TE OGH 1985/10/24 13Os137/85

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Veröffentlicht am 24.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Christian A wegen des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 16. Juli 1985, GZ 29 Vr 621/85-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, des Angeklagten Christian A und des Verteidigers Dr. Schattenberg zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3.April 1954 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Christian A wurde des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a. F. (1) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 (3. und 4. Fall) SuchtgiftG a.F. (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Linz vom Mai 1984 bis Juni 1984 und vom September 1984 bis Mitte Oktober 1984 durch den wiederholten Verkauf von insgesamt zumindest 400 g Haschisch an Thomas B zum Zweck des Weiterverkaufs Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, in Verkehr gesetzt (1) und ab Sommer 1983 bis Ende Feber 1985 wiederholt für den Eigenverbrauch bestimmtes Haschisch unberechtigt erworben und besessen (2).

Die auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a, 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich der Sache nach nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. (1).

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem Vorbringen zur Mängelrüge (Z. 5) kann der Beschwerdeführer einen dem Ersturteil anhaftenden Begründungsmangel nicht aufzeigen. Er wendet ein, daß den ihn entlastenden Aussagen der Zeugen Gerhard C und Thomas B in der Hauptverhandlung vom 16.Juli 1985 bei der Sachverhaltsfeststellung gegenüber ihren ursprünglichen belastenden Angaben (vor der Sicherheitsbehörde und zum Teil vor dem Untersuchungsrichter) der Vorzug gebühre, weil sie die Entlastung in der Hauptverhandlung in Kenntnis einer ihnen drohenden Strafverfolgung wegen falscher Beweisaussage oder Verleumdung aufrecht erhalten hätten. Damit richtet sich die Mängelrüge nach Inhalt und Zielsetzung nur gegen die einer Anfechtung entzogene Beweiswürdigung.

Das Erstgericht hat ausführlich und den Denkgesetzen entsprechend begründet, aus welchen Erwägungen es die teilweise vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhaltenen (belastenden) Angaben CS und BS im Vorverfahren als Feststellungsgrundlage herangezogen und den späteren Aussagen dieser Zeugen den Glauben versagt hat (S 142 bis 145). Sonach kann von einer Scheinbegründung keine Rede sein. Im Urteil wird aber auch die Darstellung des Zeugen B vor dem Untersuchungsrichter am 15.März 1985, mit welcher er seine den Beschwerdeführer belastenden Angaben vor der Sicherheitsbehörde erheblich einschränkte, sinngemäß richtig wiedergegeben (S 143 iVm ON 13), sodaß auch die behauptete Aktenwidrigkeit nicht vorliegt.

Entgegen dem weiteren Mängelvorbringen bedurfte auch der Hinweis des Zeugen B in der Hauptverhandlung, Haschisch an 5 oder 6 unbekannte Personen weiterverkauft zu haben (S 134), aus den nachstehenden, bei der Behandlung der Rechtsrüge angeführten Erwägungen keiner urteilsmäßigen Erörterung, sodaß auch der Vorwurf einer Unvollständigkeit (Z. 5) versagt.

Die Rechtsrüge führt sachlich allein den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 10 StPO (und nicht auch Z. 9 lit a) aus, weil eine allfällige Beurteilung als Vergehen nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG a.F. nicht in Frage gestellt wird. Der Beschwerdeführer bestreitet unter Hinweis auf die Urteilsfeststellung, er habe die Haschischmenge von insgesamt 400 g von Mai 1984 bis Juni 1984 und von September 1984 bis Mitte Oktober 1984 durch wiederholte Verkäufe an Thomas B zum Zweck des Weiterverkaufs in Verkehr gesetzt, die für § 12 Abs 1 SuchtgiftG (alte gleich neue Fassung) erforderliche Eignung des Weiterverkaufs von 400 g Haschisch in Teilmengen zur Herbeiführung einer (abstrakten) Gemeingefahr. Laut Urteil stehe nämlich gar nicht fest, daß die von ihm an B verkauften Mengen jeweils das bei Haschisch relevante Grenzquantum von 100 g erreicht oder überschritten hätten.

Dieser Einwand läßt zunächst unberücksichtigt, daß A nach den Urteilsfeststellungen dem B ab Mai 1984 bis Mitte Oktober 1984, von einer durch Ortsabwesenheit des B im Juli und August 1984 bedingten Unterbrechung abgesehen (S 64), fortlaufend und regelmäßig ab Sommer 1984 bis September 1984 in etwa 12 Fällen (S. 21) Haschisch in verschiedenen Teilmengen (Gesamterlös 50.000 bis 60.000 S, Grammpreis 90 S) zum Zweck des Weiterverkaufs veräußert hat. Entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers verlangt ein Inverkehrsetzen (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG) keineswegs einen einzigen und einheitlichen Verteilungsakt, durch den das Suchtgift an den Letztverbraucher gelangt. Eine zu einer Gemeingefahr führende breite Streuung des Suchtgifts kann vielmehr auch in einer Mehrzahl von einzelnen, zeitlich aufeinanderfolgenden Verteilungs-(Veräußerungs-)Aktionen bestehen. Eine solche Vorgangsweise beim Absetzen einer größeren Suchtgiftmenge bildet erfahrungsgemäß sogar den Regelfall. Das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. konnte darum auch mittels einer Folge von Einzelakten verwirklicht werden. Lag nun, wie hier, ein objektiv und subjektiv an einem einheitlichen Gefahrenbegriff orientiertes sukzessives Inverkehrsetzen durch wiederholten Weiterverkauf vor, so waren die in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen aus diesen Einzelakten zu addieren. Die tatbestandliche Gefährdungseignung war folglich an der Gesamtmenge des abgesetzten Rauschgifts zu messen (SSt 50/38; JBl 1982, 160 u.a.). Die Möglichkeit der Gemeingefahr (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG) wurde sonach auf der Grundlage von 400 Gramm Haschisch irrtumsfrei bejaht.

In subjektiver Beziehung konnte der Gerichtshof ein auf die Herbeiführung einer Gemeingefahr gerichtetes Handeln des Beschwerdeführers aus dem festgestellten Umstand ableiten, daß der Angeklagte dem B ein insgesamt weit über der sogenannten Grenzmenge liegendes Haschischquantum (wenigstens 400 g) zum Zweck des Weiterverkaufs ausgefolgt hat. Da B auch nach den Vorstellungen des Beschwerdeführers bloß als Zwischenhändler agierte und das ihm verkaufte Rauschgift an andere Personen (für A unkontrollierbar) weiterveräußern sollte und auch weiterverkauft hat, waren die aus der entgeltlichen überlassung einer so großen Suchtgiftmenge drohenden Folgen für den Nichtigkeitswerber weder bestimmbar noch abgrenzbar (JBl 1982, 106 u.a.). Mit der festgestellten Weitergabe dieses die Grenzmenge überschreitenden Suchtmittelquantums an B zum Zweck des Weiterverkaufs an einen nicht begrenzbaren Personenkreis hat der Beschwerdeführer den Verbrechenstatbestand des § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. in objektiver und in subjektiver Beziehung verwirklicht. Das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG alte Fassung war als abstraktes Gefährdungsdelikt formuliert ('entstehen kann'; die neue Fassung hat den gleichen Charakter: 'geeignet wäre ... entstehen zu lassen'). Darum war (und ist) der Eintritt einer Gemeingefahr nicht erforderlich. Folglich kommt es, wenn der Täter, wie hier, keine gestreute Verteilung des Rauschgifts vornimmt, entscheidend auf die Umstände bei der Weitergabe, insbesondere auf die Verwendungsbestimmung an. Wird, was dem Beschwerdeführer zur Last liegt, eine größere Suchtgiftmenge einer anderen Person zum Zweck des für den übergeber unkontrollierbaren Weiterverkaufs überlassen, umfaßt der Vorsatz des übergebers geradezu zwangsläufig einen Streuungseffekt (dolus ex re). Ob hingegen von dem eingeschalteten Zwischenhändler sodann das Suchtmittel gestreut verteilt und damit eine Gemeingefahr herbeigeführt wird, ist unerheblich. Aus diesem Grund bedurfte es keiner Feststellung, wievielen Personen das vom Beschwerdeführer dem Thomas B überlassene Haschisch letztlich zugekommen ist.

Die Beschwerdebehauptung, daß die einzelnen, vom Angeklagten verkauften Haschischmengen bloß für den Eigenbedarf von wenigen Personen bestimmt gewesen seien, ist urteilsfremd und findet nicht einmal in den Angaben des Zeugen B in der Hauptverhandlung Deckung. Dieser hat bekundet, das Haschisch an (5 oder 6) unbekannte Personen weiterverkauft zu haben (S 134). Daß er das Haschisch vom Beschwerdeführer lediglich zur Abdeckung des Eigenbedarfs von einigen wenigen Personen erstanden habe, läßt sich den Angaben des Zeugen B nicht entnehmen; im Gegenteil: Er habe allein dem Reinhard D zwischen 200 und 300 g in Gegenwart von anderen Personen verkauft, wobei er die Weitergabe eines Teils des von D gekauften Haschisch an andere Personen durchaus für möglich hielt (B vor der Sicherheitsdirektion S 21, vom Erstgericht als glaubwürdig erachtet).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Christian A nach der ersten Strafstufe (zu ergänzen: des ersten Strafsatzes) des § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe und wertete bei der Strafzumessung die gravierende einschlägige Vorstrafe und die Deliktskonkurrenz als erschwerend, als mildernd hingegen nur das Geständnis zum Vergehen nach § 16 Abs 1 SuchtgiftG. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der als übermäßig hoch empfundenen Freiheitsstrafe an.

Dem einzigen substantiellen Einwand gegen die Strafbemessung, die unter dem Verbrechen nach § 12 SuchtgiftG angelastete Suchtgiftmenge stelle 'zumindest einen Grenzwert' dar, ist die rechtlich einwandfreie Urteilskonstatierung, daß als Grenzmenge nur ein Viertel des tatsächlich verkauften Suchtgifts anzusehen wäre, entgegenzuhalten, sodaß man von einer besonders geringen Menge nicht mehr sprechen kann. Zieht man aber die einschlägige (nur bedingt ausgesprochene) Vorstrafe und das überwiegen der Erschwerungsumstände zur Beurteilung des Grades des Verschuldens heran, zeigt sich, daß die vom Erstgericht ausgesprochene, nur wenig über der Untergrenze der Strafstufe (ein bis fünf Jahre, Strafsatz bis zehn Jahre) liegende Unrechtsfolge ohnehin nur durch die Berücksichtigung der nicht allzu hohen Suchtgiftmenge, die in Verkehr gesetzt wurde, erklärlich erscheint. Für eine weitere Strafmilderung besteht sohin kein Anlaß.

Anmerkung

E06794

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00137.85.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19851024_OGH0002_0130OS00137_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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