TE OGH 1985/11/13 1Ob688/85

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Veröffentlicht am 13.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dipl. Ing. Wolfdietrich A,

2.) Mag. Elisabeth A, beide Wien 1., Wollzeile 29, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Robert B, Cafetier, Wien 1., Wollzeile 29/5, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Juni 1985, GZ. 41 R 320/85-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. Dezember 1984, GZ. 48 C 483/84-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Erstkläger ist zu 2810/2952, die Zweitklägerin zu 142/2952 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft Wien 1., Wollzeile 29. Mit den Anteilen der Zweitklägerin und gleichen Anteilen des Erstklägers ist das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehegatten an der Wohnung Nr.5 verbunden. Die Zweitklägerin war zunächst auf Grund des Schenkungsvertrages vom 20.Juli 1983 am 12.Oktober 1983 Miteigentümerin der Liegenschaft zu 112/2952 Anteilen geworden; mit Tauschvertrag vom 12.Juni 1984 wurde sodann das gemeinsame Wohnungseigentum an der genannten Wohnung zu Miteigentumsanteilen von je 142/2952 Anteilen begründet. Der Mutter des Beklagten war die Wohnung Nr. 5 vom damaligen Eigentümer der Liegenschaft mit Vertrag vom 4.Dezember 1953 vermietet worden.

Die Kläger kündigten dem Beklagten die an ihn vermietete Wohnung nur unter Berufung auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z. 9 MRG mit der Behauptung auf, die Wohnung werde für die Eltern der Zweitklägerin (Schwiegereltern des Erstklägers) dringend benötigt, weil diese pflegebedürftig seien und nur in unmittelbarer räumlicher Nähe von den Klägern betreut werden könnten.

Der Beklagte erhob gegen die Aufkündigung Einwendungen und bestritt die Voraussetzungen für die behaupteten Kündigungsgründe. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Das Vorbringen der Kläger sei dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z. 9 MRG zu unterstellen; die Voraussetzungen für diesen Kündigungsgrund seien zu verneinen, weil die im Abs 3 dieser Gesetzesstelle festgelegte Frist nicht eingehalten worden sei und die weitere dort geforderte Voraussetzung, daß der Miteigentümer solche Kündigungsgründe nur geltend machen könne, wenn er wenigstens Hälfteeigentümer sei, auf die Zweitklägerin, die den Eigenbedarf für ihre Eltern geltend mache, nicht zutreffe. Der Erstkläger könne sich mangels Verwandtschaft zu seinen Schwiegereltern auf diesen Kündigungsgrund nicht berufen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige. Nach dem klaren Wortlaut des § 30 Abs 2 Z. 9 MRG sei ein Zeitraum von zumindest zehn Jahren zwischen Erwerb der Liegenschaft und Kündigungstermin nicht erforderlich. Diese Frist gelte nur für Kündigungen nach § 30 Abs 2 Z. 8 MRG. Die Rechtsprechung habe schon zur entsprechenden Bestimmung des § 19 Abs 3 MG die Ansicht vertreten, die dort geregelte Kündigungsbeschränkung sei bei Erwerbung unter Lebenden auch auf die Kündigung von Eigentumswohnungen anzuwenden. Daran habe sich durch das Mietrechtsgesetz nichts geändert. Zwar spreche § 30 Abs 3 MRG nur von "Miethaus", doch sei eine inhaltliche Änderung vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt worden. Die Begründung von Wohnungseigentum und die Übertragung der entsprechenden Miteigentumsanteile hätten zur Folge, daß an die Stelle der bisherigen Hauseigentümer nun der Wohnungseigentümer als Vermieter trete. Die Rechtsstellung des Mieters erfahre hiedurch zwar eine Verschlechterung, weil etwa auf die erleichterte Kündigungsmöglichkeit nach § 30 Abs 2 Z. 8 MRG zurückgegriffen werden könne; das könne im vorliegenden Fall aber auf sich beruhen, weil diese Erleichterung bei einer Kündigung nach § 30 Abs 2 Z. 9 MRG ohnehin nicht zum Tragen komme. Fraglich sei vielmehr, ob der Eigenbedarf der Zweitklägerin, die bloß einen halben Anteil des Mindestanteiles besitze, ausreiche, um für ihre Eltern kündigen zu können. Gehe man davon aus, daß an die Stelle der bisherigen Vermieterin die Wohnungseigentümer getreten seien, könne der letzte Satz des § 30 Abs 3 MRG nur dahin verstanden werden, daß zur Kündigung der Wohnungseigentümer oder die Ehegatten als gemeinsame Wohnungseigentümer legitimiert seien. In Analogie zu § 30 Abs 3 MRG müsse bei Wohnungseigentum von Ehegatten daher auch der halbe Mindestanteil zur Geltendmachung des Eigenbedarfs nach § 30 Abs 2 Z. 9 MRG ausreichen. Auch sei es unmaßgeblich, daß die Zweitklägerin den Anteil im Tauschweg erst unmittelbar vor Einbringung der Aufkündigung erworben habe. Auch im Falle einer Übertragung der Hälfteanteile an der Liegenschaft würde die Übereignung vor Aufkündigung den Eigenbedarf nach § 30 Abs 2 Z. 9 MRG nicht ausschließen, weil für diesen Kündigungsgrund keine Frist vorgesehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Aufkündigung auch deshalb aufgehoben, weil sich die Kläger auf den im § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG vorgesehenen Mindestzeitraum von zehn Jahren zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin nicht berufen könnten. Zu Recht und vom Rekurswerber auch nicht mehr bekämpft hat das Berufungsgericht auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut verwiesen, wonach dieser Zeitraum lediglich Tatbestandsmerkmal des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z. 8 MRG ist. Der Gesetzgeber verfügte diesen Zwischenzeitraum, um Spekulationskäufen vorzubeugen (EvBl 1983/103), und hielt ihn für den Fall entbehrlich, daß der Vermieter die Aufkündigung ohnehin nur erwirken kann, wenn er dem Mieter entsprechenden Ersatz anbietet (§ 32 Abs 2 MRG). Der Beklagte wendet sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes allein mit dem Argument, daß, weil der Mietvertrag mit dem früheren Alleineigentümer der Liegenschaft geschlossen worden sei, seine Rechtsstellung nicht dadurch verschlechtert werden dürfe, daß danach am Mietgegenstand Wohnungseigentum begründet wurde. Er kann sich insoweit auf Würth-Zingher, MRG 2 , § 2 Anm. 4 aE und Zingher, MG 18 124 zu dem im wesentlichen dem geltend gemachten Kündigungsgrund entsprechenden (Derbolav in Korinek-Krejci, HBzMRG 448) § 19 Abs 2 Z. 6 MG berufen, doch wurde die Auffassung, die im § 30 Abs 3 MRG geregelte Aktivlegitimation komme Wohnungseigentümern dann nicht zugute, wenn das Wohnungseigentum erst während des Bestandes des Mietvertrages geschaffen wurde, nicht näher begründet. § 30 Abs 3 MRG fordert für die Aktivlegitimation des wegen Eigenbedarfs nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG kündigenden Miteigentümers (ebenso wie schon § 19 Abs 3 MG) lediglich, daß er im Zeitpunkt der Aufkündigung wenigstens Hälfteeigentümer des "Miethauses" ist. Der Wohnungseigentümer macht bei der Vermietung der Eigentumswohnung von seinem ausschließlichen Nutzungsund Verfügungsrecht über diese Wohnung Gebrauch und stellt insoweit die Gesamtheit aller Miteigentümer dar, so daß ihm das Kündigungsrecht in Ansehung seiner vermieteten Eigentumswohnung - wie schon nach früherem Recht(SZ 51/151 = MietSlg. 30.447/35) - allein, bei Miteigentum von Ehegatten diesen zusteht. Genügt es danach (§ 30 Abs 3 letzter Satz MRG) aber, daß der Eigenbedarf bei einem Hälfteeigentümer vorliegt, so muß das gleiche für einen Wohnungseigentümer, auch wenn er am gesamten Haus, wie zumeist, nur Minderheitseigentümer ist, gelten; Eigenbedarf bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Ehegatten (§§ 2 Abs 1, 9 WEG) muß also nur bei einem Ehegatten zutreffen; er ist in bezug auf die Eigentumswohnung im Sinne dieser Gesetzesstelle als Hälfteeigentümer anzusehen. Daran kann auch nichts ändern, daß die Wohnungseigentümer in den Mietvertrag (als Einzelrechtsnachfolger des ursprünglichen Vermieters) eingetreten sind. Es trifft zwar zu, daß die Wohnungseigentümer in einem solchen Fall gemäß § 2 Abs 1 zweiter Satz MRG an die Vereinbarungen über die Beendigung des Mietverhältnisses gebunden bleiben, also etwa an eine bestimmte Mietdauer, an einen Kündigungsverzicht oder an längere Fristen, so daß sie auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 30 MRG) nur nach Maßgabe des Vertrages kündigen können (Würth in Rummel, ABGB, § 2 MRG Rdz 7); der zur Kündigung berechtigende dringende Eigenbedarf ergibt sich aber aus dem Gesetz und nicht aus dem Mietvertrag und ist daher allein aus den konkreten Verhältnissen des gegenwärtigen Vermieters abzuleiten. Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E07011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00688.85.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19851113_OGH0002_0010OB00688_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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