TE OGH 1985/9/12 7Ob31/85

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Veröffentlicht am 12.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C. A Baugesellschaft mbH in Innsbruck, Brennerstraße 15, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei B, Allgemeine Versicherungs-AG in Wien 4., Prinz-Eugen-Straße 8/10, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 488.534,09 samt Nebengebühren, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9. Mai 1985, GZ 2 R 88/85-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Dezember 1984, GZ 5 Cg 329/84-28, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.834,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S Barauslagen und 1.443,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt im Rahmen einer Haftpflichtversicherung ihres Baugewerbes den Ersatz einer Leistung, die sie an die Post- und Telegraphendirektion Innsbruck für die Beschädigung eines Fernmeldekabels der Post erbracht hat, abzüglich des vereinbarten Selbstbehaltes. Im ersten Rechtsgang verneinte der Oberste Gerichtshof eine Versäumung der Klagefrist nach § 12 Abs 3 VersVG.

Der Erstrichter gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen hatte die klagende Partei im Zusammenhang mit der Errichtung der Fußgängerunterführung am nördlichen Brückenkopf der Universitätsbrücke in Innsbruck Erdböschungen gegen ein Abrutschen zu sichern. Dabei mußten Stahlanker zur Befestigung von Baustahlgittern in das Erdreich getrieben werden. Der Baupolier der klagenden Partei, Franz C, erhielt aus diesem Anlaß einen Lageplan über den Verlauf von Postkabeln, aus dem aber die Tiefe der Kabeltrasse nicht hervorging. Der mit der Beaufsichtigung der Erdarbeiten beauftragte Postbeamte Rudolf D erklärte dazu bloß, daß solche Kabel in der Regel in 80 cm Tiefe verlegt werden, daß er dafür aber keine Garantie übernehme, weil nicht bekannt sei, ob später Aufschüttungen erfolgt seien. Als Rudolf D an einem Freitag Nachmittag auf der Baustelle bemerkte, daß an der nördlichen Böschung Baustahlgitter verankert wurden, forderte er Franz C auf, die Stahlanker an der südlichen Seite, wo nach seiner Annahme an diesem Tag nicht mehr gearbeitet werden würde, steiler zu setzen, damit sie gewiß unter der Kabeltrasse in das Erdreich eindrängen. Franz C erklärte, daß er die Anker nicht beliebig steil ansetzen könne. Rudolf D blieb bei seiner Warnung und erklärte, wenn die Stahlanker nicht steiler gesetzt werden könnten, müßten zur Befestigung der Böschung andere technische Lösungen gefunden werden, sonst wären die Kabel in Gefahr. Franz C veranlaßte an diesem Nachmittag auch noch die Befestigung der südlichen Böschung. Er ging dabei von der Annahme aus, daß die Kabeltrasse nicht wesentlich tiefer als 80 cm unter der Oberfläche verlaufe, und ließ die Stahlanker, statischen Erfordernissen entsprechend, etwa senkrecht zur Böschung einschlagen. Er wählte die Lage der Anker dabei so, daß sie im Bereich der Kabeltrasse eine Tiefe von 1,3 bis 1,5 m erreichten. Er hoffte, daß in dieser Tiefe keine Kabel mehr verlaufen. Die Stahlanker drangen aber in die dort in einer Tiefe von 1,30 bis 1,50 m verlaufende Kabeltrasse ein. Im Zuge der Beweiswürdigung führte der Erstrichter aus, die ganze Situation spreche gegen die Annahme, daß Franz C eine Beschädigung der Kabel als geradezu wahrscheinlich vorausgesehen und diese Folge in Kauf genommen hätte. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters begründe selbst eine grobe Fahrlässigkeit in der Haftpflichtversicherung gemäß § 152 VersVG keinen Haftungsausschluß.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei. Franz C habe den wenn auch nach den gegebenen Umständen voraussehbaren und möglichen Schadenseintritt nicht in Kauf genommen, selbst wenn er im Hinblick auf die Warnungen des Postbeamten eine auffallende Sorglosigkeit und besondere Nachlässigkeit gezeigt habe. Auch Art. 6 Z 2 E setze für die Leistungsfreiheit nicht bloß grobe Fahrlässigkeit, sondern bedingten Vorsatz voraus.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Die gerügte Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor. Die Revisionswerberin bekämpft mit den betreffenden Ausführungen in Wahrheit die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbare freie Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen oder macht Mängel erster Instanz geltend, die das Berufungsgericht geprüft und verneint hat. Der genaue Wortlaut der Erklärung des Postbeamten Rudolf D ist auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht von entscheidender Bedeutung. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 510 Abs 3 ZPO abgesehen. In der Rechtsrüge vertritt die Revisionswerberin zunächst den Standpunkt, Art. 6.2.1.1 E erweitere den Begriff des bedingten Vorsatzes (als Tatbestand der Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 152 VersVG), indem er der Billigung der als wahrscheinlich eintretenden Folgen die 'Inkaufnahme' gleichstelle. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Schon die Schuldform des bedingten Vorsatzes ist dadurch charakterisiert, daß der Versicherte nicht nur mit der Möglichkeit eines Schadens ernstlich rechnen, sondern diese Möglichkeit auch bewußt und billigend in Kauf nehmen muß (Koziol-Welser, Grundriß 6 I 341; VersR 1977, 752, VersR 1984, 1182 ua.). Es genügt auch nicht bloß eine vorsätzliche Handlungsweise, vielmehr muß auch der Eintritt des S c h a d e n s zumindest bedingt gewollt sein (VersR 1984, 1197). Auch nach den E muß der Versicherte die schädliche Folge in Kauf genommen haben. Darin ist keine Erweiterung der Tatbestandsvoraussetzungen zu erblicken. Ob der Versicherte in diesem Sinn zugibt, den Eintritt eines Schadens in Kauf genommen zu haben, und ob mit einem solchen Geständnis gerechnet werden kann, ist ohne rechtliche Bedeutung. Entscheidend sind die Feststellungen der Tatsacheninstanzen, deren freier Beweiswürdigung auch eine leugnende Verantwortung unterliegt. An ihre Tatsachenfeststellungen ist der Oberste Gerichtshof aber in jedem Fall gebunden, sodaß die von der Revisionswerberin gewünschte gegenteilige 'Schlußfolgerung in rechtlicher Hinsicht' nicht möglich ist.

Zutreffend ist allerdings der Hinweis der Revisionswerberin, daß eine bloße Hoffnung des Versicherten, es werde ein Schaden nicht eintreten, noch nicht hinreichend die Möglichkeit widerlegen würde, daß er nicht dennoch einen unwahrscheinlichen Schaden bedacht und in Kauf genommen hätte. Die Revisionswerberin übersieht aber, daß der Erstrichter einen (dem Versicherer obliegenden; ZVR 1975/120) Beweis dafür, daß Franz C eine Beschädigung der Kabel als wahrscheinlich vorausgesehen und diese Folge in Kauf genommen habe, ausdrücklich nicht als erbracht angenommen hat. Auch das Berufungsgericht hat eine solche Annahme abgelehnt. Der für die Leistungsfreiheit der Revisionswerberin erforderliche bedingte Vorsatz ist demnach nicht erwiesen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06566

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00031.85.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19850912_OGH0002_0070OB00031_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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