TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/08/0100

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. M in J, vertreten durch Dr. Heinz Pichler, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Burggasse 61, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. März 2003, Zl. FA11A-61-26n2/10-2002, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. November 2001 wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 i.V.m. den §§ 5 Abs. 2, 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 53a Abs. 1 und Abs. 2 ASVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer wegen der im Zuge der Beitragsprüfung vom Juli 2001 festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet sei, Beiträge im Betrag von insgesamt S 70.344,88 (EUR 5.112,16) nachzuentrichten. Diese Beitragsnachverrechnung bezog sich auf Zeiträume vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. Dezember 2000 entsprechend den Beitragsnachverrechnungsanzeigen, welche dem Bescheid der mitbeteiligten Partei angeschlossen waren. Begründend führte die mitbeteiligte Partei aus, dass der Beschwerdeführer unter einer näher bezeichneten Anschrift zum einen ein Institut für Zahnheilkunde, zum anderen eine Wahlarztordination für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde betreibe. Unter der gleichen Anschrift betreibe Frau Dr. L. als selbstständige Zahnärztin eine Praxis als Vertragsärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Diese Praxis befinde sich in der Ordination des Beschwerdeführers und sämtliche Betriebseinrichtungen würden Frau Dr. L. gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Sowohl in seinem Institut als auch in seiner Praxis beschäftige der Beschwerdeführer geringfügig beschäftigte Dienstnehmer, und auch in der Ordination von Dr. L. seien Dienstnehmer geringfügig beschäftigt. Sämtliche Lohnkosten, sowohl für das Institut als auch für die Ordination des Beschwerdeführers als auch für die Praxis von Dr. L., würden als Betriebsaufwand auf den Dienstgeberkonten des Instituts und der Ordination des Beschwerdeführers bilanziert und buchhalterisch erfasst. Als Erlöse würden Honorare verbucht, welche bei Dr. L. gegengleich als Aufwand unter Fremdleistungen verbucht seien; sämtliche Lohnkosten - auch jene von Dr. L. - würden auf diesen Konten als Betriebsaufwand abgerechnet.

Im Zuge der Beitragsprüfung sei festgestellt worden, dass es sich beim vorliegenden Vertragsverhältnis um eine Arbeitskräfteüberlassung handle, der Beschwerdeführer als Überlasser und Dr. L. als Beschäftiger der geringfügig beschäftigten Dienstnehmer anzusehen sei und für Dr. L. daher keine Dienstgebereigenschaft vorliege. Auf Grund der einheitlichen Dienstgebereigenschaft des Beschwerdeführers hinsichtlich der Beschäftigten in seinem Institut, in seiner Praxis und als Überlasser der Beschäftigten für Dr. L. habe der pauschalierte Dienstgeberbeitrag für geringfügig beschäftigte Dienstnehmer für die Kalenderjahre 1998 bis 2000 nachverrechnet werden müssen. "Auf Grund der von Dr. L. buchhalterisch nicht geführten Lohnkonten für beschäftigte Dienstnehmer" - die Bezahlung erfolge über "unterjährige Akontozahlungen" an den Beschwerdeführer - sei es offensichtlich, dass der Beschwerdeführer als Dienstgeber der geringfügig Beschäftigten auftrete und diese Dr. L. zur Arbeitsverrichtung zur Verfügung stelle.

Der Dienstgeberbegriff in § 53a ASVG korrespondiere mit jenem in § 35 ASVG, wonach als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige gelte, für dessen Rechnung der Betrieb geführt werde, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Die zu unterschiedlichen Dienstgeberkontonummern gemeldeten geringfügig beschäftigten Personen seien Dienstnehmer eines Dienstgebers - des Beschwerdeführers - und ausgehend von den ermittelten Beitragsgrundlagen habe der in den Nachverrechnungsanzeigen ersichtliche pauschale Dienstgeberbeitrag nachverrechnet werden müssen.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde zunächst den wesentlichen Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Einspruchsvorbringens wieder. Wörtlich heißt es sodann:

"Hiezu bemerkt die Einspruchsbehörde auf Grund des ha. durchgeführten Ermittlungsverfahren und in Ergänzung der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides noch Folgendes:"

In der Folge werden - überwiegend in Wiedergabe im Konjunktiv - wesentliche Teile der Stellungnahmen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren vom 19. März 2002 sowie der mitbeteiligten Partei vom 28. Jänner und vom 30. April 2002 referiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zwischen den Parteien des Verwaltungsverfahrens ist strittig, ob der Beschwerdeführer Dienstgeber aller geringfügig beschäftigten Personen ist, welche die mitbeteiligte Partei ihrer Beitragsnachverrechnung zu Grunde gelegt hat. Festzuhalten ist, dass sich das Vorbringen in der Beschwerde im Ergebnis ausschließlich gegen die Einbeziehung von Dienstnehmern wendet, welche nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht von ihm, sondern von Dr. L. beschäftigt werden.

Gemäß § 35 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs- (Lehr)Verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A, ist für die Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Dienstgebers in Abgrenzung von sonstigen Personen, die am Betriebsergebnis interessiert oder beteiligt oder in die Beziehungen zum Dienstnehmer eingebunden sind, zunächst wesentlich, wer (nach rechtlichen und nicht bloß tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften, zu denen auch die Beschäftigung von Personen gehört, unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also demnach das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Einspruchsverfahrens neben konkreten Ausführungen zur Arbeitsorganisation auch Dienstzettel der seiner Ansicht nach nicht von ihm, sondern von Dr. L. beschäftigten Dienstnehmer, diesbezügliche Lohnkonten, sowie den Jahresabschluss von Dr. L. für das Jahr 2000 vorgelegt. Seine Rüge, die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid nicht darauf eingegangen, dass die "von den jeweiligen Unternehmen erstellten" Dienstzettel für die betreffenden Dienstnehmer vorgelegt worden seien und dass die Einnahmen- und Ausgaben-Rechnungen vorgelegt worden seien, erweist sich als begründet. Tatsächlich lässt der angefochtene Bescheid nicht erkennen, dass sich die belangte Behörde inhaltlich mit dem Einspruchsvorbringen und den Ergebnissen des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens auseinander gesetzt hätte, zumal lediglich eine im Wesentlichen wörtliche, wenn auch überwiegend im Konjunktiv gehaltene Wiedergabe der Stellungnahmen erfolgt, ohne dass aus dem angefochtenen Bescheid erkennbar wäre, welche Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde selbst ihrer Entscheidung zu Grunde legt und auf welche Beweismittel diese gestützt werden.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die mitbeteiligte Partei zugestanden hat, dass entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid tatsächlich auch von Dr. L. Lohnkonten für die nach Ansicht des Beschwerdeführers bei ihr beschäftigten Dienstnehmer geführt wurden, lässt sich nicht nachvollziehen, auf welcher Grundlage die belangte Behörde entgegen dem Einspruchsvorbringen des Beschwerdeführers zum Ergebnis gekommen ist, dass der Beschwerdeführer Dienstgeber sämtlicher der Beitragsnachverrechnung zu Grunde gelegter (geringfügig) Beschäftigter sei.

Da es die belangte Behörde unterlassen hat, ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei Dienstgeber auch hinsichtlich jener (geringfügig) beschäftigten Dienstnehmer, die bei Dr. L. tätig sind, nachvollziehbar zu begründen, ist es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den angefochtenen Bescheid auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes zu überprüfen, sodass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das auf den Ersatz der Eingabengebühr gerichtete Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2005

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080100.X00

Im RIS seit

22.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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