TE OGH 1985/11/27 8Ob61/85 (8Ob62/85)

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Veröffentlicht am 27.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) mj. Franz A und 2.) mj. Gerhard B, beide Haag,

St. Valentinerstraße 3, beide vertreten durch den Vater Franz A, Kaufmann, ebendort wohnhaft, als gesetzlicher Vertreter, dieser vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei C D

Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1, Bösendorferstraße 13, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer und Dr. Peter Krömer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 135.000,-- s.A. und Rente sowie S 20.000,-- s.A. und Rente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Mai 1985, GZ 18 R 98/85-62, womit infolge Berufung der klagenden Parteien und der Beklagten das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 28. Dezember 1984, GZ 1 Cg 334/83-55, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Erstkläger die mit S 7.094,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 1.280,-- und die Umsatzsteuer von S 528,55) sowie dem Zweitkläger die mit S 3.547,03 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 640,-- und die Umsatzsteuer von S 264,28) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23. November 1980 ereignete sich auf der Bundesstraße 121 im Gemeindegebiet von Kematen an der Ybbs ein Verkehrsunfall, bei dem der bei der Beklagten haftpflichtversicherte, von Karl E gelenkte PKW Vauxhall Viva mit dem polizeilichen Kennzeichen N 801.C27 frontal gegen den von der Mutter der Kläger, Rosa A, gelenkten PKW VW 1303 mit dem polizeilichen Kennzeichen N 431.533 stieß. Beide Fahrzeuglenker wurden getötet, die beiden Kläger, die in dem von ihrer Mutter gelenkten PKW als Insassen mitfuhren, wurden schwer verletzt. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unbestritten.

Von den von den Klägern eingeklagten Ansprüchen wurde ein Teil im ersten Rechtsgang rechtskräftig erledigt. Im zweiten Rechtsgang ist noch über das Begehren des Erstklägers auf Zuspruch von S 135.000 s.A. (S 120.000,-- Verunstaltungsentschädigung und S 15.000,-- für die durch den Tod der Mutter entgangene Pflege und Erziehung) sowie von S 1.400,-- monatlich ab 1. August 1981 wegen des Entganges der Pflege und Erziehung und des Zweitklägers auf Zuspruch von S 20.000,-- s.A. und S 1.400,-- monatlich ab 1. Oktober 1981 je wegen des Entganges der Pflege und Erziehung zu entscheiden.

Die Kläger bringen zum Anspruch auf Ersatz der entgangenen Pflege und Erziehung vor, daß die früher von ihrer Mutter geleistete Pflege und Erziehung von ihrem Vater und seiner nunmehrigen Ehegattin, die hiefür ihren Beruf aufgab, besorgt werden müsse. Der hiedurch entstandene Aufwand betrage nach Abzug des von ihrem Vater früher geleisteten Unterhalts S 700,-- im Monat S 2.500,-- monatlich. Nach Abzug der ihnen gewährten Waisenpension verbleibe ein Ersatzanspruch von S 1.568,-- monatlich (wovon ein Teilbegehren von S 168,-- monatlich im ersten Rechtsgang schon rechtskräftig abgewiesen wurde).

Die Beklagte bringt zu dem Teil des Klagebegehrens, der den Gegenstand des zweiten Rechtsganges bildet, vor, daß der Erstkläger keinen Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung habe, weil eine dauernde Verunstaltung und eine hiedurch hervorgerufene Verhinderung des besseren Fortkommens nicht gegeben sei. Der eingeklagte Betrag sei außerdem überhöht. Bei der Rente für entgangenen Unterhalt sei zu berücksichtigen, daß der Vater der Kläger zur Zeit des Unfalles auf Grund seines Einkommens zur Leistung eines höheren als des von ihm gezahlten Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. Der verstorbenen Mutter der Kläger sei nur ein sehr geringes Einkommen aus der Sozialhilfe und der Arbeitslosenunterstützung zur Verfügung gestanden; sie habe daher für die Kläger nur geringe Unterhaltsbeträge aufwenden können. Die begehrte Rente sei daher ebenfalls überhöht. Überdies sei die nunmehrige Ehegattin des Vaters der Kläger aufgrund ihrer Beistandspflicht zur unentgeltlichen Pflege und Erziehung der Kinder verpflichtet, weshalb ein Schadenersatzanspruch nicht gegeben sei. Der ursprünglich erhobene Einwand der mangelnden Deckung wurde zuletzt dahin ausgeführt, daß zur Zeit die Deckung zwar gegeben sei, daß sie aber im Laufe der Jahre bezüglich des Rentenbegehrens möglicherweise verloren gehen könnte.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Erstkläger S 128.400,-- s.A. (darin S 120.000,-- Verunstaltungsentschädigung) und ab 1. Jänner 1981 bis einschließlich August 1992 S 1.400,-- monatlich und dem Zweitkläger S 11.200,-- s.A. und ab 1. Oktober 1981 bis einschließlich August 1987 S 1.400,-- monatlich zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Betrages von S 6.600,-- s.A. an den Erstkläger und von S 8.800,-- s.A. an den Zweitkläger wies es ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile teilweise Folge. Es bestätigte den Zuspruch von S 128.400,-- bzw. S 11.200,-- an die beiden Kläger, gab dem Rentenbegehren des Erstklägers vom 1. Jänner 1981 bis 31. August 1991 mit S 1.400,-- monatlich und vom 1. September 1991 bis 31. August 1994 mit S 700,-- monatlich statt bzw. jenem des Zweitklägers vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1986 mit S 1.400,-- monatlich und vom 1. September 1986 bis 31. August 1989 mit S 700,-- monatlich statt und wies das Mehrbegehren ab. Gegenüber dem Zweitkläger sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revision zulässig sei. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren des Erstklägers hinsichtlich der Verunstaltungsentschädigung in einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag sowie das restliche Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden möge; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Kläger beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Mutter der Kläger lebte vor ihrem Tod im Haus ihrer eigenen Mutter, wo diese das Erdgeschoß und die Mutter der Kläger den ersten Stock bewohnte. Die Haushalte wurden getrennt geführt. Die Mutter der Kläger weckte in der Früh die Kinder und versorgte sie, machte das Frühstück und schickte sodann den (am 18. Juni 1971 geborenen) Zweitkläger zum Autobus. In der Folge kümmerte sie sich um den (am 10. November 1975 geborenen) Erstkläger, der vormittags öfter mit anderen Kindern spielte. Wenn die Kinder mittags nach Hause kamen, hatte sie bereits gekocht. Am Nachmittag lernte sie mit den nicht allzu begabten Kindern. Überdies versorgte sie die Wäsche. Die Mutter der Kläger war nicht berufstätig. Sie lebte von der Notstandsunterstützung des Arbeitsamtes, der Familienbeihilfe und von dem vom Vater der Kläger geleisteten Unterhalt. Der Erstkläger leidet an den Folgen von Schädel-Hirnverletzungen, die er bei dem Unfall erlitt. Es werden deshalb in der weiteren Schullaufbahn sehr wahrscheinlich große Schwierigkeiten auftreten, weshalb es sehr fraglich ist, ob die Sonderschuleinweisung vermieden werden kann. Er ist derzeit nicht in der Lage, die Normalschule zu besuchen, sondern kann nur in einer (allgemeinen) Sonderschule entsprechend gefördert werden, in der dann seine Bildungsfähigkeit gegeben ist. Es kann heute noch nicht gesagt werden, wie die weitere geistige Entwicklung und Bildung des Erstklägers ablaufen wird, vor allem, ob er nach Absolvierung der Sonderschule im beruflichen Bereich weiter ausgebildet und eingegliedert werden kann. Es ist durchaus möglich, daß es bei entsprechendem Training und guter Führung in einer Sonderschule zu einer gewissen Besserung der Funktionen und zum Aufholen des Rückstandes kommt. Es wäre sogar denkbar, daß der Erstkläger nach einigen Jahren von der Sonderschule in die Normalschule überstellt werden kann. Ebenso ist aber eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Leistungsniveau durchaus denkbar. Die Kläger waren zwar aufgeweckte Kinder, aber zum Lernen nicht allzu begabt. Es kann angenommen werden, daß sie einen handwerklichen Beruf ergreifen können.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Erstkläger durch die unfallsbedingten Dauerfolgen in seinem besseren Fortkommen entscheidend verhindert sei. Als Ausgleich dafür gebühre ihm der eingeklagte Betrag von S 120.000,--. Auch das Rentenbegehren sei berechtigt. Bei der Ermittlung der Höhe sei vom Regelbedarf auszugehen, der ungefähr ein Äquivalent für die von der Mutter der Kläger erbrachten Pflegeleistungen darstelle; es sei daher ein Betrag von S 1.400,-- monatlich für jeden Kläger angemessen. Die Waisenpension sei "in diese Berechnung" nicht einzubeziehen, weil sie vom Vorteilsausgleich nicht umfaßt sei. Da die Kläger zum Lernen nicht allzu begabt gewesen seien, könne angenommen werden, daß sie einen handwerklichen Beruf hätten ergreifen können. In diesen Fall wären sie nach dem Ende des zweiten Lehrjahres selbsterhaltungsfähig geworden, womit die Unterhaltspflicht ihres Vaters und auch die Verpflichtung ihrer Mutter zur weiteren Pflege und Erziehung geendet hätte. Das Ende des zweiten Lehrjahres sei beim Erstkläger mit August 1992 und beim Zweitkläger mit August 1987 anzunehmen. Auch das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß den Klägern eine Rente als Ersatz für entgangene Pflege und Erziehungsleistungen ihrer Mutter gebühre. Diese sei zeitlich wie im Spruch zu begrenzen, weil der Rentenanspruch mit dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit erlischt. Unter Anwendung des § 273 ZPO sei anzunehmen, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit mit Sicherheit erst nach Beendigung des Lehrverhältnisses anzunehmen ist. Während der Schulzeit sei gemäß § 273 ZPO der Entgang der Pflege und Erziehung der Mutter als größer anzunehmen (14 Stunden in der Woche) als während der Berufsausbildung (10 Stunden in der Woche). Hinsichtlich der begehrten Verunstaltungsentschädigung ergänzte das Berufungsgericht zunächst die Feststellungsgrundlage dahin, daß beim Erstkläger als Folge des Unfalles eine Störung der Feinmotorik, ein ständiger Blinseltick und eine grimassierende Mimik bestehe, wobei sich diese Erscheinungen vor allem bei Anforderungen und Anstrengungen deutlich verstärken, und schließlich ein vermehrter Speichelfluß (Salivation) vorhanden sei, der zu Hautveränderungen in der Umgebung des Mundes (perionales Ekzem) führen kann. Dazu komme noch die vom Erstgericht festgestellte Bauchschnittnarbe, die deutlich sichtbar ist und den häufig vorkommenden Narbenbildern bei Bauchoperationen entspricht. Nach Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz seien dadurch die Heiratsaussichten des Erstklägers als auch seine Chancen im Berufsleben wesentlich vermindert, weshalb der vom Erstgericht als Verunstaltungsentschädigung ausgemessene Betrag zu billigen sei.

Demgegenüber vertritt die Beklagte in der Revision den Standpunkt, daß die zuerkannte Verunstaltungsentschädigung von

S 120.000,-- zu hoch sei. Durch die Verunstaltung des Erstklägers seien dessen Heiratsaussichten nicht vollständig vernichtet. Außerdem sei "die just auf die Verunstaltung zurückzuführende Behinderung" keine entscheidende Schmälerung der schon bisher nicht sonderlichen Berufsaussichten. Den Klägern gebühre keine Rente für entgangene Pflege und Erziehung ihrer beim Unfall getöteten Mutter.

§ 145 ABGB sehe im Falle des Todes eines Elternteiles im Regelfall den gänzlichen Übergang der Pflege und Erziehung auf den überlebenden Elternteil vor. Dieser habe aber keinen Mehraufwand, weil er sich die Unterhaltsleistung in Geld erspart. Seine nunmehrige Ehefrau müsse jetzt die Funktion der früheren erfüllen. Das schädigende Ereignis, der Tod der Mutter, habe in letzter Konsequenz für die Kinder keine Änderung gebracht. Spätestens mit dem Ende des zweiten Lehrjahres wäre im übrigen deren Selbsterhaltungsfähigkeit eingetreten. Dazu war zu erwägen:

a) Verunstaltungsentschädigung:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB jede wesentliche nachteilige Veränderung in der äußeren Erscheinung des Verletzten zu verstehen. Es kommen nicht medizinische Begriffe, sondern die Anschauungen des Lebens in Betracht. Es ist nicht notwendig, daß der Verletzte mitleidige oder abstoßende Gefühle zu erregen vermag, es kommt auch nicht darauf an, ob die Verletzung beim normal gekleideten Menschen sichtbar ist (Wolff in Klang Komm 2 VI 145; SZ 1/50, SZ 24/41, ZVR 1959/64). Der Verletzte kann nach § 1326 ABGB Ersatz verlangen, wenn durch die Verunstaltung sein besseres Fortkommen verhindert werden kann. Es genügt also bereits die Möglichkeit eines Schadens (vgl. SZ 35/100, SZ 36/37, SZ 43/127 uza.).

Sämtliche Voraussetzungen hiefür liegen vor: Wie das Berufungsgericht feststellte, besteht beim Erstkläger als Folge des Unfalles eine Störung der Feinmotorik, ein ständiger Blinseltick und eine grimassierende Mimik. Diese überaus nachteiligen Erscheinungen nehmen bei Anforderungen und Anstrengungen noch zu. Außerdem besteht ein vermehrter Speichelfluß. Der Gesichtsausdruck eines Menschen ist im gesellschaftlichen Leben ein besonders wichtiges Kriterium seiner Einschätzung. Es besteht kein Zweifel, daß die grimassierende Mimik mit zusätzlichem Blinseltick die Heiratsaussichten des Erstklägers schwer beeinträchtigt; zutreffend verwies das Berufungsgericht auch darauf, daß diese Art der Verunstaltung, die noch durch eine Störung der Feinmotorik verstärkt wird, auch eine echte Behinderung des beruflichen Fortkommens des Erstklägers darstellt. Für die Zuerkennung der Verunstaltungsentschädigung genügt bereits die Möglichkeit eines Schadens (Wolff in Klang 2 VI/146; SZ 43/127 ua.). Dieser ist im vorliegenden Fall als ein solcher gravierender Art zu beurteilen, zumal er sich sowohl auf die Heiratsaussichten als auch auf das berufliche Fortkommen erstreckt. Gegen die Ausmessung der Verunstaltungsentschädigung mit S 120.000,-- durch die Vorinstanzen bestehen daher keine Bedenken.

b) Rente für den Entfall der Pflege und Erziehung der Mutter:

Vorauszuschicken ist, daß das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigte, daß der Schadenersatzanspruch des Kindes gegen den Schädiger wegen vermehrter Unterhaltsauslagen im Sinne des § 1327 ABGB einen kongruenten Deckungsfonds für diese von den Sozialversicherungsträgern erbrachten Leistungen bildet (ZVR 1980/71; ZVR 1980/189 ua.). Die der Mutter gemäß § 141 ABGB auferlegte Pflicht zur Pflege ihrer Kinder ist nach ständiger Rechtsprechung der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Sinne des § 1327 ABGB gleichzuhalten. Den Kindern gebührt daher gegenüber dem Schädiger ein Anspruch auf Ersatz des durch den Entgang dieser Pflegeleistungen entstandenen Schadens (vgl. DREvBl 1943/191, 8 Ob 230/74, ZVR 1978/16 ua.). Dies war schon vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes (BGBl. 403/1977) einheitliche Rechtsprechung. Davon nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes abzugehen, besteht kein Anlaß, zumal durch die nunmehr in Geltung stehenden Bestimmungen des § 140 Abs 1 und Abs 2 ABGB eindeutig klargestellt ist, daß die von der ehelichen Mutter im Rahmen der Haushaltsführung den Kindern erbrachten Pflegeleistungen als Beitragsleistungen zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse der Kinder anzusehen sind (siehe dazu 587 Blg.NR, XIV.GP zu § 140 ABGB, abgedruckt in Klang 2 , ErgBd, 45; Kunst, Zu den möglichen Auswirkungen der Familienrechtsreform auf das Haftpflichtrecht, SozSi. 1976, 65 ff.). Der Ersatzanspruch des Kindes nach Tötung seiner Mutter im Sinne des § 1327 ABGB umfaßt somit auch nach der seit 1. Jänner 1978 geltenden Rechtslage nicht nur die entgangenen zur Deckung seines Unterhaltes erbrachten Bar- und Sachleistungen, sondern auch die entgangenen Pflegeleistungen (SZ 53/113 ua.).

Bei Ermittlung eines Unterhaltsentganges ist regelmäßig auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteil jedes Hinterbliebenen abzustellen, wobei - ausgehend von den tatsächlichen Verhältnissen vor dem schädigenden Ereignis - der fiktive schädigungsfreie Verlauf den Verhältnissen, die der schädigende Eingriff hervorgerufen hat, gegenüberzustellen ist (vgl. 8 Ob 234/79; 8 Ob 513/81 ua.). Die Vorinstanzen haben diesem Grundsatz ebenso entsprochen, wie ihn ergänzt, indem sie die verfahrensrechtliche Frage, ob § 273 ZPO zusätzlich heranzuziehen ist, deswegen richtig lösten, weil keine Beweisergebnisse vorlagen, die die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung ausgeschlossen hätten (8 Ob 205, 206/78 ua.). Das Ergebnis dieser Einschätzung nach § 273 ZPO ist als Frage der rechtlichen Beurteilung zu überprüfen. Wenn das Berufungsgericht mangels entgegenstehender konkreter Verfahrensergebnisse angenommen hat, daß der Zeitaufwand, den die Mutter für die in Anspruch genommenen Leistungen gehabt hätte, einem solchen einer Hilfskraft für etwa 14 Stunden je Woche während der Vorschul- und Schulzeit entsprach, dann aber mit höchstens 10 Stunden je Woche während der Lehrlingsausbildung eingeschränkt worden wäre, kann darin eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden, zumal dies durchaus der Lebenserfahrung entspricht. Dies gilt auch für die vom Berufungsgericht zutreffend begrenzte Rentendauer. Wenn im vorhinein mit einer Änderung der Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt zu rechnen ist, ist schon bei der Bemessung auf künftige Verhältnisse Bedacht zu nehmen (RZ 1979/24; 8 Ob 151/80; 8 Ob 150/83; 8 Ob 50/84 ua.).

Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Schädiger gegenüber dem Geschädigten nicht auf die Unterhaltspflicht eines Dritten berufen. Vielmehr sind durch das schädigende Ereignis ausgelöste Leistungen Dritter dem Geschädigten grundsätzlich nur dann als Vorteil anzurechnen, wenn dies dem Zweck des Schadenersatzes entspricht und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führt (SZ 53/58 mit weiteren Nachweisen; 2 Ob 182/83; 8 Ob 51/84 ua.). Aus diesem Gesichtspunkt kann die Beklagte aus der Tatsache, daß der Vater der Kinder seit dem Tod ihrer Mutter vermehrte Unterhaltsleistungen erbringt, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Eine Verpflichtung zu Pflegeleistungen gegenüber den Kindern der Vorehe des Ehepartners läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen (EFSlg. 44.652; 7 Ob 593/85 ua.). Auf die abschließende Bemerkung der Revision, daß der Tod der Mutter für die Kinder in der Konsequenz keine Änderung mit sich gebracht habe, ist als verfehlt nicht einzugehen.

Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00061.85.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19851127_OGH0002_0080OB00061_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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