TE OGH 1985/10/15 4Ob123/85

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Veröffentlicht am 15.10.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer Prof.Dr. Hanns Waas und Prof.Dr. Gottfried Winkler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth A, Angestellte, Baden, Wörthgasse 4/7, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Georg B, Inhaber der Firma Johann Krawany, Mödling, Freiheitsplatz 9, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. 28.244,90 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 31. Jänner 1985, GZ 44 Cg 1/85-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 23. Juli 1984, GZ 7 Cr 284/82-28, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird unter Aufrechterhaltung des Kostenausspruches dahin abgeändert, daß es in der Hauptsache zu lauten hat:

'Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 25.154,40 samt 4 % Zinsen seit 3.9.1982 zu bezahlen. Das (weitere) Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 37.416,30 samt 4 % Zinsen seit 3.9.1982 zu bezahlen, wird abgewiesen.'

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 12.5.1980 bis 28.2.1982 im Strickwarengeschäft des Beklagten beschäftigt. Sie begehrte S 43.618,21 als Gehaltsdifferenz wegen unrichtiger Einstufung nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten, S 52.078,17 für nicht bezahlte überstunden und S 14.128,28 als Differenz bei den überstunden zufolge falscher Einstufung, zusammen daher S 109.824,66 brutto sA.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Zuspruch von S 28.244,90 sA an die Klägerin durch das Berufungsgericht für im Geschäft der Beklagten geleistete überstunden. Im Revisionsverfahren ist nur die Zahl der geleisteten überstunden und die Frage strittig, ob diese nach den Bestimmungen des Punktes VII. des Kollektivvertrages der Handelsangestellten wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen sind. Bezüglich der Höhe der überstundenentlohnung unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht festgestellten Zahl der überstunden wurde hingegen die vom Beklagten in der Revision angestellte Berechnung, wonach der Entgeltanspruch nur S 25.154,40 betragen würde, von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung (offenbar irrtümlich mit S 25.254,40) außer Streit gestellt.

Die Klägerin brachte zu den noch offenen Fragen vor, sie habe 511 überstunden mit einem 5o %-igen Zuschlag und 24 überstunden mit einem 100 %-igen Zuschlag geleistet, wofür ihr selbst unter Berücksichtigung der falschen Einstufung zusammen S 52.078,17 zustünden. Im Betrieb des Beklagten seien die Bestimmungen des Kollektivvertrages über die Aufzeichnung der überstunden nicht eingehalten worden.

Der Beklagte wendete ein, geleistete überstunden seien teils durch Zahlung, teils durch Zeitausgleich abgegolten worden. Allfällige Ansprüche seien nach dem Kollektivvertrag verfallen. Das Erstgericht sprach der Klägerin S 62.570,70 brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von S 47.253,96 brutto sA ab. Im zugesprochenen Betrag waren für geleistete überstunden S 36.344,04 enthalten. Das Erstgericht ging unter Anwendung des § 273 ZPO davon aus, daß die Klägerin bei der Einschulung von Kunden an gekauften Strickmaschinen an 45 Tagen je 5 überstunden zu einem 50 %igen Zuschlag und bei der Durchführung von Strickabenden an 12 Tagen 24 überstunden zu einem 50-% igen und 24 überstunden zu einem 100-%igen Zuschlag verrichtet habe. überdies habe sie 75 überstunden anläßlich von Kassaabschlüssen nach der Dienstzeit verrichtet, welche mit einem 50-%igen Zuschlag zu honorieren seien. Die dreimonatige Verfallsfrist des Kollektivvertrages sei nicht anzuwenden, weil der Beklagte entgegen den Bestimmungen des Kollektivvertrages keine Aufzeichnungen über die überstunden geführt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil, das bezüglich der Abweisung des Mehrbegehrens als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, in seinem stattgebenden Teil dahin ab, daß es der Klägerin S 28.244,90 sA zusprach und das weitere Mehrbegehren von S 34.325,80 sA abwies. Der zugesprochene Betrag ergab sich daraus, daß das Berufungsgericht - ebenso wie das Erstgericht unter Anwendung des § 273 ZPO - davon ausging, die Klägerin habe nicht an 45, sondern nur an 31 Tagen Einschulungen an Strickmaschinen durchgeführt und nur insgesamt 20 und 20 überstunden für Strickabende verrichtet. Es nahm ferner ebenso wie das Erstgericht 75 überstunden bei Durchführung des täglichen Kassaabschlusses als erwiesen an. Zur Frage des behaupteten Verfalls der überstunden traf das Berufungsgericht ebenso wie das Erstgericht folgende Feststellungen:

Die Klägerin hatte mit dem Beklagten und dessen Ehefrau mündlich vereinbart, daß sie die mit den Strickmaschinen und Strickabenden im Zusammenhang stehenden überstunden nicht in die Anwesenheitsliste eintragen solle, weil sonst hohe überstundenzahlen und überstundenentgelte resultiert hätten, die bei den übrigen Angestellten 'böses Blut' gemacht hätten. Regulär waren überstunden von den Dienstnehmern des Beklagten in solche Listen einzutragen, die die einzigen Aufzeichnungen über überstunden darstellten. (Diese scheinen nach ihrer Anzahl nicht in den Lohnkonten auf, sondern nur nach dem jeweiligen Entgeltbetrag). Die Klägerin hatte diese überstunden mündlich der Gattin des Beklagten zu melden und sie sollten durch Zeitausgleich abgegolten werden. Während die durch die wöchentliche Öffnungszeit bedingte Mehrarbeit der Klägerin von 4 Wochenstunden durch Freizeit und überstundenentgelte abgegolten wurde, erhielt sie für die Einschulungszeiten, soweit diese außerhalb der Geschäftszeit anfielen, und für die Strickabende keine Vergütung. Im Unternehmen der Beklagten besteht die Anordnung, daß die Kasse des jeweiligen Geschäftes erst mit Geschäftsschluß geschlossen und abgerechnet werden darf. In der Regel benötigte die Klägerin daher nach Geschäftsschluß noch etwa 20 Minuten nach 18 Uhr zur Kassenabrechnung, was jedenfalls für die halbe Anzahl der jährlichen Arbeitstage zutraf. Diese Mehrarbeitszeit durfte laut Anordnung des Beklagten nicht als überstundenzeit geltend gemacht werden, weshalb die Klägerin auch hiefür keine Abgeltung erhielt. Einen Anspruch auf überstundenentgelt aus der Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Einschulung von Kunden, mit den Strickarbeiten und mit dem Kassenabschluß hat die Klägerin erstmals nach Ende ihres Dienstverhältnisses geltend gemacht, jedenfalls aber vor dem 16.4.1982.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, ein Verfall des Anspruches auf überstundenentlohnung sei nicht eingetreten. Gemäß Punkt VII des Kollektivvertrages sei der Arbeitgeber verpflichtet, laufend ordentliche Aufzeichnungen über die von Arbeitnehmern geleisteten überstunden zu führen, die vom Arbeitgeber am Ende der betreffenden Gehaltsperiode dem Arbeitnehmer zur Bestätigung vorzulegen seien. Verweigere der Arbeitnehmer die Unterschrift mit begründetem Hinweis auf eine höhere überstundenleistung, so gelte dies als Geltendmachung des höheren Anspruches des Arbeitnehmers. Für die danach geltend gemachten überstundenansprüche gelte die Verjährungsfrist des ABGB. Etwaige seitens des Arbeitnehmers nach dem obigen Verfahren nicht geltend gemachte überstunden verfielen nach Ablauf von drei Monaten. Würden vom Arbeitgeber entgegen diesen Bestimmungen die vorgeschriebenen laufenden überstundenaufzeichnungen nicht geführt, so verfielen allfällige überstundenentgelte nach dem Ablauf von zwei Jahren. Daß der Beklagte selbst Aufzeichnungen geführt habe, werde in der Berufung gar nicht behauptet. Das Erfordernis der Führung von Aufzeichnungen durch den Arbeitgeber könne aber durch die vom Dienstnehmer geführten Anwesenheitslisten nicht ersetzt werden. Eine Kollektivvertragsbestimmung, die den Verfall von Ansprüchen des Arbeitnehmers zum Gegenstand habe, dürfe nicht im Weg der extensiven Interpretation auf nur ähnlich gelagerte Tatbestände angewendet werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer vollständigen Klagsabweisung abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Der Beklagte rügt als aktenwidrig, daß das Berufungsgericht trotz übernahme der diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes bei Berechnung der für Einschulungen geleisteten überstunden nicht berücksichtigt habe, daß diese Einschulungen teils in der regulären Geschäftszeit stattgefunden hätten. Das Berufungsgericht hätte daher davon ausgehen müssen, daß von den 31 festgestellten Einschulungen 21 außerhalb der Dienstzeit verrichtet wurden.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.

Das Erstgericht hat zwar festgestellt, daß die Klägerin die Einschulung der Käuferinnen teils in der regulären Geschäftszeit, vorwiegend jedoch bei Hausbesuchen nach Geschäftsschluß durchgeführt hat. Es stellte jedoch darüber hinaus fest, daß die Klägerin 45 Einschulungen außerhalb der Dienstzeit mit einer durchschnittlichen Dauer von etwa 5 Stunden durchgeführt habe. Das Berufungsgericht hat davon nur die Zahl der außerhalb der Dienstzeit verrichteten Einschulungen nicht übernommen und ist unter Berücksichtigung der Zahl der vom Beklagten bezogenen Geräte unter Anwendung des § 273 ZPO nur zu 31 Einschulungen gekommen. Von einer Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.

Soweit der Beklagte die Berechnung des überstundenentgelts unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen und der Bemessungsgrundlage als aktenwidrig rügt, wurde seinem Einwand von der Klägerin dadurch Rechnung getragen, daß sie die in der Revision aufgestellte Berechnung außer Streit stellte.

In der Rechtsrüge wendet sich der Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der überstunden sei nicht verfallen.

Dagegen bestehen jedoch keine Bedenken.

Gemäß Punkt VII. des Kollektivvertrages der Handelsangestellten

ist

a) der Arbeitgeber verpflichtet, laufend ordentliche Aufzeichnungen über die von seinen Arbeitnehmern geleisteten überstunden zu führen, die vom Arbeitgeber am Ende der betreffenden Gehaltsperiode dem Arbeitnehmer zur Bestätigung vorzulegen sind.

b) Verweigert der Arbeitnehmer die Unterschrift mit begründetem Hinweis auf eine höhere überstundenleistung, so gilt dies als Geltendmachung des höheren Anspruches des Arbeitnehmers. Für die nach a) und b) geltend gemachten überstundenansprüche gelten die Verjährungsfristen des ABGB.

c) Etwaige seitens des Arbeitnehmers nach dem Verfahren nach Abs b) nicht geltend gemachte überstunden verfallen nach Ablauf von drei Monaten.

d) Werden vom Arbeitgeber entgegen diesen Bestimmungen die vorgeschriebenen laufenden überstundenaufzeichnungen nicht geführt, so verfallen allfällige überstundenentgeltsansprüche nach Ablauf von zwei Jahren.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ZAS 1974/30 =Arb. 9207 ausgesprochen, daß ein überwälzen der Verpflichtung zur Geltendmachung der überstunden auf den Dienstnehmer unzulässig ist. Auch nach der Entscheidung 4 Ob 163/77 darf die Führung dieser Aufzeichnungen durch den Dienstgeber keineswegs durch eine Meldepflicht der Arbeitnehmer ersetzt werden. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, daß die Klägerin die geleisteten überstunden nicht in die aufliegenden Listen eingetragen hat. Dazu kommt noch, daß zwischen den Streitteilen ausdrücklich vereinbart war, daß die Klägerin die mit den Strickabenden und den Einschulungen im Zusammenhang stehenden geleisteten überstunden nicht in diese Listen eintragen soll, und die Mehrarbeitszeit im Zusammenhang mit der Kassaabrechnung nach einer Anordnung des Beklagten nicht als überstundenzeit geltend gemacht werden durfte. Ein Verfall der überstundenentgeltansprüche der Klägerin wäre daher erst nach Ablauf von zwei Jahren eingetreten. Die noch vor dem 16.4.1982 erfolgte Geltendmachung war daher rechtzeitig.

Der Revision des Beklagten war daher nur insoweit stattzugeben, als das Berufungsgericht bei Berechnung der Höhe des überstundenentgelts von einer unrichtigen Berechnungsgrundlage ausgegangen ist.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO, wobei es wegen der geringen weiteren Teilabweisung im Ergebnis beim zweitinstanzlichen Kostenspruch bleiben kann, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06646

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00123.85.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19851015_OGH0002_0040OB00123_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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