TE OGH 1985/9/11 3Ob575/85

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Veröffentlicht am 11.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Melber, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B

C D E, 6020 Innsbruck,

Prandtauerufer 2, vertreten durch Dr. Ernst F. Mayr und Dr. Christoph Rittler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Josef F, Betriebsberater, 6060 Hall in Tirol, Bei der Säule 6, vertreten durch Dr. Günter Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11. April 1985, GZ 1a R 127/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 12. Dezember 1984, GZ 4 C 46/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit 2.510,72 S (darin 96,-- S Barauslagen und 219,52 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist grundbücherliche Eigentümerin des Hauses G in H, Bei der Säule 6, in dem der Beklagte aufgrund des Anwartschaftsvertrages vom 5.3.1981 eine Wohnung und eine Garageneinheit benützt. Mit der Behauptung, der Beklagte habe einen mit 31.3.1984 aufgelaufenen Nutzungsgebührenrückstand von 100.488,16 S nicht gezahlt, erklärte die klagende Partei in der am 20.4.1984 eingebrachten, dem Beklagten am 26.4.1984 zugestellten Klage den Rücktritt vom erwähnten Anwartschaftsvertrag und begehrte die Rückstellung der zur Nutzung überlassenen Wohnung und Garage durch Räumung und übergabe binnen 14 Tagen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens und wendete ein, der behauptete Rückstand sei geringer, das vorgeschriebene Nutzungsentgelt wegen Feuchtigkeitsflecken in vier Räumen zu hoch.

In der Tagsatzung vom 18.10.1984 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, der klagenden Partei bis 15.11.1984 8.710,24 S samt Zinsen und Kosten sowie die gesamte vollstreckbare Forderung aus dem Versäumungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.5.1984, 7 Cg 163/83-6 (70.537,61 S samt Nebengebühren), zu zahlen. Im Vergleich wurde festgestellt, daß sich die Forderungen der klagenden Partei ohne Zinsen und Kosten laut Kontoauszug mit 17.10.1984 auf 76.825,72 S für die Wohnung und auf 2.422,13 S für die Garage beliefen.

Nachdem die klagende Partei am 28.11.1984 von dem nur ihr vorbehaltenen Widerrufsrecht mit der Begründung Gebrauch gemacht hatte, daß der Beklagte den im Vergleich übernommenen Verpflichtungen in keiner Weise nachgekommen sei, stellten die Parteien in der Tagsatzung vom 11.12.1984 außer Streit, daß bis einschließlich Dezember 1984 ein Nutzungsgebührenrückstand für die Wohnung von 102.425,20 S und für die Garage von 4.289,89 S bestehe und daß die monatliche Nutzungsgebühr für die Wohnung 8.268,12 S und für die Garage 463,44 S betrage. Der Beklagte anerkannte, daß für Wohnung und Garage ein Rückstand von 70.000,-- S bestehe. Daraufhin verkündete der Richter einen Beschluß, daß ein solcher Rückstand von 70.000,-- S (jedenfalls) bestehe, den der Beklagte der klagenden Partei schulde.

Sodann gab das Erstgericht dem Räumungsbegehren statt, weil es dieses wegen des anerkannten Nutzungsgebührenrückstandes als nach § 1118 ABGB gerechtfertigt erkannte.

In seiner Berufung beantragte der Beklagte die Aufhebung dieses Urteils und die Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht, weil ihn dieses nicht ausreichend angeleitet habe. Die derzeitige Rechtsverfolgung stelle auch eine unbillige Härte dar. Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 300.000,-- S übersteigt.

Der bezeichnete Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sei mangels gesetzmäßiger Darstellung nicht inhaltlich zu behandeln. Der tatsächlich ausgeführte Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sei nicht gegeben. Beim Bewertungsausspruch orientierte sich das Berufungsgericht an den vom Beklagten aufzubringenden Eigenmitteln von über 300.000,-- S und dem Nutzungsentgelt.

Dagegen richtet sich die auf Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht abzielende Revision des Beklagten.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Unter den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Rechtsmittelwerber lediglich, das Berufungsgericht habe die in der Berufung geltend gemachte Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht zu Unrecht verneint.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes über das Nichtvorliegen des im Berufungsverfahren behaupteten Verfahrensmangels durch Verletzung der Anleitungs- und Belehrungspflicht des Erstrichters stellen keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache dar und können daher nicht mit dem im § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bezeichneten Revisionsgrund bekämpft werden (SZ 49/34; RZ 1965, 99; EvBl 1957/191 ua.).

Ein in einem nicht amtswegigen Verfahren erster Instanz angeblich unterlaufener, vom Berufungsgericht jedoch verneinter Verfahrensmangel - um einen solchen würde es sich bei der Verletzung der Anleitungs- und Belehrungspflicht handeln - kann aber nach ständiger Rechtsprechung auch nicht unter dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO mit Erfolg geltend gemacht werden (MietSlg. 35.800; EFSlg. 44.102; 41.770; SZ 51/8, 50/14 ua.). Die vom Revisionswerber zitierte, schon oben erwähnte Entscheidung RZ 1965, 99 erging in einem Verfahren zur Feststellung der unehelichen Vaterschaft, in dem damals allerdings noch nicht der Grundsatz der Amtswegigkeit galt. In solchen Statussachen nahm der Oberste Gerichtshof jedoch offenbare Verfahrensverstöße in erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche gewertet wurden, ausnahmsweise selbst wahr (EvBl 1957/191 ua.).

Daß der vom Obersten Gerichtshof vertretene Grundsatz in letzter Zeit durch Rechberger-Simotta (ZPR 2 RZ 716) und Fasching (I RZ 1909) neurlich abgelehnt wurde, bietet mangels neuer Argumente keinen Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen, die auf der überlegung fußt, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nicht in weiterem Maße bekämpft werden kann als eine viel schwerer wiegende Nichtigkeit (JBl 1972, 569 ua.).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO (Bemessungsgrundlage nach § 10 Z 2 lit b J: 12.000,K).

Anmerkung

E06381

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00575.85.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19850911_OGH0002_0030OB00575_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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