TE OGH 1985/11/7 7Ob578/85

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Veröffentlicht am 07.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A, Hotelier, Osterbruken, Boschstraße 3, BRD, vertreten durch Dr.Paul Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Josef B, Landwirt, Mignitz 13, vertreten durch Dr.Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen DM 8.815 s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1985, GZ.4 R 278/84-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25.Mai 1984, GZ.6 Cg 13/83-17, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.857,50 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.000 Barauslagen und S 532,50 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom Beklagten den Restkaufpreis von DM 8.815 s.A. für 58 Stück Muffelwild.

Der Beklagte behauptet, den Kaufpreis für im Jahre 1980 vom Kläger gekaufte 57 Stück Muffelwild bezahlt zu haben. Nach Abwicklung dieses Geschäftes sei unter anderem ein weiterer Kaufvertrag über 12 kapitale Muffelwidder zum Preis von DM 8.815 abgeschlossen worden, der Kläger habe aber noch nicht geliefert. Gegen die Klagsforderung wendet der Beklagte überdies eine Gegenforderung von S 100.000 ein. Das im Jahre 1980 gekaufte Muffelwild habe unter starkem Parasitenbefall gelitten, sodaß der Beklagte vom Abnehmer von 50 Stück dieses Muffelwildes auf Gewährleistung in Anspruch genommen worden sei und einen Preisnachlaß von S 2.000 pro Stück gewähren habe müssen, wodurch ihm ein Schaden von S 100.000 entstanden sei.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit DM 8.815 zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es sprach demgemäß dem Kläger den begehrten Betrag zum Schillinggegenwert samt Anhang zu und wies lediglich ein im Revisionsverfahren nicht mehr strittiges Zinsenmehrbegehren ab.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes lieferte der Kläger dem Beklagten bestellungsgemäß 58 Stück Muffelwild zum Preise von DM 26.600. Der Beklagte konnte bei der Lieferung nur eine Teilzahlung leisten und blieb DM 8.815 schuldig. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 18.10.1980 war dem Beklagten die Einfuhr von Muffelwild unter der Auflage genehmigt worden, daß die Tiere am Bestimmungsort in Ramingstein 21 Tage abgesondert einer amtsärztlichen Beobachtung unterzogen werden. Die Tiere hätten erst nach Ablauf dieser Frist und bei amtstierärztlichem Unbedenklichkeitsbefund aus dem Beobachtungsstall gebracht werden dürfen. Der Beklagte mißachtete diese Auflage und verkaufte die Tiere zum Großteil bereits am Tage nach der Lieferung an Ludwig C weiter. Das gegen den Beklagten deshalb eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wurde jedoch wegen Vollstreckungsverjährung eingestellt.

Der Beklagte führte einen auf Zahlung des Kaufpreises gerichteten Rechtsstreit gegen Ludwig C, der am 14.10.1982 mit einem Vergleich endete, in dem sich Ludwig C zur Zahlung von S 330.000 an den Beklagten und dieser sich zur Lieferung von vier näher beschriebenen Muffelwiddern an Ludwig C verpflichtete. Dem Vergleich wurde zugrundegelegt, daß die vom Kläger dem Beklagten gelieferten und von diesem an Ludwig C weiterverkauften Tiere minderwertig waren und daher eine Preisreduktion sowie eine Nachlieferung vorgenommen werden mußte. Ludwig C hat nicht gewußt, daß er die Tiere des Klägers erhalten hat. Er hatte vor dem Abschluß des Geschäftes mit dem Beklagten Muffelwild besichtigt und war mit dem Beklagten übereingekommen, die besichtigten Tiere geliefert zu erhalten. Der Beklagte hat sich an diese Vereinbarung nicht gehalten. Hätte Ludwig C gewußt, daß es sich nicht um jene Tiere handelte, die er besichtigt hatte, und daß außerdem die vom Beklagten gelieferten Tiere ohne Anhaltung in einem Quarantänegatter ausgeliefert worden waren, hätte er die Tiere nicht angenommen. Die Unterbringung in einem Quarantänegatter hat den Zweck, durch laufende amtstierärztliche Kontrolle aufzuzeigen, ob ein Tier mit Parasiten befallen ist.

Nach der Rechtsauffassung des Erstgerichtes verstoße die Geltendmachung der Gegenforderung gegen die guten Sitten, weil der Beklagte gegen die Quarantänevorschriften verstoßen und Ludwig C andere als die zugesagten Tiere geliefert habe.

Das Berufungsgericht hob das nur vom Beklagten in seinem das Bestehen der Gegenforderung verneinenden und dem Klagebegehren stattgebenden Teil angefochtene Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das Berufungsgericht erärterte die Frage des anzuwendenden Rechtes mit dem Ergebnis, daß das Recht der BRD anzuwenden sei. Es führte aus, daß kein Viehkauf im Sinne des § 481 dBGB vorliege, weil es sich bei Muffelwild um Wildschafe handle. Der Beklagte känne aber nach den §§ 463 ff dBGB Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Voraussetzung sei das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder die arglistige Vorspiegelung einer nicht vorhandenen Eigenschaft. Der Begriff der Arglist erfordere hiebei keine betrügerische Absicht. Es genüge, daß der Verkäufer den Fehler kenne, mit seinem Vorhandensein oder damit rechne, daß der Fehler dem Käufer unbekannt sei. Fahrlässigkeit des Verkäufers genüge allerdings nicht. Der Käufer sei so zu stellen, wie wenn die Sache den Fehler nicht hätte. Zu ersetzen sei die Wertdifferenz zwischen der mängelfreien und der mangelhaften Sache. Der maßgebliche Zeitpunkt sei der des Gefahrenüberganges, demnach der Zeitpunkt der Übergabe der verkauften Sache.

Den Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß zu § 36 IPR-Gesetz und zu den §§ 463 ff dBGB, insbesondere zu der Frage, ob Mufflons Schafe im Sinne des § 491 dBGB seien, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Zu dem im Ergebnis berechtigten Rechtskraftvorbehalt ist zu bemerken, daß es bei der Anwendung fremden Rechtes für die Beurteilung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ankommt, sondern auf die Übereinstimmung der Rechtsauslegung durch das Berufungsgericht mit der im ursprünglichen Geltungsbereich der fremden Norm gefestigten Lehre und Rechsprechung (2 Ob 565/83; 6 Ob 666/84).

In der Läsung der kollisionsrechten Frage ist dem Berufungsgericht jedoch zuzustimmen. Das ästerreichische IPR-Gesetz geht von der Fiktion aus, daß alle gesetzlichen Detailanknüpfungen Ausdruck des im § 1 Abs.1 ausgesprochenen Grundsatzes der Anknüpfung an die stärkste Beziehung sind (§ 1 Abs.2 IPR-Gesetz). Ob die konkrete Verweisungsvorschrift im Einzelfall korrigiert werden kann, ist hier nicht zu erärtern, weil es an Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die Verweisung des § 36 IPR-Gesetz der stärksten Bestimmung widerspräche und die Geldleistung ausnahmsweise charakteristischer sei (vgl Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 36 IPR-Gesetz; derselbe in Strasser FS, 912 ff. und die dort angeführten Beispiele).

Unerärtert bleiben kann, ob Mufflons Schafe im Sinne des § 481 BGB sind, weil es sich bei den Bestimmungen der §§ 481 ff.BGB um Gewährleistungsnormen handelt, der Kläger aber keinen Gewährleistungsanspruch geltend machte, sondern gegen die von ihm auch nicht mehr bekämpfte Kaufpreisrestforderung einredeweise einen Schadenersatzanspruch erhob. Die Heranziehung der §§ 463 bzw. 480 Abs.2 BGB für den Schadenersatzanspruch des Beklagten durch das Berufungsgericht ist jedoch verfehlt, weil es insoweit an einem Sachvorbringen des Beklagten in erster Instanz mangelt. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, daß neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen im eigentlichen Sinn (§§ 459 ff.BGB) der Käufer auch Schadenersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen schuldhafter Schlechtlieferung insoweit verlangen kann, als er durch die Schlechtlieferung Schaden an anderen Rechtsgütern als an der Kaufsache erlitten hat (sogenannter Mangelfolgeschaden). Nur hinsichtlich des in der Kaufsache selbst begründeten Schadens (Mangelschaden) enthält das Gesetz in den §§ 459 ff.BGB hinsichtlich der mäglichen Schadenersatzansprüche eine abschließende Regelung, sodaß insoweit für ein Zurückgreifen auf die Anspruchsgrundlage der positiven Vertragsverletzung kein Raum ist (NJW 1980,1950 mwN). Was im einzelnen zum Mangelfolgeschaden und zum Mangelschaden zu rechnen ist, mag in den Grenzbereichen oft zweifelhaft sein. Grundsätzlich zählt zum Mangelfolgeschaden derjenige Schaden, der dem Käufer an seinen übrigen Rechtsgütern außerhalb der Kaufsache - etwa an Gesundheit, Leben, Eigentum, aber auch an sonstigem Vermägen - entstanden ist. Mangelschaden umfaßt dagegen denjenigen Schaden, der unmittelbar durch die mangelhafte Lieferung verursacht ist; dazu gehären etwa die fehlende oder eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache, die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Aufwendungen (Reparaturkosten), der bleibende Minderwert, Nutzungsausfall und Gewinnentgang (NJW 1980,1950 mwN). Der Nachteil, den der Käufer einer mangelhaften Sache dadurch erleidet, daß er von seinem Abnehmer mit Erfolg auf Gewährleistung durch Entgeltminderung in Anspruch genommen wird, stellt in der Regel einen Gewinnentgang und somit einen Mangelschaden dar, dessen Ersatz vom Verkäufer nur nach Gewährleistungsgrundsätzen begehrt werden kann. Der Beklagte machte einredeweise einen solchen Anspruch als Schadenersatzforderung geltend, ohne auch nur zu behaupten, daß der ihm infolge Inanspruchnahme durch seinen Abnehmer entstandene Nachteil sich nicht in einer Gewinnminderung erschäpfte. Aus der behaupteten Vertragsverletzung des Klägers steht dem Beklagten nach den dargelegten Grundsätzen der erhobene Anspruch nicht zu. Demgemäß ist dem Rekurs des Klägers Folge zu geben und gemäß § 519 Abs.2 ZPO in der Sache selbst iS der Wiederherstellung des Ersturteils zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E06975

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00578.85.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19851107_OGH0002_0070OB00578_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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