TE OGH 1985/9/10 5Ob58/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Erich A, Immobilienmakler, Rainergasse 11/16, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Kommerzialrat Maria B, Kaufmann,

2. Kommerzialrat Danek B, Kaufmann, beide Fillgradergasse 7, 1060 Wien, beide vertreten durch Dr. Franz J. Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wegen der Durchführung von Erhaltungsarbeiten, infolge Rekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21.Februar 1985, GZ 41 R 946/84-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22.Februar 1984, GZ 42 Msch 28/83-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller beantragte am 30.11.1982 bei der Gemeinde, die Vermieter zur Behebung eines Rohrgebrechens zu verhalten, das am 30.1.1982 in dem von ihm gemieteten Objekt im Palais Schönburg in 1040 Wien, Rainergasse 11, aufgetreten sei. Die Entscheidung der Gemeinde, die den Antrag abwies, weil § 6 MRG auf Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen (§ 1 Abs 4 Z 2 MRG) nicht anzuwenden sei, trat außer Kraft, als der Mieter rechtzeitig die Sache bei Gericht anhängig machte. Das Erstgericht wies den Antrag mit der gleichen Begründung ab. Es stellte fest, daß der Antragsteller im Palais Schönburg seit langem einen Einzelraum gemietet hat und daß nach einem Rohrbruch am 30.1.1982 die Wasserzuleitung zu dem Badezimmer und Klosett, das er benützt, abgesperrt wurde. Der Antragsteller ist seit Beendigung eines Bestandverhältnisses an einem weiteren Einzelraum mit Oktober 1981 und an einem Geschäftsraum im Erdgeschoß mit September 1983 der einzige Mieter im Haus. Auf Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen finde § 6 MRG keine Anwendung. Diese Gesetzesbestimmung sei auf eine Mietermehrheit abgestimmt.

Der Mieter erhob Rekurs. Diesem gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes mit Setzung des Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Ob das Palais Schönburg als Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nur den kündigungsrechtlichen Schranken nicht aber den Mietzinsvorschriften des Mietrechtsgesetzes unterliege, sei nicht nach der Anzahl der Mieter sondern danach zu beurteilen, wieviele selbständige Wohnungen am 1.1.1982 vorhanden waren, als das Mietrechtsgesetz in Kraft trat. Auf die Größe der Wohnungen komme es nicht an. Nebenräume, etwa auch Dienstbotenzimmer, seien solange nicht als selbständige Wohnungen anzusehen, solange ihre Widmung als Bestandteil einer selbständigen Wohnung nicht nach der baubehördlichen Benützungsbewilligung oder durch bauliche Umgestaltung aufgehoben werde. Ob solche Einzelräume vermietet werden, sei ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, ob die vorhandenen selbständigen Wohnungen in Bestand gegeben seien. Geschäftsräume dürfe ein 'Wohnhaus' nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht aufweisen. Sollte das Bestandverhältnis des Antragstellers vor dem 1.1.1982 begonnen haben und waren bei Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes mehr als zwei selbständige Wohnungen im Haus vorhanden, so dürfe durch nachfolgende Umwidmungen oder Umbauten die für den Antragsteller wirksam gewordene Geltung der zinsrechtlichen Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes nicht mehr beseitigt werden. Da der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG erst neu geschaffen wurde, seien solche vor dem 1.1.1982 vorgenommene Umgestaltungen (Umwidmungen) unbeachtlich. Es werde daher der Feststellung der Raumaufteilung, der (baubehördlichen) Widmung der einzelnen Räume und aller sonst erheblichen Umstände bedürfen, um abschließend beurteilen zu können, ob das Haus am 1.1.1982 und später nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen und keinen Geschäftsraum aufwies und daher ein Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nicht ergehen kann, weil für Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen § 6 MRG nicht gilt. Den Aufhebungsbeschluß bekämpfen die Vermieter mit ihrem Rekurs. Sie wollen die Wiederherstellung des erstrichterlichen Abweisungsbeschlusses erreichen.

Der Mieter beantragt, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unberechtigt.

Daß das Bauwerk, in welchem sich der vom Antragsteller gemietete Raum befindet, seinerzeit als Barockschloß als Wohnsitz einer Familie errichtet wurde und deshalb Bauteilen, die für die Unterbringung von Hauspersonal geschaffen wurden, eine selbständige Bedeutung nicht zukommt, hat das Rekursgericht ohnedies berücksichtigt aber zutreffend erkannt, daß es auf den Zustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mietrechtsgesetzes ankommt. Der von den Vermietern vertretenen Rechtsansicht,diese Baulichkeit könne überhaupt nicht als 'Wohnhaus' den Regelungen des Mietrechtsgesetzes unterworfen werden, steht schon der klare Gesetzeswortlaut des § 1 Abs 1 MRG entgegen, der den grundsätzlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes absteckt. Das Mietrechtsgesetz gilt für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen und Geschäftsräumlichkeiten aller Art (wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- und Kanzleiräumen) und umfaßt damit jede Raummiete zu Wohn- oder Geschäftszwecken, also auch die Miete von Wohnungen, Wohnungsteilen und Geschäftsräumlichkeiten in einem ursprünglich als Barockschloß errichteten Gebäude (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 1 MRG). Die daraus folgende Vermutung für die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes kann durch den Nachweis widerlegt werden, daß ein Ausnahmetatbestand vorliegt, wonach der Mietgegenstand überhaupt nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt oder doch nur einzelne Bestimmungen auf das Mietrechtsverhältnis anzuwenden sind andere aber nicht. Solche Beschränkungen sieht § 1 Abs 4 MRG bei neueerrichteten Gebäuden, Zweifamilienwohnhäusern und Wohnungseigentumsobjekten vor, für welche nur die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II.Hauptstückes gelten, solange nicht ein Erhaltungsbeitrag begehrt wurde (Würth-Zingher, MRG 2 , Anm.22 zu § 1 und Anm.20 zu § 45 MRG), weil dann auch für Mietgegenstände in Neubauten nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG und in Ein- oder Zweifamilienwohnhäusern nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG die Ausnahme wegfällt (§ 45 Abs 4 MRG). Handelt es sich bei dem Mietgegenstand, den der Antragsteller gemietet hat, um eine Wohnung (einen Wohnungsteil) in einem Wohnhaus, in dem höchstens zwei selbständige Wohnungen sonst aber keine weitere Räumlichkeiten und keine Geschäftsräume bestehen, findet der § 6 MRG wie auch der § 37 MRG keine Anwendung. Die Vermieter bestreiten, daß es sich bei dem in ihrem Eigentum stehenden Gebäude überhaupt um ein 'Wohnhaus' handeln kann, übersehen aber, daß sie damit die Unterstellung unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG ausschließen würden und dann nach § 1 Abs 1 MRG auch die zinsrechtlichen Vorschriften voll auf das Bestandverhältnis anzuwenden wären, also auch der Auftrag nach § 6 MRG zulässig wäre. Gewiß hat der Gesetzgeber bei den im § 1 Abs 4 Z 2 MRG umschriebenen Wohnhäusern nicht Gebäude gemeint, die einmal als Palais gebaut wurden, sondern eine Ausnahme zugunsten der Ein- und Zweifamilienhäuser schaffen wollen, die zur Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses einer oder höchstens zweier Familien errichtet wurden (vgl. RV 425 BlgNR 15.GP B Zum § 1). Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann die eingeschränkte Geltung des MRG aber auch hier in Betracht kommen, wenn das Gebäude tatsächlich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuordnung des Mietrechtes mit dem 1.1.1982 ausschließlich Wohnräume und nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen aufgewiesen hat, wobei Wohnräume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß zunächst der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mietrechtsgesetzes maßgebend ist, wenn das Mietverhältnis damals schon bestanden hat, und daß spätere Umbauten nur insoweit von Belang sind, als durch Verringerung der Zahl der selbständigen Wohnungen nicht eine Schlechterstellung des Mieters bewirkt werden kann, wird beigetreten. Andererseits hebt die Schaffung weiterer Räume, die nicht Bestandteil der höchstens zwei selbständigen Wohnungen sind, den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG auf.

Da aber die vom Rekursgericht vermißten Feststellungen über die in dem Gebäude am 1.1.1982 vorhandenen Räume und deren Zuordnung zu selbständigen Wohnungen oder deren Widmung zu geschäftlichen Zwecken fehlen, kann der Meinung der Rekurswerber, es stehe schon fest, daß auf das Mietverhältnis § 6 MRG nicht anzuwenden sei, nicht gefolgt werden. Erst nach Schaffung der Beurteilungsgrundlagen im Tatsachenbereich ist die Beantwortung dieser strittigen Frage möglich, von der dann das Schicksal des Antrages des Mieters zunächst abhängt, weil seine Berechtigung erst zu beurteilen ist, wenn ihm überhaupt das Recht zur Antragstellung nach § 6 MRG und das zur Durchsetzung des Rechts nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG zusteht. Dem Rekursgericht ist bei der Aufhebung des erstrichterlichen Sachbeschlusses kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Der Rekurs der Vermieter kann daher keinen Erfolg haben.

Anmerkung

E06409

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00058.85.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0050OB00058_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten