TE OGH 1985/11/21 7Ob653/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** BANK GESMBH, Graz, Rathaus, vertreten durch

Dr. Gerhard Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei B*** D***, Dillenburg, Am Untertor 9, BRD,

vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 4,180.477,82 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Juni 1985, GZ. 7 R 73/85-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Feber 1985, Gz. 7 Cg 262/84-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 30.983,81 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 6.000,- Barauslagen und S 2.271,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei gewährte der FIRMA E** M*** R*** GMBH (im folgenden nur FIRMA E**) am 27.8.1982 einen Betriebsmittelkredit von S 20 Mill und einen Investitionskredit von S 10 Mill. Die von der beklagten Partei der klagenden Partei gegenüber noch vor der Kreditgewährung, am 20.8.1982 abgegebene, zunächst bis 20.8.1983 befristete, in der Folge jedoch bis 20.8.1984 verlängerte Garantieerklärung hat fogenden Wortlaut: "Sie räumen der FIRMA E**.....Kredite bis zu S 30 Mill ein. Auf Ersuchen vorgenannter Firma garantieren wir die Rückzahlung dieser Kredite bis zur Höhe von maximal S 10 Mill. einschließlich rückständiger Zinsen und Kosten. Die Garantie erstreckt sich nur auf den Teil der gewährten Kredite, der S 20 Mill übersteigt. Wir verpflichten uns, angeforderte Beträge bis zum Höchstbetrag von S 10 Mill ohne Prüfung der zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse binnen

3 Werktagen.....Ihnen zur Verfügung zu stellen. Für diese Garantieerklärung gilt österreichisches Recht. Als Gerichtsstand wurde Graz vereinbart." Am 18.7.1984 nahm die klagende Partei die Garantie mit S 8,924.667,29 in Anspruch. Zu diesem Zeitpunkt haftete der Investitionskredit in dieser Höhe aus, das Gesamtobligo der FIRMA E** aus beiden Krediten betrug S 24,756.089,69. Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, daß sie nach dem Inhalt der Garantieerklärung nur für den S 20 Mill. übersteigenden Debetsaldo hafte; sie leistete daher nur insoweit Zahlung.

Die klagende Partei begehrt die Differenz auf den Debetsaldo des Investitionskredites. Nach ihrer Auffassung sollte durch die Bankgarantie der S 20 Mill übersteigende Kreditteil, das sei eben der Investitionskredit, gesichert werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen handelt es sich bei der FIRMA E** um ein Familienunternehmen, das zu 50 % der Sieglinde R*** und zu je 50 % ihren Kindern gehört. Die Kredite der FIRMA E** bei der B*** wurden im August 1982 aufgekündigt, sodaß eine Umschuldung notwendig war. Bei den Vorgesprächen zwischen den Vertretern der FIRMA E** und den Vertretern der klagenden Partei wurde von einem Kreditbedarf von rund S 30 Mill ausgegangen und ursprünglich nur ein Kredit in Aussicht genommen. Aus Gründen der "Zweckmäßigkeit" wurden jedoch letztlich die obgenannten zwei Kredite gewährt. Nach dem Inhalt des zwischen der FIRMA E** und der klagenden Partei abgeschlossenen Kreditvertrages über S 20 Mill. sollten die für den Investitionskredit bestellten Sicherheiten, insbesondere die Bankgarantie der beklagten Partei, auch zur Besicherung dieses Kredites für den Fall dienen, daß er um über 20 Mill S, z.B. durch Anlastung von Abschlußposten, in Anspruch genommen wird. Bei dieser Vertragsbestimmung handelte es sich nur um eine Absichtserklärung, die der Zustimmung der beklagten Partei bedurft hätte. Die Sicherstellung des Investitionskredites erfolgte durch Übergabe der Bankgarantie der beklagten Partei und durch Widmung der für den Betriebsmittelkredit bestellten Sicherheiten. Die Vorgespräche über die Bankgarantie mit der beklagten Partei wurden von Dr. Erhard S***, dem Vertreter der Sieglinde R***, geführt. Der beklagten Partei war im Zeitpunkt der Abgabe der Garantieerklärung lediglich bekannt, daß der FIRMA E** mehrere Kredite mit einem Kreditvolumen von 30 Mill. S gewährt werden sollten. Wie die einzelnen Kredite sichergestellt werden, war ihr nicht bekannt. Unterhandlungen zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei fanden nicht statt. Mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene Wahl österreichischen Rechtes und die Gerichtsstandvereinbarung Graz ersuchte die beklagte Partei die klagende Partei um ein Textmuster. Das daraufhin von der klagenden Partei der beklagten Partei übermittelte Textmuster hat unter anderem folgenden Wortlaut: "Sie räumen der FIRMA E**.....Kredite in Höhe von S 30 Mill. ein. Über Ersuchen obgenannter Firma stellen wir Ihnen das Anbot, zur Sicherstellung aller Rechte, die Ihnen aus dieser Kreditgewährung erwachsen, Ihnen gegenüber die Garantie für den Betrag, um den die aushaftenden Kreditbeträge S 20 Mill. übersteigen, maximal jedoch S 10 Mill, zu übernehmen....." auf Grund dieses Textmusters gab die beklagte Partei ihre Garantieerklärung ab, wobei sie jedoch die Worte "aushaftende Kreditbeträge" durch "gewährte Kredite" ersetzte, weil der Ausdruck "aushaftend" in der BRD nicht geläufig ist. Das Erstgericht folgerte aus dem Inhalt der Garantieerklärung im Zusammenhang mit dem von der klagenden Partei stammenden Muster, daß sich die Haftung der beklagten Partei nur auf den S 20 Mill übersteigenden Debetsaldo erstrecke.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Bankgarantie ist ein Sonderfall des allgemeinen Garantievertrages. Sie ist ein einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten, meist des Bankkunden, an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger in der Weise dienen soll, letzterem durch die Bank zu gewährleisten, daß er die Leistung bzw. sein vertraglich festgestelltes geldliches Interesse an dieser auf jeden Fall, und zwar nicht nur, wenn der Dritte die Leistung vertragswidrig unterläßt, sondern auch dann, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zum Entstehen kommt oder später weggefallen ist, erhält (Schinnerer-Avancini, Bankverträge 3 II 291; SZ 50/32 und 66; SZ 48/130). Bei der Kreditgarantie im besonderen übernimmt die Bank die Haftung in der Regel bis zur Höhe des eingeräumten Kredites für den Ausfall, der dem Kreditgeber hinsichtlich seiner Forderung gegen den Kreditnehmer erwächst (Schinnerer-Avancini, aaO 328). Die Unabhängigkeit der Garantieverpflichtung vom Grundgeschäft und demgemäß der Ausschluß von Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zwischen der Bank und dem Garantieauftraggeber als auch von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Garantieauftraggeber ist grundsätzlich allgemein anerkannt (SZ 50/66; SZ 48/130; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 880 a; Koziol, Der Garantievertrag, 52 f.; Canaris in Großkomm. HGB 3 , III/2 827 f). Eine Ausnahme wurde lediglich bei rechtsmißbräuchlicher Inanspruchnahme der Garantie unter der Voraussetzung zugelassen, daß die rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme geradezu evident ist, wenn etwa die Bank liquide Beweismittel dafür hat, daß der Garantiefall nicht eingetreten ist oder der durch die Bankgarantie zu sichernde Anspruch dem Begünstigten rechtskräftig aberkannt wurde (EvBl. 1982/23; SZ 50/66; Rummel, aaO). Der Behauptung der klagenden Partei, eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie sei nicht eindeutig erwiesen, weil die Inanspruchnahme dem Inhalt der Kreditverträge entspreche, ist entgegenzuhalten, daß von der beklagten Partei ein solcher Einwand gar nicht erhoben und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet wurde. Strittig ist zwischen den Parteien lediglich der Inhalt der Garantieverpflichtung. Auch bei größter Sorgfalt in der Abfassung der Garantieerklärung kann Inhalt und Umfang der Verpflichtung des Garanten zweifelhaft sein, sodaß sich die Notwendigkeit einer Auslegung ergibt (Schinnerer-Avancini, aaO 312). Die Selbständigkeit der Garantieverpflichtung schließt keineswegs Einwendungen gegen die Inanspruchnahme aus der Auslegung des Garantietextes (inhaltliche Einwendungen) aus (Schinnerer-Avancini, aaO 313 f; vgl. auch Canaris aaO 828). Die Auslegung der Garantieerklärung hat nach den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen. Es ist somit, wie bei anderen Verträgen auch, vom Wortsinn auszugehen, wobei diesem jedoch nicht die entscheidende Bedeutung zukommt. Letztlich maßgebend ist der Wille der Parteien, die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden. Kannn diese nicht eindeutig ermittelt werden, so ist der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (SZ 49/59; JBl 1978, 36 und 387; Koziol-Welser, Grundriß 7 85; Koziol, aaO 42). Die Unklarheitenregel ist erst dann heranzuziehen, wenn die Auslegung gemäß § 914 ABGB zu keinem eindeutigen Ergebnis führt (Koziol, aaO). Nach den dargelegten Grundsätzen ist die von der Revision hervorgehobenen unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe "gewährte Kredite" und "aushaftende Kredite" nicht entscheidend. Unerheblich ist auch der Inhalt der Unterhandlungen zwischen der FIRMA E** und der klagenden Partei, sowie der Inhalt der Kreditverträge, weil diese der beklagten Partei nicht bekannt waren und ihr auch nicht bekanntgegeben wurden, so daß daraus keine Schlüsse auf den Erklärungswillen der beklagten Partei gezogen werden können. In diesem Zusammenhang ist daher auch der Hinweis der Revision auf den Geschäftszweck und die Interessenlage verfehlt. Das einzige Hilfsmittel für die Auslegung der schriftlichen Garantieurkunde bildet das Schreiben der klagenden Partei samt Textmuster Beilage ./1. Aus diesen Urkunden läßt sich aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, der Inhalt der Parteienerklärungen eindeutig ermitteln. Hat die klagende Partei von der beklagten Partei eine Haftung nur für den Betrag verlangt, um den die aushaftenden Kredite S 20 Mill. übersteigen, konnte sie, mangels Vorliegens besonderer Umstände, die ein anderes Verständnis rechtfertigen würden, die Garantieerklärung der beklagten Partei nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. Rummel, aaO Rdz 4 zu § 914) und auch nach der redlichen Verkehrsübung nur so verstehen, daß die beklagte Partei nur für den S 20 Mill. übersteigenden Debetsaldo hafte. Es kommt daher die Unklarheitenregel nicht zum Tragen. Der Betrag, um den die aushaftenden Kredite S 20 Mill. übersteigen, ist nicht strittig. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung unbekämpft zugrundegelegt, daß die beklagte Partei diesen Betrag der klagenden Partei bezahlte. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07347

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00653.85.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19851121_OGH0002_0070OB00653_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten