TE OGH 1985/10/1 4Ob100/84

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Veröffentlicht am 01.10.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Elisabeth A, Angestellte, Wien 2., Max-Winterplatz 19, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Ing. B Autoverleih-Gesellschaft mbH in Wels, August-Göllerich-Straße 14-16, vertreten durch Dr. Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 32.951,15 und S 50.000,-- je sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 8. März 1984, GZ 44 Cg 25/84-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 6. Oktober 1983, GZ 2 Cr 2213/81-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 3.929,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 240,-- Barauslagen und S 335,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden: Klägerin) war seit 1.8.1980 bei der beklagten und widerklagenden Partei (im folgenden: beklagte Partei) als Angestellte beschäftigt. Mit Schreiben vom 20.7.1981 wurde sie fristlos entlassen. Mit der Behauptung, daß diese Entlassung ohne rechtfertigenden Grund und überdies verspätet ausgesprochen worden sei, begehrt die Klägerin von der beklagten Partei aus dem Titel der Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen) für die Monate August und September 1981 sowie der Urlaubsentschädigung für zwei Urlaubsjahre die Zahlung eines - der Höhe nach unbestrittenen - Betrages von S 32.951,15 brutto sA. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin, welche mit der Vermietung, Rücknahme und überstellung von Mietfahrzeugen betraut gewesen sei, sei mit Grund entlassen worden, weil sie beim Ausfüllen der entsprechenden Vertragsformulare trotz mehrfacher Ermahnungen überaus nachlässig vorgegangen sei; im Juni 1981 habe sie überdies entgegen einer ausdrücklichen Anweisung der beklagten Partei einen PKW an einen jugoslawischen Staatsbürger vermietet, welcher das Fahrzeug in der Folge unterschlagen habe. Nach der Absendung des Entlassungsschreibens habe die Klägerin den Geschäftsführer der beklagten Partei gebeten, die Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 31.7.1981 umzuwandeln; die beklagte Partei habe sich - 'ohne auf die Geltendmachung von Entlassungsgründen zu verzichten' - damit einverstanden erklärt.

Nachdem die beklagte Partei einen Teil des durch den Verlust des genannten Fahrzeuges entstandenen, von ihr mit mindestens S 100.000,-- bezifferten Schadens zunächst im Wege der aufrechnungsweisen Einwendung einer Gegenforderung von S 40.000,-- geltend gemacht hatte, hat sie am 14.1.1983 beim Erstgericht eine Widerklage eingebracht, mit welcher sie von der Klägerin die Zahlung eines Schadenersatzbetrages von S 50.000,-- sA begehrt. Die Klägerin hat gegenüber diesem Begehren auch den Einwand des Verfalles nach § 6 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes erhoben.

Das Erstgericht, welches die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, erkannte im Sinne des Begehrens der Klägerin und wies das Begehren der Widerklage ab. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Etwa zwei Wochen vor dem 1.8.1980 fand zwischen der Klägerin und Ing. Julius B - dem Mehrheitsgesellschafter und Gatten der Geschäftsführerin der beklagten Gesellschaft mbH - ein Einstellungsgespräch statt, bei welchem Ing. B der Klägerin sagte, daß sie bei der beklagten Partei Autos zu vermieten und unter Umständen auch zuzustellen hätte; alles weitere werde ihr dann vom Dienststellenleiter gesagt werden. Dienststellenleiter in der Vermietungsstelle der beklagten Partei in Wien 1, Canovagasse, war damals Christoph C, Dienststellenleiter der Vermietungsstelle im Hotel Hilton Reinhard D.

Die Klägerin, welche der beklagten Partei zunächst abgesagt hatte, wurde am Vormittag des 1.8.1980 von der beklagten Partei angerufen und gefragt, ob sie den Dienst nicht doch antreten wolle. Sie entschloß sich dazu, kam zu Mittag in die Dienststelle der beklagten Partei in die Canovagasse und erhielt noch an diesem Tag mehrere Ordner zu lesen, welche Weisungen über verschiedene Arten von Kreditkarten und über die Voraussetzungen für das Gewähren von 'Prozenten', ferner Anweisungen über das Führen von Telefongesprächen, enthielten. Christoph C sagte der Klägerin beim Dienstantritt, das Wichtigste bei der Vermietung von Kraftfahrzeugen sei die 'Gesichtskontrolle'; er meinte damit, daß die Klägerin sehr bald einen Blick dafür bekommen werde, welcher Mieter vertrauenswürdig sei. Der Klägerin wurde auch ausdrücklich gesagt, daß an alkoholisierte oder an solche Personen, die schlecht gekleidet seien, nicht vermietet werden dürfe; beim Ausfüllen des Mietvertrages seien die Führerscheindaten, die Paßdaten und vor allem die Adresse des Mieters festzuhalten.

Wie bei anderen Autovermietern, gab es auch bei der beklagten Partei eine sogenannte Warnkartei, in welcher jene Mieter aufschienen, die beim Mieten eines Kraftfahrzeuges schon einmal falsche Angaben gemacht hatten. Beobachtungen dieser Art wurden von der betreffenden Autovermieterin den anderen Unternehmen durch ein sogenanntes 'Ringwarnsystem' bekanntgegeben. Beim Einlangen einer derartigen Mitteilung hatte der jeweilige Bedienstete der beklagten Partei eine entsprechende Karte für die Warnkartei anzulegen. Der Klägerin war bekannt, daß vor dem Vermieten eines Kraftfahrzeuges in der Warnkartei nachgesehen werden mußte. Bei Mietern, die sich mit einer Kreditkarte auswiesen, mußte geprüft werden, ob diese Karte nicht gesperrt war. Sonst wurden aber die Angaben des Mieters nie überprüft, und es wurde insbesondere auch niemals irgendwo angerufen. Inländische Mieter kamen meistens von bereits bekannten Firmen. Bei Ausländern hielt man außer den Führerscheindaten auch noch die Reisepaßdaten und - ebenso wie bei Inländern - auch ihren ständigen Wohnort fest.

Schon am 1.8.1980 erhielt die Klägerin von der beklagten Partei die Schlüssel für die Dienststelle in der Canovagasse. Am folgenden Tag vermietete sie dort bereits Autos. Nachdem sie zunächst zwei bis drei Wochen lang nur in der Canovagasse gearbeitet hatte, war dann die Dienststelle der beklagten Partei im Hotel Hilton der hauptsächliche Dienstort der Klägerin. In der Canovagasse versah sie nur noch aushilfsweise Dienst.

Eine besondere Einschulung der Klägerin durch die beklagte Partei hatte nicht stattgefunden. Sie geschah in der Praxis dadurch, daß die Klägerin an Reinhard D Fragen stellte oder ihm bei der Arbeit zusah.

Die von der Klägerin aufgenommenen Verträge wurden von Reihard D nicht eingehend geprüft, sondern nur angesehen. Eine Durchschrift davon wurde noch am Tag der Vermietung an die Zentrale der beklagten Partei nach Wels geschickt.

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses der Klägerin kam es beim Ausfüllen von Mietvertragsformularen insofern zu Beanstandungen, als ihr sowohl von Reinhard D als auch von Ing. B gesagt wurde, sie solle beim Ausfüllen der Formulare fester aufdrücken. Tatsächlich hat die Klägerin Mietvertragsformulare handschriftlich so ausgefüllt, daß einzelne Durchschläge unleserlich oder nur schwer lesbar waren. Die beklagte Partei hat in solchen Fällen keine Verwarnungen mit Entlassungsandrohung gegenüber der Klägerin ausgesprochen. Ob auch die Originale Mängel aufwiesen, konnte nicht festgestellt werden.

Beim Vermieten der Kraftfahrzeuge mußte die Klägerin auch noch die sogenannte gelbe Karte ausfüllen; auf diesen Kärtchen wurden Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Anschrift, Telefonnummer, Stand, Beruf und Fahrpraxis des Mieters, Anschrift und Telefonnummer seines Arbeitgebers sowie Anschrift und Telefonnummer einer allfälligen Referenz, ferner Unfälle in den letzten drei Jahren angegeben, und die Karten vom Mieter unterfertigt. Die Klägerin hat diese Karte nicht in allen Fällen ausgefüllt, so insbesondere nicht bei einer Vermietung am 27.6.1981 und bei einer weiteren Vermietung am 3.7.1981. Die beklagte Partei hat solche Vorfälle aber nie beanstandet.

Am 19.6.1981 vermietete die Klägerin einen PKW der Marke Opel-Kadett an einen Mieter, der sich mit einem jugoslawischen Reisepaß, ausgestellt auf den Namen Ivan E, geboren am 5.12.1948, und einem jugoslawischen Führerschein ausgewiesen hatte. Zuvor hatte ein anderer Bediensteter der beklagten Partei eine Reservierung für dieses Fahrzeug vom Hotel Hilton eingetragen. Zum Abschluß des Mietvertrages, welcher nicht im Hotel Hilton, sondern in der Dienststelle der beklagten Partei in der Canovagasse stattfand, kamen damals zwei gut gekleidete Herren, von denen der eine, welcher sich als Ivan E ausgab, sehr gut deutsch sprach. Auf Grund ihres Auftretens nahm die Klägerin an, daß es sich um Geschäftsleute handle. Die Klägerin notierte auf dem Mietvertrag die Führerscheindaten, die Paßdaten und den Wohnort des vermeintlichen Ivan E und erhielt auch die geforderte Kaution von S 2.500,-- oder S 3.000,--. Irgendeine Auffälligkeit, die Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Mieters hätte erwecken können, hatte sich nicht ergeben. Der Wagen wurde zunächst bis zum 25.6.1981 gemietet. Nach einigen Tagen sprach der angebliche Ivan E telefonisch mit dem Dienststellenleiter Reinhard D und erreichte eine Verlängerung der Mietdauer bis 30.6.1981. Als der Wagen in der Folge trotz Versprechens des Mieters bis zu diesem Tag nicht zurückgebracht wurde, wartete Reinhard D noch einige Zeit zu und ließ dann durch die Klägerin eine Anzeige beim Polizeikommissariat Wien 3., Juchgasse, erstatten. Zugleich wurde die Zentrale der beklagten Partei in Wels von der überfälligkeit des Fahrzeuges verständigt und überdies auch die Filiale der beklagten Partei in Klagenfurt mit dem Ersuchen benachrichtigt, die Angaben des Ivan E zu überprüfen.

Mit Schreiben vom 11.5.1982 teilte die österreichische Botschaft in Belgrad der beklagten Partei mit, daß alle Angaben zur Person des Mieters falsch seien oder von den zuständigen jugoslawischen Stellen nicht bestätigt werden könnten. Auch eine Feststellung des Führerscheininhabers auf Grund der angegebenen Seriennummer sei nicht möglich gewesen, weil die Führerscheinevidenz auf Grund einer anderen, auf der linken Innenseite des Führerscheins angegebenen Ordnungszahl geführt werde.

Der Wagen konnte bisher nicht zustandegebracht werden. Bis zur Vermietung an den angeblichen Ivan E hatte die Klägerin keine Kenntnis von einer generellen Anordnung der beklagten Partei, wonach - von Reservierungen abgesehen - das Vermieten von Kraftfahrzeugen an Jugoslawen verboten sei. Daß die beklagte Partei überdies auch das Vermieten an Italiener und Südamerikaner untersagt hatte, erfuhr die Klägerin erst im Zuge dieses Rechtsstreites. Erst kurz vor der polizeilichen Anzeige wegen Unterschlagung des Wagens durch den angeblichen Ivan E hatte Ing. B die Klägerin gefragt, was sie sich denn dabei gedacht habe, als sie den PKW einem Jugoslawen vermietete. Er drohte ihr jedoch dabei keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen an.

Am Sonntag den 19.7.1981, als die Klägerin in der Dienststelle im Hotel Hilton arbeitete, sagte Christoph C kurz vor Arbeitsschluß, die Klägerin solle selbst kündigen oder sie werde entlassen werden, wenn sie am nächsten Tag im Betrieb auftauchen sollte. Als die Klägerin am folgenden Tag in der Canovagasse mit der Arbeit begann, wurde sie von Christoph C sogleich gefragt, was sie hier suche; die Klägerin erwiderte, daß sie nicht selbst kündige. Christoph C setzte sich daraufhin telefonisch mit der Zentrale der beklagten Partei in Wels in Verbindung. Um 14 Uhr desselben Tages kam Ing. B mit einem bereits vorbereiteten Schreiben, welches die Klägerin unterfertigen sollte. Dieses Schreiben hatte folgenden Inhalt:

'Auf Grund der letzten Vorkommnisse, Vermietung an einen Jugoslawen, trotz ausdrücklicher Anweisung der vorhergehenden Nachforschung als auch wegen wiederholter Nichtbeachtung von Dienstanweisungen (Ausfüllung der Personalkarte des Mieters) sind Sie mit einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses unter Wahrung Ihrer Rechte zum 31.7.1981 bereit.'

Die Klägerin weigerte sich, diesen Text zu unterfertigen. Ing. B gab ihr daraufhin bis zur Rückkehr ihrer Eltern, welche damals auf Urlaub waren, am 27.7.1981 Bedenkzeit. Die Klägerin arbeitete hierauf bis Freitag, den 24.7.1981 normal in der Canovagasse weiter. Am Sonntag, den 26.7., Montag, den 27.7., und Dienstag den 28.7.1981 hatte die Klägerin auf Grund ihrer Turnuseinteilung dienstfrei. Am Abend des 28.7.1981 erhielt sie die Mitteilung von der postamtlichen Hinterlegung eines rekommandierten Briefes der beklagten Partei. Dabei handelte es sich um das nachstehende, mit 20.7.1981 datierte Schreiben:

'Auf Grund Ihrer Nichteinhaltung von Dienstvorschriften, wodurch uns durch Entwendung eines neuen Fahrzeuges Schaden entstanden ist, erblicken wir darin eine grobe Fahrlässigkeit. Ebenso auch darin, daß ausländische Mieter nicht veranlaßt wurden, Personalkarten auszufüllen.

Wir sprechen damit die fristlose Entlassung aus.'

Die Klägerin behob dieses Schreiben am Mittwoch den 29.7.1981

noch vor Dienstbeginn.

Ihren Entschluß, das vorbereitete Schreiben betreffend die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zu unterfertigen, hatte die Klägerin schon am Montag den 27.7.1981 telefonisch Christoph C mitgeteilt, welcher hievon noch am selben Tag die Zentrale in Wels verständigte.

Die beklagte Partei hat das Vermieten des Kraftfahrzeuges an den angeblichen Ivan E zum Anlaß der Entlassung der Klägerin genommen. Daß die Klägerin nach diesem Vorfall noch ein weiteres Kraftfahrzeug an einen Jugoslawen vermietet und dieser Vorfall zur Entlassung der Klägerin geführt hätte, ist nicht erwiesen. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die von der beklagten Partei mehrfach beanstandete schlechte Lesbarkeit der Mietvertragsformulare eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht rechtfertigen könne. Da sonstige Unterlassungen der Klägerin - etwa das mehrmalige Nichtausfüllen der gelben Karte - von der beklagten Partei nie beanstandet worden seien, könne von einer beharrlichen Verweigerung der Befolgung dienstlicher Anordnungen nicht gesprochen werden. Auch ein weisungswidriges Vermieten eines Fahrzeuges an den angeblichen Ivan E könne der Klägerin nicht mit Grund vorgeworfen werden, sei ihr doch bis zu diesem Anlaßfall ein derartiges Verbot nicht zur Kenntnis gekommen; auch eine Verletzung sonstiger Dienstpflichten falle ihr in diesem Zusammenhang nicht zur Last. Im übrigen wäre das Entlassungsrecht der beklagten Partei längst verwirkt gewesen, weil die beklagte Partei um den 10.7.1981 von der Vermietung des Kraftfahrzeuges an einen Jugoslawen Kenntnis erlangt hatte, die Klägerin aber bis zum 24.7.1981 im Betrieb normal weitergearbeitet habe. Unter diesen Umständen bestehe der Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung in der unbestrittenen Höhe des eingeklagten Betrages zu Recht. Das Begehren der Widerklage habe hingegen abgewiesen werden müssen, weil die Klägerin, welche das von der beklagten Partei behauptete Verbot weder kannte noch habe kennen müssen, kein Verschulden an dem Schaden treffe.

Die Berufung der beklagten Partei bleib erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz. Der von der Klägerin abgeschlosssene Mietvertrag mit dem angeblichen Ivan E sei Ende Juni 1981 von Reinhard D selbst verlängert worden, so daß schon die Kausalität des Verhaltens der Klägerin für das Verschwinden des Fahrzeuges 'mehr als zweifelhaft' sei. Da bereits am 9.7.1981 die Anzeige wegen Verdachtes der Veruntreuung erstattet wurde, sei die der Klägerin am 29.7.1981 zugekommene Entlassung überdies verspätet. Auch die Widerklage sei zu Recht abgewiesen worden, weil - abgesehen von erheblichen Zweifeln an der Alleinverantwortlichkeit der Klägerin - das Verschulden der Klägerin in jedem Fall als minderer Grad des Versehens im Sinne des § 2 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zu werten, das Schadenersatzbegehren der beklagten Partei jedoch erst nach Ablauf der Fallfrist des § 6 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes erhoben worden sei. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von der beklagten Partei mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die beklagte Partei beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Zahlungsbegehren der Klägerin abgewiesen und dem Widerklagebegehren der beklagten Partei stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die von der beklagten Partei vor allem im Zusammenhang mit der von ihr behaupteten, von den Vorinstanzen jedoch nicht als erwiesen angenommenen (nachträglichen) einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Die Verlesung der Protokolle über die in erster Instanz aufgenommenen Beweise - insbesondere über die Aussagen der Zeugen Hildegard F, Reinhard D und Ing. Julius B - war durch § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG gedeckt, weil nach dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Berufungsverhandlung vom 6.10.1983 keine der Parteien dagegen Einsprache erhoben hat (SZ 27/86 = Arb. 5959 = JBl 1954, 409 = SozM IV A 44; Arb. 5935, 7659, 7874 uva). Der in der Berufungsschrift gestellte Antrag, die genannten Zeugen 'neuerlich und ergänzend zu unserem gesamten Vorbringen einzuvernehmen', konnte diese Einsprache nicht ersetzen (EvBl 1984/35 mwN). Ob sich das Berufungsgericht in einem solchen Fall mit der Verlesung der Protokolle begnügt oder eine unmittelbare Beweiswiederholung für notwendig hält, gehört in das Gebiet der mit Revision nicht mehr anfechtbaren Beweiswürdigung. Das gleiche gilt für die Ablehnung der - von der beklagten Partei erstmals in der Berufung beantragten - Vernehmung des Zeugen Christoph C, weil auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes, daß der rechtserhebliche Sachverhalt durch die schon vorliegenden Beweisergebnisse hinreichend geklärt sei, dem Bereich der richterlichen Tatsachenbeurteilung angehört und damit einer überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist. Soweit aber in der Revision behauptet wird, das Berufungsgericht sei - entgegen dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls - seiner Verpflichtung zur Neuverhandlung der Streitsache (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG) in Wahrheit gar nicht nachgekommen, kann darauf schon deshalb nicht weiter eingegangen werden, weil die beklagte Partei die in § 196 Abs 1 ZPO zwingend vorgeschriebene sofortige Rüge eines solchen (vermeintlichen) Verfahrensverstoßes unterlassen und damit auf dessen Geltendmachung mit Revision verzichtet hat (Fasching II 952 § 196 ZPO Anm. 4; Fasching, Lehrbuch 384 Rz 798).

Auch die Rechtsrüge der Revision ist nicht begründet. Daß die beklagte Partei weder das gelegentlich nachlässige Ausfüllen von Mietvertragsformularen durch die Klägerin noch das zweimalige Unterbleiben des Ausfüllens einer gelben Karte als so schwerwiegend angesehen hat, daß ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal für die Dauer der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre, folgt schon aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils, wonach Reinhard D und Ing. B zwar die Klägerin mehrfach aufgefordert haben, beim Ausfüllen der Formulare fester aufzudrücken, ihr gegenüber aber aus diesem Grund keine Verwarnung mit Entlassungsandrohung ausgesprochen und auch sonst niemals beanstandet haben, die Klägerin habe 'eine Karte oder sonst etwas' nicht ausgefüllt. Der gegen die Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) sowie der beharrlichen Weigerung, sich den Anordnungen ihrer Arbeitgeberin zu fügen (§ 27 Z 4 AngG), ist deshalb nicht stichhältig. Die Entlassung der Klägerin kann aber, wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben, auch nicht auf die Tatsache des Vermietens eines PKWs an einen (angeblich) jugoslawischen Staatsbürger, der das Fahrzeug in der Folge veruntreut hat, gestützt werden. Die Klägerin hat beim Ausfüllen dieses Mietvertrages am 19.6.1981 weisungsgemäß die Führerscheindaten, die Reisepaßdaten und die Wohnadresse des angeblichen Ivan E festgehalten und eine Kaution von S 2.500,-- oder S 3.000,-- kassiert. Besondere Umstände, die einer Vermietung des Fahrzeuges im konkreten Fall entgegengestanden wären, sind weder behauptet worden nocht hervorgekommen; nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die Klägerin vielmehr den angeblichen Ivan E und dessen Begleiter - deren Kommen übrigens schon vom Hotel Hilton avisiert worden war - auf Grund ihres Auftretens für Geschäftsleute gehalten. Daß Ivan E etwa in der sogenannten 'Warnkartei' aufgeschienen wäre, wurde gleichfalls nicht behauptet. Weitere überprüfungen, insbesondere irgendwelche Kontrollanrufe oder dergleichen, wurden im Betrieb der beklagten Partei nie vorgenommen. Soweit sich aber die beklagte Partei auch in dritter Instanz wieder auf eine interne Dienstanweisung beruft, nach der das Vermieten eines Fahrzeuges an einen jugoslawischen Staatsbürger generell verboten gewesen sei, entfernt sie sich von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils, wonach die Klägerin bis zum gegenständlichen Anlaßfall von einer generellen Anordnung dieses Inhalts keine Kenntnis hatte.

Auf der Grundlage dieser Sachverhaltsfeststellungen ist der Vorwurf der beklagten Partei, die Klägerin habe sich bei der Vermietung des Fahrzeuges an den angeblichen Ivan E einer Verletzung ihrer Dienstpflichten schuldig gemacht, ebensowenig stichhältig wie die Behauptung eines ihr bei dieser Gelegenheit sonst unterlaufenen Sorgfaltsverstoßes. Damit entbehrt aber auch der von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) jeder sachlichen Grundlage. Auf die Ausführungen der Revision zur Frage der Kausalität des Verhaltens der Klägerin, der verspäteten Geltendmachung des Entlassungsgrundes sowie einer allfälligen Verfristung (§ 6 DHG) des mit der Widerklage erhobenen Schadenersatzbegehrens der beklagten Partei brauchte bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden; da ein schuldhaftes Fehlverhalten der Klägerin nicht erwiesen ist, war der Zuspruch des eingeklagten Betrages an die Klägerin ebenso gerechtfertigt wie die Abweisung des Begehrens der Widerklage.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06526

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00100.84.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19851001_OGH0002_0040OB00100_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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