TE OGH 1985/11/13 1Ob684,685/85 (1Ob685/85)

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Veröffentlicht am 13.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Isolde Freia A, geboren am 19. März 1951 in Chremnitz, Angestellte, Forchheim, Herrenstraße 9, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Günter Schütz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Erwin A, geboren am 16. August 1940 in Wien, Angestellter, Wien 22., Siebenbürgerstraße 16-26/26/1, vertreten durch Dr. Norbert Schira, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Mai 1985, GZ. 15 R 30/85-23, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. August 1984, GZ. 2 Cg 286/83-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 30.10.1982 vor dem Standesamt Augustusburg, Deutsche Demokratische Republik, die Ehe. Sie sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wien. Der Beklagte und Widerkläger (im folgenden kurz: Beklagter), der beruflich äfters in der Deutschen Demokratischen Republik zu tun hatte, hatte dort vor etwa zehn Jahren die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden kurz: Klägerin), die damals Staatsbürgerin der Deutschen Demokratischen Republik war, kennengelernt. Sie hatten gemeinsam Urlaubsreisen und Fahrten unternommen. Nach der Eheschließung war die Klägerin am 26.1.1983 gemeinsam mit ihrer 1969 geborenen Tochter zu dem in Wien wohnhaften Beklagten übersiedelt.

Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte werfe ihr zu Unrecht vor, sie vernachlässige den Haushalt und kümmere sich zu wenig im ihn. Dabei sei es der Beklagte, der regelmäßig fersehe und dadurch ein Gespräch verhindere. Wegen einer Kleinigkeit habe er die Tochter mit einem Tennisracket geschlagen. Er habe versucht, sie mit der Mitteilung, die Staatspolizei hätte sich nach ihr erkundigt, in Unruhe zu versetzen. In der Zeit vom 1.7. bis 10.7.1983 habe sie sich gemeinsam mit der Tochter in der Deutschen Demokratischen Republik aufgehalten. Bei der Rückkehr habe sie festgestellt, daß bei ihrem Bett die Bettdecke aufgeschlagen gewesen sei. Das Bett habe den Eindruck gemacht, als wäre es benützt worden. Als die Klägerin dies dem Beklagten vorgehalten habe, habe er ihr entgegnet, sie werfe ihm also Ehebruch vor, sie solle sofort ins Kinderzimmer gehen, um dort zu schlafen. In der Nach sei der Beklagte ins Kinderzimmer gekommen und habe verlangt, daß sie die Wohnungsschlüssel herausgebe, sie habe mit der Tochter bis zum nächsten Tag die Wohnung zu verlassen. Am 12.7.1983 habe sie in Begleitung eines bekannten Ehepaares in die Ehewohnung zurückkehren wollen. Der Beklagte sei aber gegenüber ihrer Begleitung tätlich geworden, so daß die Unterstützung der Polizei habe in Anspruch genommen werden müssen. Dabei habe der Beklagte behauptet, sie sei eine Spionin und habe nur geheiratet, um in den Westen zu gelangen.

Der Beklagte erhob Widerklage und stellte einen Mitschuldantrag. Die Klägerin strebe aus der Ehe; sie habe entgegen ihren Ankündigungen in die Deutsche Demokratische Republik zurückkehren zu wollen, bereits Schritte unternommen, um in die Bundesrepublik Deutschland zu übersiedeln. Er habe nie eine Anzeige bei der Polizei erstattet; die Klägerin habe ihn vielmehr anläßlich der Polizeiintervention beschuldigt, er sei geistig nicht in Ordnung und gehe in der Nacht spazieren. Die Beklagte habe ihn am 12.7.1983 böswillig verlassen. Es liege 'Vorspiegelung falscher Tatsachen betreffend der Eheschließung' vor. Anläßlich ihrer Rückkehr aus Dresden am 10.7.1983 habe sich die Klägerin wie eine Fremde benommen; sie habe erklärt, sie habe in Dresden Arbeit gefunden und werde dorthin zurückkehren.

Die Klägerin wendete gegen die Widerklage ein, der Grund ihres Ausziehens aus der Wohnung sei eine Anzeige des Beklagten bei der Polizei gewesen, in der er sie als Spionin bezeichnet habe. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden beider Teile, die Klägerin treffe das überwiegende Verschulden. Es stellte fest, die Klägerin hätte vereinbarungsgemäß bereits am 7.1. oder 10.1.1983 nach Wien kommen sollen. Bei ihrer Ankunft am 26.1.1983 habe die Klägerin angegeben, bei der Veräußerung des Hausrates und der Durchführung des Transportes der Möbel nach Wien Schwierigkeiten gehabt zu haben, der Beklagte habe aber erfahren, daß die Klägerin durch eigene Untätigkeit nicht rechtzeitig nach Wien gekommen sei. Als die Unterbringung der Tochter in einer österreichischen Schule nicht sofort möglich gewesen sei, habe die Klägerin über die Verhältnisse in Österreich geschimpft. In der ersten Februarwoche 1983 sei die Klägerin zu ihrem Vater in die Bundesrepublik Deutschland gefahren. Sie habe sich dort geäußert, daß sie nicht nach Österreich zurückkehren wolle. Der Vater der Klägerin habe dem Beklagten mitgeteilt, die Klägerin meine es nicht ehrlich mit dem Beklagten. Der Beklagte habe der Klägerin vorgeschlagen, ihre Tochter zu adoptieren, das sei aber von der Klägerin abgelehnt worden. Im Zusammenleben seien Differenzen entstanden. Der Beklagte habe wegen jeder unachtsamen Berührung seiner Modelleisenbahnanlage geschimpft. Ende Mai 1983 habe die Klägerin gefunden, daß die Lebensverhältnisse mit dem Beklagten nicht erträglich seien. Sie habe sich in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland erkundigt, ob sie deutsche Staatsbürgerin sei. Der Beklagte habe sie von einer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland abbringen wollen und sei in der folgenden Zeit besonders nett gewesen. Seit Juni 1983 sei die Klägerin in einem Marktforschungsunternehmen beschäftigt gewesen. Bei ihrer Rückkehr aus der Deutschen Demokratischen Republik am 10.7.1983 habe sie sich gegenüber dem Beklagten bereits bei der Ankunft sehr kühl benommen. Sie habe ihm einen Kuß verweigert und ihn behandelt, als wäre er ein Taxilenker. Am Abend sei sie sehr spät ins Schlafzimmer gekommen. Sie habe gesagt, daß sie sich in Dresden um Arbeit umgesehen habe, weil sie nicht in Österreich bleiben wolle. Sie habe die Vermutung geäußert, daß der Beklagte während ihrer Abwesenheit eine Frau im Bett gehabt habe. Sie habe sich daraufhin zu ihrer Tochter ins Kinderzimmer zurückgezogen. Am 11.7.1983 sei sie sehr spät nach Hause gekommen; sie habe dem Beklagten eräffnet, sie habe etwas unternommen, daß ihm Hören und Sehen vergehen werde. Der Beklagte sei daraufhin argwähnisch geworden und habe ihr und der Tochter die Wohnungsschlüssel abgenommen. Am Abend des 12.7.1983 sei die Klägerin mit einem Cousin des Beklagten und dessen Gattin in die Ehewohnung zurückgekommen. Der Beklagte habe seinen Cousin roh aus der Wohnung gewiesen; als dieser sie nicht habe verlassen wollen, sei es zu einem Handgemenge gekommen. Die Klägerin habe sich darauf an die Polizei gewendet. Sie habe dort angegeben, der Beklagte habe sich psychisch verändert, er schlage ihre Tochter, schreie wegen jeder Kleinigkeit, läse in der Nacht Kreuzworträtsel auf und liege neben ihr und onaniere. Er habe sie und den Cousin eben aus der Wohnung gewiesen. Sie habe um Intervention gebeten, damit sie sich ihre Sachen holen könne. Den intervenierenden Polizeibeamten habe der Beklagte angegeben, die Klägerin und ihre Tochter dürften jederzeit in die Wohnung, die Klägerin könne aber auch ihre Sachen haben und ausziehen. Es sei ihm nunmehr klar geworden, daß die Klägerin ihn nur geheiratet habe, um ihn als Sprungbrett für eine Einbürgerung in die Bundesrepublik Deutschlang zu benützen. Ihr Vater habe den - den erhebenden Polizeibeamten telefonisch bestätigten - Verdacht geäußert, daß die Klägerin für eine Organisation der Deutschen Demokratischen Republik tätig sei. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Beklagte habe lediglich eine über vertretbare Reaktionen hinausgehende Härte zu verantworten. Die Abnahme der Wohnungsschlüssel sei erfolgt, als die Klägerin unbestimmte Drohungen geäußert und die Absicht ausgedrückt habe, nicht beim Beklagten zu bleiben. Sie könnte unter diesen Umständen nicht als eine die Scheidung rechtfertigende schwere Eheverfehlung gewertet werden. Die Klägerin hingegen habe durch ihr deutliches Streben aus der Ehe, durch die Mitteilung, sie habe sich bereits in ihrer Heimat um eine Arbeit umgesehen und wolle nicht beim Beklagten in Österreich bleiben, und durch die Drohung, sie habe etwas unternommen, durch das dem Beklagten Hören und Sehen vergehen werde, selbst schwerwiegende Eheverfehlungen gesetzt. Die zerrüttete Ehe sei daher aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin zu scheiden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Das Vorbringen in der Widerklage 'Vorspiegelung falscher Tatsachen betreffend die Eheschließung' sei zwar nicht für sich allein, wohl aber im Zusammenhang mit dem Gesamtbild des dargestellten Ehelebens, verständlich. Der Klägerin werde vorgeworfen, in Wahrheit weder vor noch währed der Ehe den erforderlichen Ehewillen gehabt zu haben, sondern bestrebt gewesen zu sein, aus der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Wege über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland zu übersiedeln, wo sie nun auch tatsächlich ihren Aufenthalt genommen habe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände habe das Erstgericht aber auch ihr Streben aus der Ehe und insofern auch ihr Verlassen der Ehewohnung zutreffend als schwere Eheverfehlung gewertet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Nach § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet. Nach § 92 Abs 2 ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Solche Gründe behauptete die Klägerin zwar, sie wurden aber nicht als erwiesen angenommen. Es wurde weder festgestellt, daß der Beklagte die Klägerin aus der Wohnung gewiesen oder ihr die Rückkehr in die Wohnung verweigert habe noch daß ihr ein Verbleib in der Wohnung deshalb unzumutbar geworden sei, weil der Beklagte sie als Spionin bezeichnet habe. Der Beklagte verwies vielmehr auf Vermutungen des Vaters der Klägerin, die dieser den erhebenden Polizeibeamten gegenüber telefonisch bestätigte. War der Klägerin aber das Zusammenleben nicht unzumutbar gemacht, so liegt die vom Beklagten im grundlosen Verlassen der Ehewohnung erblickte schwere Eheverfehlung der Klägerin vor. Diese Eheverfehlung machte der Beklagte ausdrücklich als Scheidungsgrund geltend. Die gesonderte Wohnungsnahme war nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen darauf zurückzuführen, daß die Klägerin von allem Anfang an aus der Ehe strebte (diese Behauptung stellte der Beklagte ausdrücklich in seinem Mitschuldantrag auf) und entweder (gegen den Willen des Beklagten) in die Deutsche Demokratische Republik zurückkehren oder, wie sie es schließlich durchführte, in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln wollte. Nach § 60 Abs 2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles dann auszusprechen, wenn der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile erheblich ist, also augenscheinlich hervortritt (EFSlg 43.691, 41.281 bis 41.284 uva; Schwind, Ehegesetz 2 251 f;

Koziol-Welser 7 II 201; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 60 EheG). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin strebte aus der Ehe, erklärte dem Beklagten, sie wolle nicht bei ihm in Österreich bleiben, und verließ ihn dann auch tatsächlich ohne zureichenden Grund. Dem Beklagten ist dagegen nur ein gewisses liebloses Verhalten anzulasten. Von der Revision vermißte Feststellungen in der Richtung, ob und welche falsche Tatsachen die Klägerin dem Beklagten vor der Eheschließung vorgespiegelt habe, sind schon deshalb entbehrlich, weil eine solche listige Irreführung allenfalls für ein hier nicht gestelltes Aufhebungsbegehren beachtlich wäre, Eheverfehlungen - und damit Scheidungsgründe - aber grundsätzlich nur nach Eingehen der Ehe gesetzt werden können (Schwind aaO 157; derselbe in Klang 2 I/1, 654). Den Urteilen der Vorinstanzen haftet daher der behauptete Feststellungsmangel nicht an.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E06891

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00684.85.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19851113_OGH0002_0010OB00684_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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