TE OGH 1985/10/3 7Ob32/85

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Veröffentlicht am 03.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vrositzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B C Versicherungsanstalt, Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Karl D, Bohrist, Linz, Zibermayrstraße 47, vertreten durch Dr.Arnold Figl, Rechtsanwalt in Linz, wegen 57.460,50 S s.A. und Feststellung (Streitwert 25.195,50 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.März 1985, GZ.3 a R 4/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24.September 1984, GZ.3 Cg 158/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird, soweit es sich auf Punkt 1.a) der Entscheidung des Erstgerichtes bezieht, dahin abgeändert, daß dieser Teil der erstgerichtlichen Entscheidung als Teilurteil zu lauten hat:

'Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin einen Betrag von 38.307,--

S samt 4 % Zinsen seit 15.3.1984 binnen 14 Tagen zu bezahlen'.

2. den Beschluß

gefaßt:

Im übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen soweit sie nicht Gegenstand des Teilurteiles sind (Leistungsbegehren über weitere 19.153,50 S s.A., Feststellungsbegehren und Kostenentscheidung) aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verschuldete am 10.2.1981 mit einem bei der Klägerin gegen Haftpflicht versicherten PKW einen Verkehrsunfall, bei dem die Minderjährige Martina E schwer verletzt wurde. Er wurde deswegen des Vergehens nach § 88 Abs.1 und 4, erster Fall, StGB rechtskräftig schuldig erkannt. Fest steht bereits, daß die Klägerin gegenüber dem Beklagten nach Art.8 Abs.2 Z 2 AKHB 1967 bis zu einem Betrag von 100.000 S leistungsfrei ist, weil der Beklagte trotz bestehenden Verdachtes der Alkoholisierung die Blutabnahme verweigert hat. Der nunmehrige Vertreter der Klägerin erhob am 21.7.1981, als damals rechtsfreundlicher Vertreter der Geschädigten, erstmals ziffernmäßig bestimmte Forderungen aus dem Unfall gegen den Beklagten, der die Geschädigte an die Klägerin, als seinen Haftpflichtversicherer, verwies. Mit dieser fanden weitere Verhandlungen statt. In der Folge wurde die Abwicklung des Strafverfahrens gegen den Beklagten abgewartet. Am 14.12.1981

richtete der nunmehrige Klagevertreter namens der Geschädigten neuerlich ein Forderungsschreiben an die Klägerin, in dem die bereits mit Schreiben vom 21.7.1981 erhobenen Forderungen neuerlich gestellt wurden.

Nach Vergleichsverhandlungen einigten sich die Klägerin und die Geschädigte auf eine Verschuldensteilung 1 : 1. Die Klägerin unterbreitete am 9.3.1982 auf dieser Basis ein Vergleichsanbot, das von der Geschädigten akzeptiert und am 29.3.1982 von dem für sie zuständigen Pflegschaftsgericht genehmigt wurde. Der Vertreter der Geschädigten unterfertigte hierauf eine Abfindungserklärung, worauf die Klägerin den verglichenen Betrag in der Höhe von 74.804,50 S zahlte. Hievon begehrt sie den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von 57.460,50 S vom Beklagten, wobei sie auf ihre Leistungsfreiheit bis zu einem Betrag von 100.000 S verweist. Im übrigen begehrt sie die Feststellung, daß ihr der Beklagte für alle weiteren Aufwendungen bis zu einem Gesamtbetrag von 100.000 S ersatzpflichtig sei.

Der Beklagte wendete Verjährung ein und machte geltend, die Geschädigte hätte ein überwiegendes Mitverschulden an dem Verkehrsunfall getroffen, weshalb die Befriedigung von 50 % ihrer Forderung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Die Klägerin hätte lediglich 25 % der Forderung der Geschädigten anerkennen dürfen. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen, wobei das Berufungsgericht im wesentlichen folgenden Rechtsstandpunkt vertrat:

§ 63 Abs.2 KFG begründe zwar eine Fortlaufhemmung, doch sei diese Bestimmung hier deshalb nicht anwendbar, weil die Klägerin die Forderung der Geschädigten nicht schriftlich abgelehnt habe. Nur die zwischen der Klägerin und der Geschädigten geführten Vergleichsverhandlungen hätten allenfalls eine Hemmung der Verjährung begründen können, jedoch wäre dies nur eine Ablaufhemmung gewesen. Diese hätte jedoch zur Voraussetzung, daß die Klägerin unverzüglich die Klage eingebracht hätte. Die Klage sei jedoch erst am 8.5.1984, also einen erheblichen Zeitraum nach Beendigung der Vergleichsverhandlungen, eingebracht worden. Demanch sei die Verjährung der Ansprüche der Geschädigten nicht gehemmt worden. Da Regreßansprüche nach § 158 f VersVG im selben Zeitraum wie die Hauptforderung verjähren und im vorliegenden Fall von einem Beginn des Laufes der Verjährungsfrist mit 10.2.1981 auszugehen sei, müsse die Klagsforderung als verjährt angesehen werden.

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Richtig ist, daß im Hinblick auf den Wortlaut des § 158 f VersVG der Regreßanspruch des Versicherers nach den für den übergegangenen Anspruch geltenden Vorschriften verjährt (Prälss-Martin, VVG 23 913, VersR 1979,70 ua). Ferner ist es zutreffend, daß die im § 63 Abs.2 KFG normierten Bestimmungen über eine Hemmung der Verjährung nicht für Vergleichsverhandlungen, sondern nur für vom Versicherer abgelehnte, ihm gegenüber erhobene Ansprüche gelten (ZVR 1976/51 ua.). Schließlich setzt die Anwendung der Bestimmung des § 63 Abs.2 KFG voraus, daß Ansprüche des geschädigten Dritten gegen den Versicherer zum Tragen kommen (2 Ob 186,187/74, 2 Ob 198/73 ua.). Im vorliegenden Fall wurden nun Ansprüche des geschädigten Dritten gegen die Klägerin als Versicherer geltend gemacht. Hiebei spielt es keine Rolle, daß die Geltendmachung zunächst gegenüber dem Schädiger selbst erfolgte. Dieser hat den geschädigten Dritten an die Klägerin, als seinen Haftpflichtversicherer, verwiesen. In der Folge fanden dann die Verhandlungen zwischen dem geschädigten Dritten und der Klägerin als Haftpflichtversicherer statt. Nach Unterbrechung der Verhandlungen kam es dann zu einer neuerlichen direkten Geltendmachung der Ansprüche des geschädigten Dritten gegen die Klägerin. Die erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 63 Abs.2 KFG ist sohin gegeben.

Es trifft auch zu, daß die Klägerin die ihr gegenüber geltend gemachten Ansprüche des geschädigten Dritten nie abgelehnt, sondern lediglich mit diesem Vergleichsverhandlungen geführt hat. Aus diesem Grunde ist tatsächlich eine Hemmung der Verjährung nach § 63 Abs.2 KFG nicht eingetreten. Die Vorinstanzen haben jedoch den letzten Satz dieser Bestimmung übersehen, demzufolge nicht nur die Hemmung, sondern auch die Unterbrechung der Verjährung des Schadenersatzanspruches gegen den ersatzpflichtigen Versicherten auch die Hemmung oder die Unterbrechung der noch laufenden Verjährung des Schadenersatzanspruches gegen den Versicherer bewirkt und umgekehrt. Ein Anerkenntnis der Forderung des geschädigten Dritten durch den Versicherer bewirkt sohin auch eine Unterbrechung der Verjährung der Forderung des geschädigten Dritten gegen den Schädiger selbst (ZVR 1973/202, 2 Ob 186,187/74, 2 Ob 270/75 ua.). § 1497 ABGB nennt nun als Grund für eine Unterbrechung der Verjährung nur das Anerkenntnis, nicht aber den Vergleich. Der Unterschied zwischen diesen beiden Instituten wird von der Lehre und Rechtsprechung im wesentlichen darin erblickt, daß der Vergleich, im Gegensatz zum Anerkenntnis, ein beiderseitiges Nachgeben zur Voraussetzung hat (vgl. Ertl in Rummel, Rdz 1 zu § 1380, Koziol-Welser 6 I, 225 f.ua.). Strittig ist, ob durch den Vergleich stets ein neues Rechtsverhältnis geschaffen wird, das an die Stelle des alten tritt (Ertl aaO Rdz 2 zu § 1380, Wolff in Klang 2 VI, 277 ua.), oder ob dies nur dann der Fall ist, wenn nach dem Willen der Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird (SZ 55/152, SZ 44/179, SZ 42/2, RZ 1978/88 ua.). Für die Richtigkeit letzterer Auffassung spricht der Umstand, daß auch die Novation ein Vertrag ist, bezüglich dessen der Vertragswille der Parteien ausschlaggebende Bedeutung hat. Es ist nicht einzusehen, warum man den Parteien ein neues Rechtsverhältnis anstelle des alten auch dann aufzwingen soll, wenn dies offensichtlich gar nicht ihrer Absicht entsprach, wie dies bei bloßen Ratenvergleichen oder Vergleichen der Fall sein wird, die nur eine Reduzierung einer behaupteten Forderung der Höhe nach (z.B. auch durch Zugeständnis eines Mitverschuldens) zum Gegenstand haben. Hier wird wohl in der Regel keine der Parteien das Ziel verfolgen, das ursprüngliche Schuldverhältnis unter seiner gleichzeitigen Beseitigung durch ein neues zu ersetzen. Vielmehr will der Schuldner durch einen solchen Vergleich zum Ausdruck bringen, daß die vom Gläubiger behauptete Forderung, wenn auch in geringerer Höhe, zu Recht besteht. In diesem Umfang weist also ein solcher Vergleich sämtliche Voraussetzungen eines Anerkenntnisses auf, nämlich, daß der Schuldner deutlich seine Absicht erkennen läßt, die Schuld anzuerkennen (Klang 2 VI, 653, Schubert in Rummel, Rdz 2 zu § 1497, SZ 42/54 ua.). Konsequent hat demnach ein Teil der Judikatur ausgeführt, daß sich das konstitutive Anerkenntnis vom Vergleich nur durch seine Unentgeltlichkeit unterscheidet, im übrigen aber dieselben Wirkungen hat (SZ 45/20, SZ 39/73, JBl.1958,44 ua.). Gerade Vergleiche, mit denen nur eine behauptete Forderung reduziert wird, beinhalten immer auch bezüglich der verminderten Forderung die wesentlichen Elemente des Anerkenntnisses. Berücksichtigt man den Sinn der Nennung des Anerkenntnisses als Grund für die Unterbrechung der Verjährung in § 1497 ABGB, nämlich daß eine Erklärung, die jeden Zweifel am Bestand einer Forderung beseitigt, bezüglich der Verjährung der Entstehung der Forderung gleichgehalten werden muß, so wird ein Vergleich, bei dem die Elemente des Anerkenntnisses eindeutig in den Vordergrund treten und von dem anzunehmen ist, daß die Parteien mit ihm keine grundsätzliche Änderung eines bestehenden Rechtsverhältnisses wünschten, als Anerkenntnis im Sinne des § 1497 ABGB zu werten sein. Andererseits käme man zu dem widersinnigen Ergebnis, daß die rechtliche Wirkung einer zugestandenen Zahlungsverpflichtung nur davon abhänge, ob der Schuldner diese Verpflichtung vorher bestritten hat oder nicht, wenn das Ergebnis der Bestreitung auch nur eine geringfügige Reduzierung der dem Grunde nach nicht bestrittenen Forderung gewesen sei.

Im übrigen wird der oben aufgezeigte Unterschied zwischen Vergleich und Anerkenntnis bezüglich der Unterbrechungswirkung in der Verjährung meist nur von theoretischer Bedeutung sein, weil nach § 894 ABGB im allgemeinen ein Anerkenntnis nur gegen den Anerkennenden, nicht aber gegen seinen Solidarschuldner wirkt. Lediglich in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ergibt sich durch die Sonderregelung des § 63 Abs.2 KFG eine abweichende Rechtslage. In diesem Bereich gebieten, schon um ein grobes Wertungsmißverhältnis zu vermeiden, die aufgezeigten Erwägungen die Wertung eines Vergleiches, der lediglich eine Reduktion des dem Grunde nach gar nicht bestrittenen Anspruches der Höhe nach zum Gegenstand hat und bezüglich dessen ein auf einen Neuerungsvertrag gerichteter Parteiwille nicht anzunehmen ist, als Anerkenntnis im Sinne des § 1497 ABGB. Eine hiedurch bewirkte Unterbrechung der Verjährung einer Forderung gegen den Haftpflichtversicherer wirkt daher gemäß § 63 Abs.2 KFG auch gegen den Versicherungsnehmer. Der Oberste Gerichtshof kann sich aus den dargelegten Erwägungen nicht der vereinzelt gebliebenen Entscheidung JBl.1979/257, anschließen, weil diese Entscheidung nicht Bedacht auf § 63 Abs.2 KFG nimmt und daher nicht erkennen läßt, daß dort diese Bestimmung überhaupt in die Erwägungen miteinbezogen wurde.

Im vorliegenden Fall wurde demnach durch den am 29.3.1982 zustandegekommenen Vergleich die Verjährung der Forderung des geschädigten Dritten im Umfang des zugestandenen Anspruches unterbrochen. Der Klagsbetrag liegt innerhalb dieses Umfanges, sodaß die klägerische Forderung, die der anerkannten Forderung des geschädigten Dritten entspricht, nicht verjährt ist, weshalb sich der Regreßanspruch dem Grunde nach als gerechtfertigt erweist. Der Versicherer ist allerdings beim kranken Versicherungsverhältnis nicht berechtigt, namens des Versicherungsnehmers Erklärungen abzugeben und Verpflichtungen zu übernehmen, die nach deren Innenverhältnis der Versicherungsnehmer letztlich selbst zu tragen hätte (SZ 44/84, 2 Ob 186,187/74 ua.).

Dies hat jedoch nur zur Folge, daß der Versicherungsnehmer auf Grund eines bloßen Anerkenntnisses des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten dem Versicherer nicht ohne weiters zum Regreß verpflichtet ist, sondern, wie im vorliegenden Fall, den Einwand eines der Sachlage nicht entsprechenden Anerkenntnisses erheben kann. In diesem Verfahren hat der Beklagte die behaupteten Zahlungen an den geschädigten Dritten außer Streit gestellt und ein eigenes Mitverschulden von einem Drittel anerkannt. Da die Klägerin ein Anerkenntnis auf der Basis gleichteiligen Verschuldens abgegeben und Zahlungen entsprechend diesem Anerkenntnis geleistet hat, ist das Zahlungsbegehren nur im Rahmen des dargestellten Zugeständnisses des Beklagten spruchreif. Rechnet man die geleisteten Zahlungen, soweit sie Gegenstand des verbliebenen Klagebegehrens sind, auf 100 % auf, ergibt sich ein Betrag von 114.921 S. Hievon muß der Beklagte schon auf Grund seiner Prozeßerklärungen ein Drittel ersetzen, d.s.38.307 S. Das restliche Klagebegehren ist erst nach Prüfung des beiderseitigen Verschuldensgrades entscheidungsreif. Was das Feststellungsbegehren anlangt, so haben sich die Vorinstanzen mit den weiteren Voraussetzungen für ein solches Begehren nicht auseinandergesetzt. Im übrigen erscheint es nicht zweckmäßig, hier vor einer endgültigen Klärung des Haftungsumfanges des Beklagten eine Teilentscheidung zu fällen. Der Oberste Gerichtshof erachte daher eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen auch bezüglich des gesamten Feststellungsbegehrens für zweckmäßig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E06984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00032.85.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19851003_OGH0002_0070OB00032_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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