TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/08/0037

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
KollV Handelsangestellte;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. Nikolaus Schindler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 24, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Dezember 2002, Zl. MA 15-II-J 97/2002, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gesellschaft Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren betreffend Eingabegebühr wird abgewiesen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die beschwerdeführende Gesellschaft als Dienstgeberin ihren dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten in Österreich unterliegenden Beschäftigten neben einem fixen Gehalt regelmäßig Provisionen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen bezahlt hat. Bei der Berechnung der Höhe der Weihnachtsremunerationen hat die beschwerdeführende Gesellschaft diese Provisionen nicht berücksichtigt und nur den Basislohn zu Grunde gelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Instanzenzug festgestellt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft als Dienstgeberin verpflichtet sei, für die Jahre 1998 bis 2001 für näher genannte Angestellte Dienstnehmerbeiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Höhe von insgesamt EUR 3.788,66 zu entrichten.

In der Begründung kommt die belangte Behörde nach der Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der teilweisen Wiedergabe des genannten Kollektivvertrages unter Bezug auf die im Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0439, entwickelten Rechtssätze zusammengefasst zu dem Schluss, dass die Verkaufsprovisionen bei der Berechnung der Höhe der Weihnachtsremuneration einzubeziehen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Gegenschriften erstatteten, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2002/08/0095, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu beantworten, ob von der dort beschwerdeführenden Gesellschaft ihren dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs unterliegenden Beschäftigten neben dem fixen Gehalt regelmäßig bezahlte Umsatzprämien und Umsatzprovisionen bei der Berechnung der Weihnachtsremuneration und der Urlaubsbeihilfe einzubeziehen seien. In Auseinandersetzung mit den einschlägigen Bestimmungen des genannten - und auch im vorliegenden Fall maßgebenden - Kollektivvertrages ist der Verwaltungsgerichtshof zu folgendem Ergebnis gelangt:

"Wenn aber Provisionen in jenen Fällen, in denen sie berufstypisch sind, nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages nicht in die Bemessung der Sonderzahlungen einbezogen werden, dann gilt dies - wenn nicht Gegenteiliges angeordnet ist - im Zweifel analog auch für jene Fälle, in denen der Dienstgeber mit Angestellten, die nach dem Entlohnungsbild des Kollektivvertrages typischerweise mit Fixbezügen (allenfalls zuzüglich diverser Zulagen) entlohnt werden, in bestimmten Fällen - unternehmensbezogen - zusätzlich zu diesen Fixbezügen auch Provisionsansprüche vereinbart hat. Mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung im Arbeitsvertrag ist daher auch in solchen Fällen davon auszugehen, dass nur das 'Fixum', d.h. der regelmäßige Monatsbezug (allenfalls einschließlich bestimmter Zulagen) für die Berechnung der Sonderzahlungen heranzuziehen ist....

Eine Einbeziehung der Provision in den Bruttomonatslohn oder das 'Novembergehalt' als Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen ist daher nur insoweit vorzunehmen, als dies entweder in (insoweit gegenüber dem Kollektivvertrag günstigeren) Einzelarbeitsverträgen vorgesehen ist, oder ein solcher Anspruch allenfalls auf Grund der Gleichbehandlungspflicht des Arbeitgebers auch anderen Arbeitnehmern zusteht.... Da die belangte Behörde jedoch davon ausgegangen ist, dass die Provisionen in jedem Fall in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten einzubeziehen ist, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit."

Ausdrücklich abgelehnt hat der Verwaltungsgerichtshof in dem eben genannten Erkenntnis, auf dessen weitere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die von der dort belangten Behörde für ihre Ansicht ins Treffen geführte Anlehnung an die im Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0439, angestellten Überlegungen, weil dort die Rechtslage nach dem Kollektivvertrag für die Handelsarbeiter Österreichs, die sich von der vorliegenden unterscheide, zu beurteilen gewesen sei.

Auch im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde unter Heranziehung der Grundsätze, die im eben genannten Erkenntnis vom 22. Dezember 1999 zum Kollektivvertrag für die Handelsarbeiter Österreichs entwickelt wurden, davon ausgegangen, dass die Provisionen in jedem Fall in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten in Österreich einzubeziehen seien. Aus den oben angeführten Gründen hat sie durch diese Rechtsansicht den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Ein Ersatz der Eingabegebühr findet wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG nicht statt.

Wien, am 29. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080037.X00

Im RIS seit

01.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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