TE OGH 1985/10/28 4Ob145/85

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Veröffentlicht am 28.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Kuderna, Dr. Resch und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarete A, Geschäftsfrau, Dornbirn, Haldengasse 27 a, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 81.095,20 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 5. September 1985, GZ 1 b R 210/85-13, womit der Beschluß des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 8. Juli 1985 GZ Cr 74/85-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der Klägerin die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (davon S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen und die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei auf Grund des Sondervertrages vom 21.11.1977 vom 12. September 1977 bis 30. November 1980 als Vertragslehrerin an der Bundestextilschule in Dornbirn beschäftigt. Sie wurde in die Entlohnungsgruppe 1 3 des Entlohnungsschemas I L eingestuft. Die beklagte Partei zahlte erst nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Dienst - nach den Klagsbehauptungen auf Grund eines außergerichtlichen Vergleiches - die Differenz auf die Bezüge der Entlohnungsgruppe l 1 nach. Aus diesem Titel erhielt die Klägerin in den Jahren 1983 und 1984 Nachzahlungen von zusammen S 182.148,90 brutto, wovon Lohnsteuer in Höhe von S 96.168,30 und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von S 1.439,20 abgezogen wurden, sodaß S 84.541,40 netto blieben.

Die Klägerin behauptet, von der beklagten Partei schuldhaft zu niedrig eingestuft worden zu sein. Diese Einstufung und die nach ihrer Änderung schuldhaft unrichtig vorgenommene Lohnsteuerberechnung habe zu einer Schädigung der Klägerin geführt.

Die Lohnsteuer von der Nachzahlung hätte bei richtiger Berechnung

nur S 16.512,30 betragen. Sozialversicherungsbeiträge wären

überhaupt nicht abzuziehen gewesen. Die Klägerin begehrt daher von

der beklagten Partei an zuviel abgezogener

Lohnsteuer                              S 79.656,--

und an abgezogenen Sozialversicherungs-

beiträgen                               S  1.439,20

Zusammen                                S 81.095,20 s.A.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich des begehrten Lohnsteuerbetrages von S 79.656,--. Der Anspruch der Klägerin auf höhere Einstufung habe sich erst aus der in einem Prallelfall ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23.6.1981, 4 Ob 58/81 und aus Art. X BGBl. 1982/350 ergeben. Die Berechnung der Lohnsteuer für die nach bereits längst beendetem Dienstverhältnis anzuweisende Nachzahlung habe nicht unter Anwendung des § 67 Abs. 8 EStG 1972 erfolgen können, weil es sich nicht um eine Zahlung auf Grund eines außergerichtlichen Vergleiches gehandelt habe. Unterlaufe dem Arbeitgeber bei der Ermittlung der zu entrichtenden Lohnsteuer ein Irrtum, so könne er gemäß § 240 Abs. 1 BAO bis zum Ablauf des Kalenderjahres eine entsprechende Berichtigung vornehmen. Durch weitere fünf Jahre habe der Abgabepflichtige die Möglichkeit, beim Finanzamt einen Antrag auf Rückerstattung unrichtig ermittelter Lohnsteuer zu stellen. Von diesem Recht habe die Klägerin auch Gebrauch gemacht, sei aber in erster Instanz abgewiesen worden. Derzeit sei ein Berufungsverfahren anhängig. Aus § 240 Abs. 3 BAO ergebe sich, daß nur die Finanzbehörde über die Rechtmäßigkeit der Lohnsteuerberechnung zu entscheiden habe. Bei der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren begehrten Entscheidung handle es sich somit um keine bürgerliche Rechtssache, über die im Verfahren vor den Arbeitsgerichten abzusprechen sei.

Das Erstgericht wies die Klage im Umfang des Teilbegehrens von S 79.656,-- wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es machte sich die Ansicht der beklagten Partei zu eigen, daß gemäß § 240 Abs. 3 BAO ausschließlich die Finanzbehörde über die Rechtmäßigkeit der Lohnsteuerberechnung und -ermittlung zu entscheiden habe, so daß das Begehren der Klägerin auf Ersatz der zu Unrecht vorgenommenen Lohnsteuerabzüge keine bürgerliche Rechtssache sei. Lediglich für das die Rückerstattung abgeführter Sozialversicherungsbeträge betreffende restliche Begehren sei der Rechtsweg zulässig. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß die Klägerin von der beklagten Partei restliches Entgelt aus einem Arbeitsverhältnis fordere, so daß ein privatrechtlicher Anspruch vorliege, zu dessen Entscheidung das Arbeitsgericht berufen sei. In diesem Verfahren sei die strittige Frage der richtigen Lohnsteuerberechnung nur eine Vorfrage, die das Gericht selbst beurteilen könne. Nur wenn das Problem des Steuerabzuges zwischen den Parteien als Hauptfrage strittig wäre, hätte darüber im Erstattungsverfahren die Abgabenbehörde zu entscheiden. Dem Erstgericht bleibe es überlassen, das Verfahren bis zur Beendigung des präjudiziellen Verwaltungsverfahrens zu unterbrechen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Wie die Revisionsrekursgegenerin zutreffend ausführt, sind für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur des erhobenen Anspruchs an. Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; maßgebend ist nur, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Fasching I 63; SZ 44/165 mwN; SZ 50/18, 65 und 109; RZ 1984/18; JBl. 1985, 240 und 370 uva). Dies gilt auch dann, wenn dem erhobenen Anspruch eine Einwendung entgegengehalten wird, die sich auf einen öffentlich-rechtlichen Titel stützt (Fasching aaO; SZ 47/40; SZ 50/18; RZ 1984/18 ua). Die Entscheidungsbefugnis des Zivilgerichtes wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß Vorfragen geprüft werden müssen, zu deren selbständiger Entscheidung der Zivilrichter nicht berufen wäre. Nur dort, wo das Gesetz dem Gericht ausdrücklich die Entscheidung über eine solche Vorfrage verwehrt, muß die Entscheidung der zuständigen Behörde eingeholt oder abgewartet werden (Fasching I 62 und 64 ff; derselbe, Zivilprozeßrecht Rz 93, 94; SZ 45/139; RZ 1984/18; ähnlich 3 Ob 69/77). Auch eine solche Verpflichtung ändert aber an der Zulässigkeit des Rechtsweges nichts. Es ist dann das Verfahren zu unterbrechen, die Entscheidung durch die zuständige Behörde abzuwarten und deren Erkenntnis der Entscheidung - soweit präjudizielle - zugrundezulegen (RZ 1984/18).

Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf eine schuldhaft unrichtige Einstufung durch die beklagte Partei und eine - nach Berichtigung dieser Einstufung - schuldhaft unrichtige Berechnung der Lohnsteuer für die geleistete Nachzahlung. Sie macht damit eine schuldhafte Verletzung des zwischen den Streitteilen bestandenen Arbeitsvertrages geltend und fordert Ersatz für das, was ihr hiedurch entgangen sei. Die Klägerin erhebt damit einen privatrechtlichen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis iS des § 1 Abs. 1 Z 1 ArbGG. Die beklagte Partei hält diesem Anspruch unter Berufung auf § 78 EStG 1972 und § 240 Abs. 3 BAO entgegen, daß über die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerabzuges ausschließlich die Finanzbehörden im Erstattungs- und Lohnsteuerhaftungsverfahren zu entscheiden haben. Letzteres trifft zwar zu (so Hofstätter-Reichel,

Die Einkommensteuer, § 78 EStG 1972, 1; VwGHSlg. 671/F). Diese Kompetenz der Finanzbehörden kann aber nur zur Folge haben, daß

a) das Gericht die Rechtmäßigkeit eines Steuerabzuges nur als Vorfrage beurteilen darf (so 3 Ob 69/77), oder

b) falls dies dem Gericht durch besondere Vorschriften verwehrt wäre, die Entscheidung der zuständigen Abgabenbehörde abzuwarten und dem erhobenen Schadenersatzbegehren, soweit sie dafür überhaupt präjudiziell wäre, zugrundezulegen hätte, oder

c) wegen bloß objektiv unrichtiger Lohnsteuerberechnung unmittelbar gegen den Dienstgeber zu stellende Erstattungsansprüche überhaupt nicht statthaft wären, was aber nur für die Sachentscheidung von Relevanz sein könnte, soweit nicht ohnehin der hier geltend gemachte Rechtsgrund des Schadenersatzes eingreift.

Welche der drei aufgezeigten Möglichkeiten in Frage kommt, ist, um der künftigen Sachentscheidung nicht vorzugreifen, hier nicht zu erörtern. Die privatrechtliche Rechtsnatur des erhobenen Klagebegehrens wird aber durch die von der beklagten Partei ins Treffen geführten Zuständigkeiten der Abgabenbehörden nicht berührt. Verfehlt ist auch die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, eine Hauptfrage (nämlich ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt) bestünde nicht mehr. Die vom Gericht zu entscheidende Hauptfrage ist das Bestehen des von der Klägerin erhobenen Schadenersatzanspruches, der nicht auf eine bloß objektiv unrichtige, sondern eine schuldhafte Fehlberechnung der Lohnsteuer und außerdem auf eine schuldhafte Fehleinstufung der Klägerin gestützt wird. Die Besorgnis der beklagten Partei, die Klägerin könnte unrichtig berechnete Lohnsteuer doppelt zurückerhalten, wenn sowohl ihrem Schadenersatzbegehren als auch ihrem Antrag nach § 240 Abs. 3 BAO Folge gegeben würde, ist ebenfalls unbegründet, weil der erhobene Schadenersatzanspruch durch Erstattungen seitens der Abgabenbehörde gemindert oder getilgt würde. Auf die Möglichkeit einer Verfahrensunterbrechung bis zur Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde (wodurch unliebsame Konsequenzen aus einer divergierenden Beurteilung der abgabenrechtlichen Fragen durch das Gericht und durch die Abgabenbehörde vermieden werden können !vgl. Fasching IV 507 f, 515 f; derselbe, Zivilprozeßrecht, RZ 2058 ), hat schon das Rekursgericht verwiesen. Die Behauptung der Revisionsrekurswerberin, die Klägerin habe sich erst im Rekurs als unzulässige Neuerung auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, ist aktenwidrig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 41, 50 und 52 ZPO. Da die beklagte Partei in einem selbständigen, von ihr veranlaßten Zwischenstreit unterlegen ist, hat sie der Klägerin die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen und die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Anmerkung

E06832

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00145.85.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19851028_OGH0002_0040OB00145_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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