TE OGH 1985/9/11 3Ob566/85 (3Ob567/85)

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Veröffentlicht am 11.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Melber, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache für die minderjährigen Kinder 1.)Andrea A, geboren 26.November 1967,

2.) Christiane A, geboren 13.Dezember 1971, und 3.)Gerhard A, geboren 28.Juni 1973, wohnhaft bei der Mutter Gertrude A, Hausfrau, 2840 Grimmenstein, Sauerbichl 35, infolge Revisionsrekurses der Mutter Gertrude A, vertreten durch Dr.Eva Wagner, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 8.März 1985, GZ R 456/84-33, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Aspang vom 3. Oktober 1984, GZ P 34/83-26, und vom 7.November 1984, GZ P 34/83-27, abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abänderung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 26 (Auferlegung eines Sonderunterhaltsbetrages von S 6.486,--) wendet, wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz in diesem Umfange (Abs 1 der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz) aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz diesbezüglich eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters aufgetragen.

2.) Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die teilweise Abänderung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 27 (Erhöhung des laufenden Unterhaltsbetrages) wendet, wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Auf Grund des vom Pflegschaftsgericht genehmigten Vergleiches vom 31.August 1983 mußte der Vater für seine beiden ehelichen Kinder Christiane (geboren 13.Dezember 1971) und Gerhard (geboren 28. Juni 1973) einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 1.500,-- leisten.

Die Mutter beantragte am 15.November 1983 eine Erhöhung des Unterhaltes auf je S 2.900,--.

Noch vor Erledigung dieses Erhöhungsantrages beantragte die Mutter am 5.September 1984, den Vater zur einmaligen Zahlung von S 9.861,--, allenfalls abzüglich von S 3.375,--, die sie von der Krankenkasse erhalte, für die beiden Kinder zu verpflichten, weil sie diesen Betrag für Zahnbehandlungskosten am 21.August 1984 bezahlen habe müssen.

Mit Beschluß vom 3.Oktober 1984 (ON 26) verpflichtete das Erstgericht den Vater zur Zahlung von S 6.486,-- an einmaligem Sonderbedarf.

Mit Beschluß vom 7.November 1984 (ON 27) verpflichtete das Erstgericht den Vater zur Zahlung eines erhöhten Unterhaltsbetrages von je S 2.900,-- für beide Kinder.

Der Vater erhob gegen beide Beschlüsse einen Rekurs, wobei hinsichtlich des Beschlusses ON 26 zu erwähnen ist, daß dieser Beschluß zunächst am 11.Oktober 1984 nur dem Vater selbst, nicht aber seinem im Akt durch Vorlage einer Prozeßvollmacht ausgewiesenen Rechtsfreund zugestellt wurde. über Auftrag des Gerichtes zweiter Instanz, ergangen anläßlich der Vorlage des Rekurses des Vaters gegen den Beschluß ON 27, wurde dann der Beschluß ON 26 am 20. Dezember 1984 auch dem Rechtsfreund des Vaters zugestellt, der sodann den Rekurs am 21.Dezember 1984 zur Post gab. Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluß ON 26 Folge und änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der Mutter, den Vater zur Zahlung eines einmaligen Unterhaltsbetrages von S 6.486,-- zu verpflichten, abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, daß im Außerstreitverfahren kein Unterhalt für die Vergangenheit geltend gemacht werden könne, der Mutter stehe nur die Möglichkeit einer Klage nach § 1042 ABGB offen.

Dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluß ON 27 gab das Gericht zweiter Instanz teilweise Folge und setzte den vom Vater zu zahlenden Unterhaltsbetrag von je S 2.900,-- auf je S 2.500,-- bzw. ab 1.Jänner 1984 auf je S 2.200,-- herab. Zu diesen Beträgen gelangte das Gericht zweiter Instanz auf Grund des festgestellten Einkommens des Vaters, wobei die Bewertung gewisser Diäten eine Rolle spielte, und auf Grund der Leistungsfähigkeit des Vaters, der auf Grund des Scheidungsvergleiches bestimmte Zahlungen an die Mutter zu leisten hat, sowie in Anwendung bestimmter Prozentsätze. Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung der Beschlüsse des Erstgerichtes ON 26 und ON 27 abzuändern oder ihn aufzuheben.

Hinsichtlich des Beschlusses ON 26 (Auferlegung des einmaligen Betrages von S 6.486,--) macht die Mutter geltend, der Beschluß ON 26 sei schon in Rechtskraft erwachsen, weil der Beschluß nicht dem Rechtsfreund des Vaters zugestellt werden habe müssen. Im übrigen sei es unzutreffend, daß im Außerstreitverfahren kein rückwirkender Unterhalt zugesprochen werden könne. Unter bestimmten Voraussetzungen, die im vorliegenden Fall erfüllt seien, sei dies möglich. Ob dies möglich sei, stelle keine Bemessungsfrage dar. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Vater den strittigen Betrag auf Grund einer Exekutionsführung der Mutter schon bezahlt habe. Hinsichtlich des Beschlusses ON 27 (Erhöhung des laufenden Unterhaltes) macht die Mutter Aktenwidrigkeit und Nichtigkeit geltend. Aktenwidrig sei, daß 17 % von S 13.800,-- nur S 2.200,-- ausmachten, welche Verfahrensfrage nicht zum Bemessungskomplex gehöre. Leistungen auf Grund des im Ehescheidungsverfahren geschlossenen Vergleiches dürften nicht berücksichtigt werden, was eine unrichtige Vertragsauslegung darstelle und daher gleichfalls an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könne. Worin die Nichtigkeit bestehen solle, wird nicht ausgeführt.

1.) Zum Revisionsrekurs bezüglich des Beschlusses ON 26:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist hier zulässig, denn sowohl die Verfahrensfrage, ob die zweite Instanz gegen die schon eingetretene Rechtskraft des Beschlusses erster Instanz verstoßen hat (EFSlg.44.623), als auch die Frage, ob Unterhalt rückwirkend zugesprochen werden kann (RZ 1983/13) gehört nicht zum Komplex der Unterhaltsbemessung.

Unberechtigt ist der Vorwurf, der Beschluß ON 26 sei schon in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 6 AußStrG ist nämlich auch im Verfahren Außerstreitsachen die Bestimmung des § 93 ZPO anzuwenden. Danach muß eine Zustellung nach Vorlage einer Prozeßvollmacht an den Bevollmächtigten erfolgen und die Rechtsmittelfrist beginnt erst ab der Zustellung an den Bevollmächtigten zu laufen (EFSlg.37.161, 37.165, 39.569). Unbegründet ist auch die Ansicht, der Beschluß ON 26 könne schon deshalb nicht mehr abgeändert werden, weil der Vater inzwischen im Vollstreckungswege den strittigen Betrag bezahlt habe. Diese Zahlung kann nicht als Anerkennung gewertet werden, da sie nur auf Grund des schon vor Rechtskraft vollstreckbaren Beschlusses des Erstgerichtes erfolgte.

Berechtigt ist aber der Revisionsrekurs insofern, als der Antrag der Mutter nicht schon deshalb abgewiesen werden durfte, weil diese den begehrten Sonderbedarf vor der Antragstellung selbst schon beglichen hatte.

Es ist zwar richtig, daß der alte Rechtssatz 'pro praeterio non alitur' in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trotz verschiedentlich geäußerter Kritik im Schrifttum (Pichler, ÖJZ 1964, 60, Koziol, JBl 1978, 626, Reischauer in Rummel RZ 4 zu § 1418 ABGB) nach wie vor grundsätzlich anerkannt wird (vgl. Entscheidungen wie SZ 32/172, SZ 44/29 oder SZ 53/57). Auch für die Geltendmachung eines sogenannten einmaligen Sonderbedarfes wurde in der Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz wiederholt ausgesprochen, daß ein Sonderbedarf nicht rückwirkend geltend gemacht werden könne (Entscheidungen wie EFSlg.24.907, 30.759, 37.706). Andererseits hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in der Entscheidung EFSlg.43.563 kürzlich gegenteilig entschieden. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung zumindest für den vorliegenden besonderen Fall aus folgenden Gründen bei:

Daß die strittige Zahnarztrechnung anfallen werde, war dem Vater schon vor Bezahlung durch die Mutter bekannt, denn es wurde zuerst ein direktes Inkasso bei ihm versucht. Das oft als Argument gegen eine rückwirkende Unterhaltsfestsetzung verwendete überraschungsmoment scheidet also hier aus (ähnlich wie in Fällen einer vertraglichen Unterhaltsverpflichtung, vgl.SZ 34/90 oder einer vorangehenden Mahnung, vgl.SZ 36/132). Die Gefahr einer Klage nach § 1042 ABGB und damit der zweimaligen Leistung ein- und desselben Unterhaltsbetrages droht dem Vater ebenfalls nicht, weil er der Mutter diesfalls den Einwand eines Verstoßes gegen Treu und Glauben entgegenhalten könnte. Die Gründe für einen Unterhaltsausschluß für die Vergangenheit liegen daher im vorliegenden Fall nicht vor. Dazu kommt, daß eine Arztrechnung einerseits sofort zur Zahlung fällig ist und andererseits erst mit der Zustellung der Arztrechnung bekannt wird, welcher Sonderbedarf geltend gemacht werden kann. Wenn daher die Mutter die Arztrechnung einstweilen aus ihren eigenen Mitteln oder zumindest teilweise auch vielleicht aus den vom Vater schon im voraus geleisteten laufenden Unterhaltsbeträgen bestreitet und dann unverzüglich den Antrag auf Zuerkennung eines Sonderunterhaltes stellt, erschiene es höchst unbillig, ihr entgegenzuhalten, sie mache für eine rückwirkende Zeit Unterhalt geltend.

Ob der Vater aber überhaupt verpflichtet ist, neben dem laufenden Unterhaltsbetrag die begehrte einmalige Sonderleistung ganz oder teilweise zu erbringen, stellt eine Frage der Bemessung dar, die vom Obersten Gerichtshof auch aus Anlaß eines an sich zulässigen Rechtsmittels nicht beurteilt werden kann (EFSlg.44.075). Der angefochtene Beschluß war daher diesbezüglich aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom bisher gebrauchten Abweisungsgrund aufzutragen.

2.) Zum Revisionsrekurs bezüglich des Beschlusses ON 27:

Hinsichtlich des Beschlusses ON 27 trägt die Mutter an den Obersten Gerichtshof nur Fragen der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches heran. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Vaters und die Frage der Berechnung seines als sogenannte Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Einkommens gehört nämlich ebenso zur Unterhaltsbemessung (EFSlg.44.576, 44.581 u.a.) wie die Frage, welche Kreditrückzahlungsverpflichtungen des Vaters zu berücksichtigen sind und welche nicht (EFSlg.44.588). Es geht ja diesbezüglich nicht um die Frage, daß der Unterhalt des Kindes vertraglich geregelt ist, sondern darum, daß auf Grund eines Vertrages der Vater zu bestimmten Leistungen an die Mutter - also an einen Dritten - verpflichtet ist. Im Rahmen der Unterhaltsbemessung ist aber im übrigen nicht etwa nur die Rechtsrüge ausgeschlossen, sondern auch die Geltendmachung eines Verfahrensmangels oder einer Aktenwidrigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht möglich (EFSlg.37.330, 37.333, 44.600, 44.602).

Soweit sich daher der Revisionsrekurs gegen die teilweise Abänderung des Beschlusses ON 27 wendet, ist er gemäß § 14 Abs 2 AußStrG unzulässig und war zurückzuweisen.

Anmerkung

E06506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00566.85.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19850911_OGH0002_0030OB00566_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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