TE OGH 1985/11/26 2Ob596/85

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Veröffentlicht am 26.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne A, Landstraßer Hauptstraße 20/16, 1030 Wien, vertreten durch Dr.Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Louis-Noel B, 92200 Neuilly sur Seine, Rue Pauline Borghese 5, vertreten durch Dr.Peter Kisler und DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15.Februar 1985, GZ 14 R 291/84-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 31.August 1984, GZ 32 Cg 68/84-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Klägerin, die österreichische Staatsbürgerin ist und der Beklagte, ein franzäsischer Staatsangehöriger, haben am 23.8.1980 vor dem Standesamt Wien-Landstraße die Ehe geschlossen. Derzeit wohnt die Klägerin in Wien, der Beklagte hingegen in Frankreich. Der Beklagte brachte am 1.10.1983 in Frankreich eine auf Verschulden der Klägerin gestützte Ehescheidungsklage ein.

Mit ihrer am 1.3.1984 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Ehescheidung aus dem Alleinverschulden des Beklagten wegen Ehebruchs.

Der Beklagte wendete im Hinblick auf das in Frankreich anhängige Scheidungsverfahren Streitanhängigkeit ein.

Das Erstgericht verwarf diese Einrede mit der Begründung, der Streitgegenstand der beiden Verfahren sei nicht identisch. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Einrede der Streitanhängigkeit stattgegeben, das bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wird. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz folgte der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7.6.1983, 5 Ob 629/82 (= EvBl 1983/160), vertretenen Rechtsansicht, wonach zufolge Art 7 Z 5 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und von Notariatsakten, BGBl 521/1974, ein im Zweitstaat ein auf denselben Rechtsanspruch gestützter Antrag zwischen denselben Parteien unzulässig ist, wenn das Verfahren im Erststaat früher anhängig gemacht wurde. 'In diesem Rahmen' sei aber offenkundig Scheidung der Ehe dem Bande nach Streitgegenstand und nicht der dafür geltend gemachte tatsächliche und rechtliche Grund (5 Ob 629/82). Für den vorliegenden Fall könne nach Meinung des Rekursgerichtes nichts anderes gelten, da auch nach Art 14 Abs 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Franzäsischen Republik über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechtes, BGBl 288/1967, eine Klage zurückzuweisen ist, wenn ein gleicher, auf denselben Rechtsanspruch gestützter Antrag zwischen den selben Parteien schon vor einem Gericht des anderen Staates anhängig ist und darüber eine gemäß diesem Abkommen anzuerkennende Entscheidung gefällt werden kann.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes.

Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei parallelen Ehescheidungsprozessen Streitanhängigkeit dann nicht anzunehmen, wenn die Klagebegehren auf verschiedene Sachverhalte gestützt werden (SZ 25/331 = Jud 57 neu; EvBl 1967/225 uam). Zu erörtern ist daher, ob die Entscheidung des vorliegenden Falles deshalb, weil nicht beide Verfahren in Österreich anhängig sind, zu einem anderen Ergebnis führen muß.

Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß die Rechtslage in bezug auf das hier wesentliche Problem im Verhältnis zu Frankreich die gleiche wie die zu Italien ist, weil die beiden mit diesen Staaten abgeschlossenen Abkommen in den die Streitanhängigkeit betreffenden Bestimmungen gleiche Formulierungen enthalten. Wie in der Entscheidung vom 23.2.1982, 2 Ob 505/82, zum Ausdruck gebracht, bewirkt ein in Italien anhängiges Ehescheidungsverfahren nicht unbedingt Streitanhängigkeit für ein später in Österreich eingeleitetes Scheidungsverfahren, Streitanhängigkeit ist vielmehr darum ausgeschlossen, wenn die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen in dem einen Fall nur eine teilweise ist, also im anderen Fall weitere rechtserzeugende Tatsachen zum Klagserfolg erforderlich sind. Diese Entscheidung wurde in ZfRV 1984, 145 ff, veröffentlicht und von Konecny im Ergebnis zustimmend besprochen. Der erkennende Senat sieht sich auf Grund der später ergangenen Entscheidung EvBl 1983/160, die von Konecny in seiner Besprechung der Entscheidung 2 Ob 505/82 abgelehnt wurde, nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung abzugehen.

Nach Art 14 Abs 1 des Vertrages mit Frankreich ist die Klage zurückzuweisen, wenn ein gleicher, auf den selben Rechtsanspruch gestützter Antrag zwischen den selben Parteien schon vor einem Gericht des anderen Staates anhängig ist und darüber eine gemäß diesem Abkommen anzuerkennende Entscheidung gefällt werden kann. Das in Österreich auf Ehebruch des Beklagten gestützte Begehren auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten ist nicht ein 'auf denselben Rechtsanspruch gestützter Antrag' wie das in Frankreich auf Verschulden der Klägerin aus anderen Gründen gestützte Begehren, wenn auch in beiden Verfahren eine Scheidung der Ehe dem Bande nach angestrebt wird. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Scheidungsbegehren der Klägerin nach österreichischem oder franzäsischem Recht zu beurteilen sein wird. (Dies kann nach der Aktenlage nicht beurteilt werden, weil daraus nämlich nicht hervorgeht, wo sich der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Streitteile, die offenbar niemals eine gemeinsame Staatsbürgerschaft hatten, befand - vgl §§ 20 Abs 1 und 18 Abs 1 IPRG). Auch wenn in beiden Verfahren franzäsisches Recht anzuwenden wäre, würde es sich, da jeder der Ehegatten eine Scheidung aus dem Verschulden des anderen anstrebt und verschiedene Sachverhalte behauptet werden, nicht um 'auf denselben Rechtsanspruch gestützte Anträge' handeln. Aus diesen Gründen besteht keine Streitanhängigkeit, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E06907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00596.85.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19851126_OGH0002_0020OB00596_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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