TE OGH 1985/11/21 6Ob691/85

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Veröffentlicht am 21.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A & B AG, St.Gallen, Hinterberg 28, Schweiz, vertreten durch Dr.Christian Beurle, Dr.Waldemar Wängler und Dr.Hans Oberndorfer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei R.C.P. C D, S.N.C., Montegrotto, Fia S.Pellico, Italien, vertreten durch Dr.Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,928.902,76 s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 12. August 1985, GZ.2 R 190/85-25, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 4.Juni 1985, GZ.3 Cg 428/84-21, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 19.410,60 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 1.764,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 20.12.1984, durch den Beschluß des Rekursgerichtes vom 13.3.1985 teilweise abgeändert, wurde zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei auf Zahlung von S 1,931,812,93 samt Zinsen und Kosten der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei jede Verfügung über ihren Anspruch auf Zahlung gegenüber der E AG in Linz bis zu einem Gesamtbetrag von S 2,500.000 untersagt und zugleich ein entsprechendes Drittverbot ausgesprochen.

Die Beklagte hatte gegen die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes nicht nur Rekurs erhoben, sondern auch Widerspruch, weil sie vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht angehört worden war. In diesem Widerspruch machte sie unter anderem geltend, die Parteien hätten am 29.10.1984 eine Vereinbarung getroffen, mit welcher die Klägerin 'auf jede gerichtliche Maßnahme eventuell auch schon anlaufende, in Österreich, Schweiz, Italien und in jedem anderen Land verzichtet' habe.

Das Erstgericht verhandelte über diesen Widerspruch, vernahm als Auskunftsperson den Geschäftsführer der Beklagten und nahm Einsicht in die von den Parteien vorgelegten Urkunden. Es wies den Widerspruch ab und hielt die vom Rekursgericht abgeänderte einstweilige Verfügung in vollem Umfang aufrecht. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

Die E AG errichtet als Generalunternehmer ein Kompakthüttenwerk in Shlobin (UdSSR). Sie beauftragte die Beklagte mit der Durchführung von Montagearbeiten; diese wiederum erteilte der Klägerin einen Subauftrag zur Montage der Dach- und Wandverkleidung. Die Klägerin behauptete die Fälligkeit eines restlichen Werklohnes von S 1,931.812,93 auf Grund ihrer Schlußrechnung. Am 29.10.1984 fand zwischen den Herren B (Geschäftsführer der Klägerin) und F (Geschäftsführer der Beklagten) in Montegrotto (Italien) eine Besprechung statt, bei der die Weichen für die finanzielle Abwicklung der Zusammenarbeit der Streitteile in Shlobin gestellt wurden. Dabei kam man überein, daß seitens der Beklagten - vorbehaltlich einer Schlußbesprechung bei E - verschiedene Zahlungen für von der Klägerin bis 31.7.1984 erbrachte Leistungen mittels Wechsels getätigt und verschiedene Streitpunkte vorderhand ausgeklammert werden sollten.

Weiters trafen die Streitteile bei dieser Besprechung am 29.10.1984 die Vereinbarung, daß die Klägerin auf jede gerichtliche Maßnahme gegen die Beklagte aus dem gegenständlichen Geschäftsfall verzichte. Mit Schreiben vom 9.11.1984 an die Beklagte behauptete die Klägerin, daß diese Vereinbarung unter dem Vorbehalt zustandegekommen sei, daß sich der Geschäftsführer der Klägerin erkundigen werde, welche Risiken, Sicherheiten und Kosten eine Zahlung mittels Wechsels haben würde. Da sich herausgestellt habe, daß Wechsel nur geringfügige Sicherheit bäten und die Klägerin an Hand der Tatsache der verspäteten Zahlungen seitens der Beklagten um ihre Forderung bangen müsse, behalte sie sich das Recht vor, direkt durch einen gerichtlichen Beschluß bei der E AG ihre Forderungen sicherzustellen. Falls die Beklagte daher eine ihr von der Klägerin unter einem übermittelte Vereinbarung über die von der Beklagten zu leistenden Zahlungen nicht unterfertige, sei die Klägerin gezwungen, die nötigen Schritte zu unternehmen. Da eine Unterfertigung dieser neuen Zahlungsvorschläge der Klägerin durch die Beklagte nicht erfolgte und von dieser auch keine Zahlungen an die Klägerin geleistet wurden, brachte die Klägerin am 19.12.1984 die gegenständliche Klage und den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ein. Bei der Besprechung vom 29.10.1984 wurden allfällige Belastungen der Klägerin nur bis zum 31.7.1984 abgerechnet und erörtert. Ob und in welchem Umfang Belastungen der Klägerin durch die Beklagte berechtigterweise vorzunehmen sein würden, konnte im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht geklärt werden, da insbesondere eine Aufschlüsselung, welche Schäden von der Klägerin oder von einem anderen Subunternehmer verursacht worden sind, noch gar nicht erfolgt ist.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Partei Folge, änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Sicherungsantrag abgewiesen wurde. Das Rekursgericht führte aus:

Mit Recht rüge die Rekurswerberin, daß sich das Erstgericht mit ihrer Einwendung, die einstweilige Verfügung sei vereinbarungswidrig beantragt worden, nicht näher auseinandergesetzt habe. Das Erstgericht habe nämlich mit keinem Wort begründet, weshalb diese Einwendung 'im Hinblick auf den bescheinigten Sachverhalt ins Leere' gehe. Die von der Beklagten im Widerspruch geltend gemachte und durch Vorlage der Beilage 1 bescheinigte Vereinbarung vom 29.10.1984, wonach auf Grund der am selben Tag zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung die Klägerin auf gerichtliche Maßnahmen verzichte, sei als pactum de non 'competendo' (richtig petendo) zu beurteilen. Da durch diese Vereinbarung ausdrücklich die Anrufung österreichischer Gerichte ausgeschlossen werden sollte, ein österreichisches Gericht aber dann angerufen worden sei, sei zunächst nach dem Recht des Gerichtsortes, also nach österreichischem Recht die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung zu untersuchen. Österreichische Gerichte stünden im Rahmen der internationalen Gerichtsbarkeit auch ausländischen Klägern zur Durchsetzung deren Ansprüche gegen andere Ausländer zur Verfügung, soweit sich ihre Zuständigkeit auf eine österreichische Verfahrensnorm gründen lasse. Eine solche Zuständigkeit sei im vorliegenden Fall gemäß § 99 Abs.1 und 2 JN gegeben. Inwieweit ein pactum de non petendo diese Gerichtsbarkeit ausschließen, gegebenenfalls also ein Prozeßhindernis bilden könnte, sei ebenso nach österreichischem Recht zu beurteilen, wie wenn ein Österreicher mit einem anderen Österreicher eine derartige Vereinbarung getroffen und trotzdem ein österreichisches Gericht angerufen hätte. Die Rechtsprechung und überwiegend auch die Lehre hielten das pactum de non petendo grundsätzlich für zulässig. Fasching meine zwar, die Parteien könnten den Justizgewährungsanspruch nicht völlig ausschließen. Im vorliegenden Fall gehe es aber gar nicht um einen solchen völligen Ausschluß. Im Zusammenhalt mit der grundlegenden Vereinbarung vom 29.10.1984 und der Aussage des Carlo F könne die gewillkürte Wirkungsdauer der Verzichtsvereinbarung Beilage 1 nur so verstanden werden, daß die Klägerin bis zum Schlußgespräch mit der E und jedenfalls nur so lange auf gerichtliche Schritte verzichtet habe, bis die vereinbarten Wechsel fälliggestellt werden könnten. Diese vereinbarte Wirkungsdauer der Verzichtserklärung sei bei Einbringung der Klage und des Sicherungsantrages noch nicht abgelaufen gewesen. Die Schlußbesprechung mit der E habe erst am 29.2.1985

stattgefunden. Für die Wechsel sei ein Zahlungsziel von 90 Tagen vorgesehen gewesen. Hinsichtlich der Beurteilung der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Vereinbarung Beilage 1 verweise das österreichische Recht auf das Recht der Schweiz. Danach ergäben sich keine Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit und Wirksamkeit. Die Vereinbarung sei schriftlich festgehalten und von den jeweiligen Geschäftsführern der Parteien, deren Geschäftsfähigkeit nach der Aktenlage nicht im geringsten bezweifelt werden könne, abgeschlossen worden. Nun habe die Klägerin allerdings vorgebracht, die Vereinbarung vom 29.10.1984 sei seitens der Klägerin unter dem Vorbehalt abgeschlossen worden, daß die Klägerin bei ihrer Hausbank feststelle, ob die von der Beklagten vorgeschlagene Zahlungsweise Sicherheit biete. Mangels dieser ausreichenden Sicherheit sei die Klägerin nicht an den 'ins Auge gefaßten' Verzicht auf Einleitung gerichtlicher Maßnahmen gebunden, wie auch der Beklagten mit Schreiben vom 9.11.1984 mitgeteilt worden sei. Selbst wenn man davon absehe, daß dieses Vorbringen nur in der Hauptsache und nicht im Widerspruchsverfahren erstattet worden sei, so sei die Klägerin jedenfalls eine Bescheinigung dieses Vorbringens schuldig geblieben. Die im Verfahren in der Hauptsache geführten Zeugen Gebhard G, Kurt

B und Edgar A seien nicht auch als Auskunftspersonen im Provisorialund Widerspruchsverfahren namhaft gemacht worden und wären im übrigen auch keine paraten Bescheinigungsmittel, würden sie nicht von der Klägerin ähnlich wie Carlo F seitens der Beklagten dem Gericht stellig gemacht werden. Das einseitige, von der Beklagten jedenfalls nicht gegengezeichnete Schreiben vom 9.11.1984 vermäge den behaupteten 'Vorbehalt' nicht zu bescheinigen, eher das Gegenteil. Es wäre völlig unverständlich, wenn ein derartiger Vorbehalt nicht schon in die Vereinbarung vom 29.10.1984 hineingenommen worden wäre. Die im Schreiben vom 9.11.1984 behauptete Erklärung des eigens zu Zahlungsverhandlungen mit der Beklagten nach Italien gereisten Geschäftsführers der Klägerin, er habe keine Ahnung von Zahlungen mit Wechsel, spreche 'auch nicht gerade für die Glaubwürdigkeit des Herrn B'. Im übrigen habe die Klägerin noch am 13.11.1984, also vier Tage nach Absendung ihres Schreibens vom 9.11.1984, die Gültigkeit der Vereinbarung vom 29.10.1984 vorbehaltslos anerkannt, indem sie die Klage 3 Cg 371/84 des Landesgerichtes Linz zurückgezogen und hinsichtlich der bereits erwirkten einstweiligen Verfügung vom 5.11.1984 eine Einstellungserklärung nach § 39 Abs.1

Z 6 EO abgegeben habe. Aus den vorgelegten Gründen sei die von der Beklagten bescheinigte Vereinbarung vom 29.10.1984 auch noch am 19.12.1984 der neu eingebrachten Klage 3 Cg 428/84 und damit auch der Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Klagsanspruches entgegengestanden. Bei Beantwortung der formellen Frage, ob es sich hier um ein Prozeßhindernis oder um eine materiellrechtliche Einwendung handle, die zur Abweisung der Klage bzw. des Sicherungsantrages führen müsse, folge das Rekursgericht dem Standpunkt des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung JBl. 1975, 421, weshalb der angefochtene Beschluß daher in eine Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Die Ausführungen im Rechtsmittel betreffen ausschließlich die Frage, ob von der beklagten Partei bescheinigt wurde, es sei die Vereinbarung vom 29.10.1984 unter dem 'Vorbehalt' getroffen worden, daß sich der Geschäftsführer der gefährdeten Partei erkundigen werde, welche Risiken, Sicherheiten und Kosten eine Zahlung mittels Wechsel haben würde. Auch das Vorbringen über die Berücksichtigung der Zurückziehung der Klage zu 3 Cg 371/84 des Erstgerichtes am 13.11.1984 durch die hier klagende Partei betrifft die Frage der Bescheinigung, weil es sich dabei um Überlegungen des Rekursgerichtes im Zuge der Bescheinigungswürdigung handelt. Die Rechtsmittelwerberin übersieht bei diesen Ausführungen, daß der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechts-, nicht aber Tatsacheninstanz ist und ihm daher die Überprüfung des als bescheinigt oder nicht bescheinigt angenommenen Sachverhaltes entzogen ist (SZ 40/163; SZ 51/21 uva.). Die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin, die nur die Auffassung des Rekursgerichtes bekämpfen, der behauptete 'Vorbehalt' sei nicht bescheinigt worden - dabei handelt es sich um eine Tatfrage (§Bl.1983,42 ua) - sind daher unbeachtlich, weshalb auf sie nicht einzugehen ist (SZ 40/163; §Bl.1980/121 ua.) Dem Rechtsmittel, das keinen anderen Rechtsmittelgrund enthält, war daher der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO in Verbindung mit den §§ 78 und 402 EO. Dabei waren an Verdienstsumme einschließlich des Einheitssatzes S 17.646 (statt der begehrten S 17.671,50) zuzusprechen. Der verlangte Fremdsprachenzuschlag gebührt schon deshalb nicht, weil zur Vorbereitung der erstatteten Rekursbeantwortung eines Korrespondenz nicht erforderlich war. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht berechtigt, weil der Gegner der gefährdeten Partei von dieser Gebühr befreit ist (Anm.4 lit.f zu TP 1 GJGebGes.; EvBl.1967/375,525).

Anmerkung

E06963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00691.85.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19851121_OGH0002_0060OB00691_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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