitt obsiegte der Kläger allerdings nur mit 38 %, unterlag aber mit 62 %, sodaß er den Beklagten 24 % ihrer Kosten, das sind S 3.802,77, zu ersetzen hat. Der Kostenersatzanspruch des Klägers für das Verfahren erster Instanz beträgt daher S 11.249,43. Im Berufungsverfahren obsiegten der Kläger und die Beklagten jeweils mit etwa der Hälfte, weshalb die Kosten gegeneinander aufzuheben waren.

Mit ihrer Revision unterlagen die Beklagten mit 60 % und obsiegten mit 40 %, sodaß sie dem Kläger 20 % seiner Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen haben.

Anmerkung

E06378

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00037.85.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0020OB00037_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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