TE OGH 1985/10/3 6Ob666/85

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Veröffentlicht am 03.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Karl A und 2.) Theresia B, beide Gast- und Landwirte, 4293 Gutau 15, beide vertreten durch DDr.Gunter Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt, wider die beklagte Partei Alfred C, Angestellter, Waldeggstraße 73, 4020 Linz, vertreten durch Dr.Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert S 30.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5.Oktober 1984, GZ.14 R 78/84-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Pregarten vom 7.Mai 1984, GZ. C 115/83-14, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit die Revision auch die Stattgebung des vom Erstgericht abgewiesenen Mehrbegehrens (Punkt I.4. des Ersturteils) anstrebt, wird sie zurückgewiesen; im übrigen wird ihr hingegen Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil in seinem dem Begehren der beiden Kläger stattgebenden Teil (Punkt I.1. bis 3.) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.015,90 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 259,63 Umsatzsteuer und S 160,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 109 KG Gutau, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück 427 Wald gehört; der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 249 derselben Katastralgemeinde, zu deren Gutsbestand auch das Gründstück 437 Garten gehört.

Die Kläger begehrten 1. die Feststellung, daß ihnen und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum der EZ 109 KG Gutau zur Bewirtschaftung des Grundstücks 427 Wald die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes in Ansehung des in der Natur ersichtlichen Fahrweges, soweit er zwischen den Grenzpunkten 1164 und 1168 über das Grundstück 437 KG Gutau (EZ 249) des Beklagten verlaufe, zustehe, 2. die Einwilligung in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit und 3. die Entfernung einer auf dem Grundstück 437 errichteten Grundfeste samt Mauer zwischen den erwähnten Grenzpunkten, soweit hiedurch die Breite des Fahrweges auf weniger als drei Meter eingeengt werde, sowie die Unterlassung künftiger Störungen. Sie brachten hiezu vor, im Zuge der Bewirtschaftung ihres Grundstückes 427 seien sie seit Jahrzehnten über den Fahrweg gefahren, sodaß sie das behauptete Fahrtrecht ersessen hätten. Der Weg verlaufe zwischen den schon genannten Grenzpunkten zum Teil auch über das Grundstück des Beklagten, dessen Rechtsvorgänger den Weg auch respektiert und deshalb die Umzäunung nördlich desselben angelegt habe. Der Beklagte, dem die Anrainerin Anna D (im Verfahren der Vorinstanzen noch Erstklägerin) im Zuge einer von ihm im Herbst 1982 veranlaßten Vermessung bedeutet habe, der Weg müsse offen bleiben, habe den in der Natur gut sichtbaren Weg durch eine in den Jahren 1982, 1983 aufgeführte Stützmauer derart eingeengt, daß er mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht mehr befahren werden könne. Der Weg weise im fraglichen Bereich nur mehr eine Breite von 1 m auf. Da das Fahrtrecht eine offenkundige Dienstbarkeit sei, könne sich der Beklagte auch nicht auf gutgläubigen lastenfreien Erwerb berufen.

Der Beklagte bestritt die Ersitzung und wendete außerdem ein, ihm sei beim Erwerb der Liegenschaft wiederholt lastenfreier Erwerb zugesichert worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im wesentlichen statt; lediglich das Mehrbegehren auf Wiederherstellung des Fahrweges über eine Breite von 2,5 m hinaus wies es ab. Es stellte unter anderem fest, daß der Wiesenweg als terrassenartige Fläche vom öffentlichen Weg Nr.1653 KG Gutau in westlicher Richtung gut sichtbar abzweigt. In den ersten 5 bis 6 m, und zwar im Einmündungsbereich ist der Weg etwa 3 m breit, teilweise 'erdig', zum Teil mit Gras bewachsen. Nördlich schließt eine im Winkel von ca 50 bis 60 Grad ansteigende Böschung gleicher Oberflächenbeschaffenheit an, im Süden fällt die Böschung etwa 2 bis 3 m steil in das angrenzende Grundstück 442 ab und ist mit Gras und Heidekraut bewachsen. Nach etwa 5 bis 6 m verengt sich die terrassenartige Fläche auf etwa 2,5 m und ist auf der linken Hälfte mit kurzem Gras bewachsen; in der Mitte verläuft ein etwa 30 cm breiter Erdstreifen, rechts schließt ein etwa 50 cm breiter Grasstreifen an. Die aufsteigende Böschung wird nach etwa 5 m vegetationslos; die Erde ist ziemlich 'frisch'. Die terrassenartige Fläche verläuft in dieser Beschaffenheit bis zu einer an der rechten Seite errichteten, etwa 1,5 m hohen Mauer, die das Grundstück 437 des Beklagten eingrenzt. In der Folge verläuft die terrassenartige Fläche, bezogen auf die südliche Böschungskante in westlicher Richtung gesehen, etwa 1 m nördlich der Grenzsteine 1164 und 1170, zwischen welchen eine mit Traktoren befahrbare Zufahrt zum Grundstück 439 der Anna E erkennbar ist. Der Grenzstein 1171 ist in einer Entfernung von 1 bis 1,5 m von der südlichen Böschungskante unmittelbar auf dem Wiesenweg versetzt; der Abstand zur Mauer beträgt noch etwa 50 cm. In weiterer Folge verläuft der Weg teils auf dem Grundstück 439, teils auf dem des Beklagten bis zu dem zur Hälfte in die beschriebene Mauer eingelassenen Grenzstein 1168, der von der südlichen Böschungskante etwa 2,5 bis 3 m entfernt ist. Von da an verläuft der Weg bis zum Grundstück der Kläger zur Gänze auf dem Grundstück 439. Ab dem Beginn der vom Beklagten errichteten Mauer verengt sich der Weg bis auf etwa 1,5 bis 2 m. Etwa 8 m nach dem Grenzstein 1168 weist die Mauer einen Knick in Richtung Nordwesten auf. Dort wird der Weg durch die Mauer auf etwa 1,5 m eingeengt.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, es sei zwar eine auch stillschweigende Einräumung des behaupteten Fahrtrechtes nicht erweislich, doch hätten die Kläger das Geh- und Fahrtrecht seit 38 Jahren ausgeübt und damit jedenfalls ersessen. Da die Servitut offenkundig sei und der Beklagte von deren Bestehen positive Kenntnis erlangt habe, könne vom gutläubigen lastenfreien Erwerb der Liegenschaft keine Rede sein. Da der befahrbare Weg nur 2,5 m breit gewesen sei, sei allerdings das entsprechende Mehrbegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, und ließ die Revision nicht zu. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes über die Beschaffenheit des Wiesenweges und die angrenzenden Böschungen, traf aber im übrigen nach Beweiswiederholung gemäß § 281 a ZPO eigene Feststellungen:

Die Kläger sind erst seit 1977 Eigentümer der Liegenschaft EZ 109 KG Gutau. Die Liegenschaft gehörte vorher dem Vater des Erstklägers Karl A. Das Grundstück 427, bis dahin Acker, wurde erst in den Jahren 1957, 1958 in Wald umgewidmet. Mangels anderer Zufahrtsmöglichkeit benützten der Rechtsvorgänger der Kläger und diese selbst den Wiesenweg im Zuge der Bewirtschaftung ihres Grundstückes. Der Weg wies, ehe der Beklagte entlang der Grundstücksgrenze eine Mauer aufführte, eine Breite von etwa 2,5 m auf, sodaß er mit Pferdefuhrwerken und Traktoren befahren werden konnte. Die Kläger benützten den Wiesenweg bis 1981 jährlich ein- bis zweimal, seither befährt der Schwager des Erstklägers den Weg, um für die Kläger das Schneedruckholz aus dem Wald zu holen. Adolf F, ein Rechtsvorgänger des Beklagten, benützte den Weg, um zu seiner Senkgrube zu gelangen, ebenso wie Anna E, deren Grundstück 439 an der Südseite an das Grundstück des Beklagten angrenzt. Adolf F hat die Benützung des Weges durch die Kläger und Anna E im Rahmen der Bewirtschaftung ihrer Grundstücke 427 und 439 hingenommen, weil er einsah, daß sie nur auf diesem Weg zu ihrem Grundstück zufahren konnten, und er den Weg schließlich auch selbst benützte. Adolf F legte den zur Einfriedung seines Anwesens hergestellten Maschendrahtzaun deshalb so an, daß der Wiesenweg in einer Breite von 2,5 m erhalten blieb. Auch Gisela F und in der Folge Gisela G, gleichfalls Rechtsvorgänger des Beklagten, gestatteten den Klägern und Anna E die Benützung des Weges.

Vor Abschluß des Vertrages vom 16.3.1982, mit welchem der Beklagte die Liegenschaft EZ 249 KG Gutau erwarb, hat er das zu deren Gutsbestand gehörige Grundstück 437 zumindest zweimal besichtigt. Im Zuge des ersten Vertragsgespräches begingen Adolf F und der Beklagte die Liegenschaft, wobei Adolf F dem Beklagten den Verlauf der Grundstücksgrenzen zeigte. Beim zweiten Gespräch wurde die Liegenschaft entlang des von Adolf F errichteten Zaunes begangen und wurden die Senkgrube sowie der Brunnen besichtigt. Der Wiesenweg zeigte damals etwa die gleiche Beschaffenheit wie anläßlich der Ortsaugenscheine des Erstgerichtes. Er wies keine Fahrspuren auf und war teilweise verwachsen, jedoch 'als solcher erkennbar'. Der Beklagte nahm den Wiesenweg auch wahr, beachtete ihn aber nicht weiter, weil er weder wußte, wohin der Weg führte, noch ob er überhaupt zum Grundstück der Verkäufer gehörte. Im Zuge der Unterfertigung des Kaufvertrages am 16.3.1982 in der Kanzlei des Notars Dr.Julius H wurde das Fahrtrecht der Kläger nicht erwähnt; vielmehr wurde dem Beklagten im Vertrag die lastenfreie übergabe der Liegenschaft zugesichert. Der Kaufvertrag wurde am 19.5.1982 verbüchert. Im Spätfrühling 1982 - ob vor oder nach der Verbücherung war nicht mehr feststellbar - ließ der Beklagte die Grundstücksgrenze neu vermessen und neue Grenzsteine versetzen. Anna E, die der Vermessung zugezogen war, wies den Beklagten bei dieser Gelegenheit auf das von ihr und den Klägern in Anspruch genommene Fahrtrecht hin. Damals wurde der Beklagte erstmals vom Fahrtrecht in Kenntnis gesetzt. Gleichfalls noch im Frühjahr 1982 informierten Heinrich I und der Vater des Erstklägers den Beklagten vom Bestand des Fahrweges und darüber, daß er diesen nicht beseitigen dürfe; es steht aber nicht fest, ob dies noch vor dem 19.5.1982 geschehen ist. Daraufhin setzte sich der Beklagte mit Adolf F ins Einvernehmen, der ihm mitteilte, er wisse von dem behaupteten Fahrtrecht nichts.

Im Herbst 1982 errichtete der Beklagte an der Grundgrenze eine Mauer, die - in östlicher Richtung gesehen - ab dem Grenzstein 1168 zunächst nur teilweise und sodann zur Gänze auf dem Wiesenweg verläuft und diesen bis zu einer Restbreite von 1,5 bis 2 m einengt, sodaß die Kläger seither nicht mehr zu ihrem Grundstück 427 zufahren können.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus, die Rechtvorgänger des Beklagten hätten den Klägern das Fahrtrecht schlüssig eingeräumt. Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit sei dem Rechtsnachfolger des Bestellers gegenüber wirksam, wenn dieser sie gekannt habe oder die Dienstbarkeit offenkundig sei. Der Rechtsnachfolger genieße demnach keinen Schutz, wenn er den Widerspruch zwischen Grundbuchstand und tatsächlichen Verhältnissen hätte feststellen können. Den Klägern sei der Beweis, daß der Beklagte schon vor der Verbücherung des Kaufvertrages am 19.5.1982 vom Bestand des Fahrtrechtes in Kenntnis gesetzt worden sei, nicht gelungen. Die Servitut sei auch nicht offenkundig. Dies sei nur anzunehmen, wenn vom dienenden Grundstück aus bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmbar seien, die den Bestand der Dienstbarkeit vermuten ließen. Es müsse zwar kein gebahnter Fahrweg vorhanden sein, sondern es würden auch Fahrspuren als ausreichend erachtet, ein bloßer Gras- oder Gehweg genüge indessen nicht, um die Vermutung zu begründen, hier werde regelmäßig gefahren. Die terrassenförmige Anlage des Weges und die teils 'erdige', teils mit Gras bewachsene Oberfläche rechtfertigten die Annahme der Offenkundigkeit des Fahrtrechtes nicht. Daher habe der Beklagte gemäß § 1500 ABGB im guten Glauben die Liegenschaft frei von der behaupteten Last erworben.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag, das Urteil im Sinne der vollen Klagsstattgebung, hilfsweise im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist bloß soweit unzulässig, als die Kläger damit die Klagsstattgebung auch im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens laut Punkt I.4 des erstgerichtlichen Urteiles anstreben, weil dieser Teil des Urteiles unbekämpft geblieben und somit in Rechtskraft erwachsen ist; im übrigen ist das Rechtsmittel dagegen zulässig. Eine im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage liegt auch vor, wenn zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung allgemeine Leitsätze entwickelt wurden, die konkrete Lösung des zur Beurteilung anstehenden Falles sich daraus aber noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern mangels Vorentscheidungen bei gleichgelagertem Sachverhalt ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, bloß ähnlich gelagerten Fällen erforderlich ist (so zum Wettbwerbsrecht ÖBl.1984,104; zum Unterhaltsrecht 4 Ob 510/85 ua). Wohl ist die Frage, ob bzw. wann auch der Rechtsnachfolger des Bestellers eine nicht verbücherte Dienstbarkeit gegen sich gelten lassen muß, bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes gewesen. Soweit überblickbar, ist allerdings die Frage, ob ein im land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebiet an der Grundstücksgrenze verlaufender, terrassenartig angelegter Bringungsweg ein nicht verbüchertes Fahrtrecht vermuten lasse, vom Obersten Gerichtshof bislang noch nicht beurteilt worden, sodaß die Revision zur Rechtsentwicklung zuzulassen ist.

In diesem Umfang ist die Revision auch berechtigt.

Der Beklagte bezweifelt in der Revisionsbeantwortung den Erwerb der Dienstbarkeit durch die Kläger überhaupt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsvorgänger des Beklagten - vor allem Adolf F und Gisela G - den Klägern ein Fahrtrecht durch

Gestattung einräumten, weil feststeht, daß der Rechtsvorgänger der Kläger und diese selbst seit 1946 den Weg zur Bewirtschaftung ihres früher als Acker und nunmehr als Wald genutzten Grundstückes laufend mit Fahrzeugen (Fuhrwerken) benützten (AS 182 und 183) und die Kläger das Fahrtrecht somit jedenfalls ersessen haben (§§ 1468, 1470 und 1477 ABGB). Daß die Voraussetzungen der uneigentlichen Ersitzung nicht vorlägen, hat der Beklagte gar nicht behauptet. Auch daß die Kläger (bzw. deren Rechtsvorgänger) das Fahrtrecht - der Nutzung des Grundstückes und ihren Bedürfnissen entsprechend - nur verhältnismäßig selten ausgeübt haben, steht der Ersitzung nicht entgegen (§ 1460 ABGB und Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 1460; vgl. auch § 1471 ABGB). Es ist deshalb davon auszugehen, daß den Klägern die behauptete Dienstbarkeit am Grundstück 437 zustand, als es der Beklagte erworben hat.

Fraglich kann nur sein, ob der Beklagte die Liegenschaft gemäß § 1500 ABGB lastenfrei erworben hat. Zum Ausschluß des gutgläubigen Erwerbes eines Dritten (§ 1500 ABGB) muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob im Zeitpunkt der übereignung des dienenden Grundstückes Anlagen vorhanden waren, die den Zweck des Dienens als offenkundig erkennen ließen (SZ 36/92 ua). Da das Grundbuch für Dienstbarkeiten von vornherein eine geringere Aussagekraft besitzt, weil diese Rechte nicht immer lückenlos verbüchert (Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher, Sachenrecht 2 174), und im Nachbarschaftsverhältnis Liegenschaften vielfach seit Generationen in dem guten Glauben mitbenützt werden, daß hiezu ein Recht bestehe (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts 7 ,II 147), ist der Erwerber einer Liegenschaft zu Nachforschungen verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuches ergeben (RZ 1962,83). Dies ist der Fall, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen kann, das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (SZ 28/30; NZ 1978,110; 1 Ob 1/84; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 481). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen allerdings nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (Koziol-Welser aaO 98; Ehrenzweig System 2 I/2,118; so auch Mietslg.36.032).

Bei einem durch seine charakteristische terrassenförmige Anlage gekennzeichneten land- und forstwirtschaftlichen Bringungsweg, der nicht nur im Bereich der Einmündung in das öffentliche Wegenetz, sondern auch - wie nicht zuletzt den vorgelegten informativen Lichtbildern deutlich entnommen werden kann - in seinem weiteren Verlauf als solcher wahrgenommen werden konnte, durfte sich der Beklagte auf das Nichtbestehen einer so in die Augen fallenden Dienstbarkeit nicht verlassen (vgl. Klang in seinem Kommentar II VI 667; SZ 28/30). Das Gericht zweiter Instanz berief sich zur Begründung seiner Ansicht, der vorhandene Weg sei keine besondere Anlage, auf die teilweise in MietSlg.32.031 veröffentlichte Entscheidung 2 Ob 609/79, in der zwei nicht veröffentlichte Entscheidungen des Obersten

Gerichtshofes - 7 Ob 38/72 und 5 Ob 551/77 - zitiert wurden, welche zum Ausdruck brächten, ein bloßer Gras- oder Gehweg reiche noch nicht aus, um die Vermutung zu rechtfertigen, hier werde regelmäßig gefahren. In beiden Entscheidungen waren jedoch keine besonderen Weganlagen, sondern bloß mehr oder minder ausgetretene Pfade (Steige) zum Anlaß genommen worden, um Fahrtrechte zu behaupten. Im vorliegenden Fall ist aber eine Böschung terrassenförmig auf eine solche Breite eingeebnet, daß kaum ein anderer Schluß gerechtfertigt ist, als daß der hiedurch geschaffene Grundstreifen als Bringungsweg für die angrenzenden, einer sonstigen Zufahrtsmöglichkeit entbehrenden Grundstücke dienen soll. Dies kommt vor allem auf den Lichtbildern 7, 11 und 12 deutlich zum Ausdruck. Außerdem übersah das Berufungsgericht, daß der Beklagte selbst anläßlich der Begehung des Grundstückes vor Vertragsabschluß den Weg wahrgenommen und ihn nur nicht weiter beachtet hat (AS 184). Für den Beklagten bestand auf Grund der vorhandenen Anlagen und seiner eigenen Wahrnehmung die Verpflichtung, Nachforschungen über die Richtigkeit des Grundbuchstandes anzustellen. Fahrlässig handelt und keinen Schutz nach § 1500 ABGB genießt, wer den Widerspruch zwischen Grundbuchsstand und tatsächlichen Verhältnissen durch geeignete Erhebungen hätte feststellen können (SZ 55/46 mwN). Wer in Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage eine Liegenschaft erwirbt, kann sich nicht mit Erfolg auf den Grundbuchsstand berufen. Durch die vom Beklagten bei den Voreigentümern eingeholten Auskünfte konnte eine eindeutige Klärung der von den Klägern behaupteten Ansprüche nicht erwartet werden. Es reicht zur Dartuung des gutgläubigen Erwerbes nicht aus, daß von den Voreigentümern allein die Lastenfreiheit der Liegenschaft behauptet worden ist. Der Beklagte wäre vielmehr genötigt gewesen, durch zumutbare Nachforschungen, allenfalls durch Kontaktaufnahme mit den angrenzenden Grundeigentümern, die in erster Linie als Benützer des Fahrweges in Betracht kamen, eine Klärung der von den Klägern behaupteten Rechte herbeizuführen (SZ 55/46; Klang aaO 667). Da er dies - jedenfalls vor dem Erwerb der Kaufliegenschaft - nicht einmal versucht hat, kann ihm beim Eigentumserwerb guter Glaube nicht zugute gehalten werden.

Daraus folgt aber, daß die Kläger berechtigt sind, ihre nicht verbücherte Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes auch gegenüber dem Beklagten als Rechtsnachfolger im Eigentum des dienenden Gutes geltend zu machen, auf Verbücherung dieser Servitut zu dringen und die Entfernung störender Anlagen bzw. die Unterlassung weiterer Störungen der Dienstbarkeit zu begehren.

In Stattgebung der Revision war deshalb das Ersturteil im bezeichneten Umfang wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs.1 und 2 sowie 50 ZPO. Den Klägern gebühren die halben Kosten der Berufungsverhandlung und der Revision (unter Bedachtnahme auf 10 % Streitgenossenzuschlag); die ihnen darüber hinaus erwachsenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens entfallen auf das über Klage der Anna E eingeleitete Verfahren.

Anmerkung

E06546

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00666.85.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19851003_OGH0002_0060OB00666_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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