TE OGH 1985/11/28 7Ob43/85

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Veröffentlicht am 28.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Realitäten-Vermittlungs-Gesellschaft mbH in Graz, Einspinnergasse 3, vertreten durch Dr. Gerhard Rene Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei V*** DER ÖSTERREICHISCHEN

B*** Versicherungs-AG in Graz, Annenstraße 38, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wegen 608.OOO,-- S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 1. Juli 1985, GZ. 3 R 110/85-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 1.März 1985, GZ. 13 Cg 247/84-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung allenfalls nach ergänzender Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das im zweiten Rechtsgang neuerlich klagsabweisende Urteil des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Zu dem ursprünglich geltend gemachten Rechtsgrund eines Leistungsanspruches aus der am 16.September 1981 abgeschlossenen Betriebsbündelversicherung hat der Oberste Gerichtshof im Aufhebungsbeschluß des ersten Rechtsganges, 7 Ob 65/83, ausgesprochen, daß ein solcher Anspruch nur unter der Voraussetzung einer Zahlung der vorgeschriebenen Erstprämie innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der Versicherungspolizze bestünde. An diese Rechtsansicht waren gemäß § 511 Abs.1 ZPO die Vorinstanzen gebunden, nach Lehre und Rechtsprechung ist es aber überdies - vom Ausnahmsfall des § 8 OGHG abgesehen - auch der Oberste Gerichtshof selbst (Fasching, Lehrbuch Rz 1957, SZ 28/80) uva). Da im zweiten Rechtsgang die Feststellung getroffen wurde, daß die Versicherungspolizze mit der Prämien-Zahlungsaufforderung spätestens am 1.Oktober 1981 und damit 10 Tage vor dem behaupteten Diebstahl an die klagende Partei zugestellt wurde, ist die einzige, diesen Rechtsgrund betreffende Revisionsausführung - dem Klagebegehren sei schon deshalb Folge zu geben, weil eine Rückwärtsversicherung vorliege - unverständlich.

Das Schwergewicht der Revision liegt demnach auf dem erst im zweiten Rechtsgang geltend gemachten weiteren Rechtsgrund einer Leistungspflicht der beklagten Partei aus der schon früher bestandenen und durch die spätere Betriebsbündelversicherung ersetzten Feuerversicherung. Diesem Anspruch stünde nach dem Inhalt des schon erwähnten Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes der Zahlungsverzug der klagenden Partei mit der Erstprämie für den neuen Vertrag nicht im Wege, weil die damals vorgeschriebene Differenzprämie nur für das erweiterte Risiko Erstprämie war und der mindere Versicherungsschutz aus dem alten Vertrag ohne einen Zahlungsverzug nicht vor dem Inkrafttreten der höheren Deckung aus dem neuen Vertrag verlorengeht.

Während das Erstgericht diesen Deckungsanspruch aus dem alten Vertrag verneinte, weil die strittigen Teppiche von diesem Vertrag nicht erfaßt gewesen seien, kam das Berufungsgericht zum gleichen Ergebnis wegen Verjährung dieses Versicherungsanspruches. Die zweite Instanz stellte hiezu auf Grund der im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden fest, daß die beklagte Partei eine versicherungsmäßige Deckung besreits mit ihrem Schreiben vom 19. Oktober 1981 grundsätzlich abgelehnt und auf das weitere Schreiben der klagenden Partei vom 10.März 1982 offenbar überhaupt nicht reagiert hat. Daraus ergebe sich nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Versicherungsanspruch bereits im Jahre 1981 fällig geworden, der Klagsanspruch gemäß § 12 Abs.1 VersVG nach Ablauf des zweiten darauffolgenden Jahres, also mit dem Jahresende 1983, verjährt und die erst am 21.Dezember 1984 erfolgte Geltendmachung dieses Rechtsgrundes demnach verspätet sei. Der hiezu in der Revision behauptete Mangel des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat wegen der von ihm zur Frage der Verjährung erkannten Feststellungsmängel richtigerweise eine Beweisergänzung beschlossen und die vorgelegten Urkunden verlesen. Die Revisionsbehauptung, es fehle an einer der ZPO entsprechenden Beweisergänzung, trifft demnach nicht zu. Im Zuge der Beweisergänzung wäre es der Revisionswerberin freigestanden, in deren Rahmen weitere Urkunden vorzulegen. Das erstmals in der Revision vorgelegte Antwortschreiben der beklagten Partei vom 16. März 1982 ist hingegen als unzulässige Neuerung unbeachtlich. Umsoweniger kann die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, daß das Schreiben vom 10.März 1982 offenbar von der beklagten Partei nicht beantwortet worden sei, aktenwidrig sein. Die Bekämpfung der dem Tatsachenbereich angehörenden Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes unter dem Gesichtspunkt einer unrichtigen Beweiswürdigung ist hingegen schon deswegen unzulässig, weil es eine Beweisrüge an den Obersten Gerichtshof gemäß § 503 Abs.1 ZPO nicht gibt. Die Frage, ob und in welcher Weise die beklagte Partei das vom Berufungsgericht festgestellte Schreiben der klagenden Partei vom 10. März 1982 beantwortet hat, kommt im übrigen eine rechtserhebliche Bedeutung nicht zu. Gemäß § 12 Abs.2 VersVG ist zwar die Verjährung bis zum Einlangen der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, wenn ein Anspruch des Versicherungsnehmers bei ihm angemeldet wurde. Da aber die klagende Partei in ihrer Revision selbst nur behauptet, daß ihr Schreiben wenige Tage danach, nämlich am 16.März 1982, wiederum abschlägig beantwortet worden sei, könnte eine bereits begonnene Verjährungsfrist nur um diese wenigen Tage gehemmt worden sein und dann am Ablauf der Verjährungsfrist lange vor dem 21.Dezember 1984 nichts geändert haben.

Andererseits kann jedoch der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes nicht beigetreten werden, wonach das von ihm festgestellte Schreiben der klagenden Partei vom 10.März 1982 nicht schon für sich eine Verschiebung des Beginnes und Ablaufes der Verjährungsfrist bewirken konnte. In diesem Schreiben hatte die klagende Partei erstmals "festgehalten", daß zumindest der mit der (alten, der Zahl nach bezeichneten) Polizze vom 27.Jänner 1980 garantierte Versicherungsschutz gegeben sei, weil die hiefür zu leistende Prämie jedenfalls pünktlich beglichen wurde (erster Absatz der Rückseite). Da die Revisionswerberin vorher, wie sich aus dem festgestellten Antwortschreiben der beklagten Partei vom 19. Oktober 1981 ergibt, einen Deckungsanspruch nur aus der neuen (ebenfalls mit - anderer - Zahl bezeichneten) Polizze erhoben hatte, kann nicht gesagt werden, daß es sich in beiden Fällen um die Geltendmachung desselben Versicherungsanspruches gehandelt hätte. Den Anspruch aus der alten Polizze hat vielmehr die Revisionswerberin erstmals im März 1982 geltend gemacht. Die Verjährung konnte dann aber insoweit erst mit dem Schluß des Jahres 1982 beginnen, weil die Leistung aus diesem Vertrag ebenfalls nach § 12 Abs.1 zweiter Satz VersVG erst geltend gemacht werden konnte, wenn die Geldleistung des Versicherers nach Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen gemäß § 11 Abs.1 VersVG fällig wurde. Die zusätzliche Geltendmachung des Anspruches aus dem Rechtstitel der alten Versicherung setzte eine Prüfung dieses neuen Anspruches voraus. Die Geldleistung des Versicherers aus diesem Rechtstitel wurde nicht vor der Geltendmachung des Anspruches fällig. Von der Regel des zweiten Satzes des § 12 Abs.1 VersVG, wonach die Verjährung mit dem Schluß des Jahres beginnt, in dem die Leistung verlangt werden kann (nach dem bisher Gesagten wäre das für den Anspruch aus der alten Polizze infolge der Geltendmachung dieses Anspruches erst im März 1982 erst der Ablauf dieses Jahres) wird allerdings eine Ausnahme dann anerkannt, wenn der Versicherungsnehmer die Beendigung der Erhebungen des Versicherers (§ 11 Abs.1 VersVG) im Sinne des § 11 Abs.3 VersVG schuldhaft hindert. Der Versicherungsnehmer soll nicht durch Unterlassen der Anzeige oder der Mitwirkung bei den Erhebungen den Beginn der Verjährung beliebig hinausschieben können. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Erhebungen bei korrektem Vorgehen beendet gewesen wären. Es beginnt die Verjährung also mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch ohne das Verschulden des Versicherungsnehmers fällig geworden wäre (Bruck-Möller, VVG 8 I 259 f, Prölls-Martin, VVG 23 119 mwN). Dieser Rechtssatz ist allerdings nicht ganz widerspruchsfrei, weil einerseits (objektiv) auf ein korrektes Vorgehen des Versicherungsnehmers und andererseits auf dessen Verschulden abgestellt wird. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist aber am Verschuldenserfordernis (im Sinne von Bruck-Möller aaO) einerseits im Hinblick auf die korrespondierende Vorschrift des § 11 Abs.3 VersVG und andererseits deshalb festzuhalten, weil auch entsprechende Obliegenheiten verschuldensabhängig sind, das Gesetz keinen gegenteiligen Anhaltspunkt bietet und schutzwürdige Interessen des Versicherers bei Nichtberücksichtigung einer vom Versicherungsnehmer nicht verschuldeten Verzögerung der Erhebungen nicht berührt erscheinen. Das Vorliegen dieser besonderen Voraussetzung einer schuldhaften Verzögerung der Anmeldung des Anspruches der klagenden Partei aus der alten Polizze hätte die beklagte Partei als Ausnahme von der Regel zu beweisen gehabt. Da sie hiezu keinerlei Behauptungen aufgestellt hat und ein Verschulden der Revisionswerberin einerseits im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung der Ersetzung der alten Polizze durch eine neue und andererseits wegen der Erhebung des Anspruches innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes auch nicht auf der Hand liegt, ist somit von einem Beginn der Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des Jahres 1982 auszugehen und daher eine Verjährung des noch im Jahre 1984 geltend gemachten, nun strittigen Klagsanspruches zu verneinen.

Da das Berufungsgericht infolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht auf die übrigen Berufungsgründe nicht eingegangen ist, war die Rechtssache an die zweite Instanz zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO

Anmerkung

E07350

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00043.85.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19851128_OGH0002_0070OB00043_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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