TE OGH 1985/12/3 10Os140/85

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Veröffentlicht am 03.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 21. Jänner 1985, GZ. 29 Vr 1416/84-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Johann A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach nötigte er am 6. September 1984 in Neufurth Marion B mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf, indem er sie an den Händen festhielt und am Hals erfaßte.

Das Erstgericht stützte seine Feststellungen über den Tathergang auf die als glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin B, deren Glaubwürdigkeit es durch die Aussage des "ebenfalls unbedenklichen und integren" Zeugen C untermauert ansah (US. 8).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil gerichteten, auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

In der Hauptverhandlung wurde vom Verteidiger des Angeklagten - neben weiteren Anträgen - der Antrag auf Vernehmung der Gendarmeriebeamten K*** und D zum Beweis dafür gestellt, daß der Zeuge C (am 12.September 1984) mit dem Angeklagten beim Gendarmeriepostenkommando Ulmerfeld-Hausmenning erschienen und dort (vorerst) seine (für den Angeklagten belastenden) Angaben (vom 7. September 1984) widerrufen habe (S. 84).

Das Erstgericht wies diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, es habe sich einen direkten Eindruck über die Glaubwürdigkeit des Zeugen C verschaffen können, der die Behauptung eines Widerrufes seiner Angaben in der Hauptverhandlung entschieden verneint habe.

Mit der Abweisung des bezeichneten Beweisantrages konnten Verteidigungsrechte verkürzt werden. Der Antrag des Verteidigers zielte nämlich gerade darauf ab, durch die beantragten Beweise eine mangelnde Beweiskraft der Aussage des Zeugen C darzutun. Dem kann nicht damit begegnet werden, die Aussage dieses Zeugen als voll glaubwürdig zu erklären. Dem Gericht ist es nämlich schon im Hinblick auf die ihm gemäß den §§ 3 und 258 StPO. obliegenden Pflichten verwehrt, den Umfang des Beweisverfahrens von einer vorzeitig gewonnenen Überzeugung von der Schuld des Angeklagten bestimmen zu lassen (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 , ENr. 80 f zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. u.v.a.). Es hätte demnach vielmehr der beantragten Beweisaufnahme und für den Fall, daß die Zeugen Aussagen im Sinn des vorgebrachten Beweisthemas gemacht hätten, zur Vermeidung einer Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. auch einer ausreichenden Erörterung des Beweiswertes der Aussagen dieser Zeugen sowie einer Auseinandersetzung darüber, welchen Einfluß dieser Umstand auf den Beweiswert der Aussage des Zeugen C hatte, bedurft.

Es ist auch nicht unzweifelhaft erkennbar, daß die gerügte Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO.), denn die Urteilsfeststellungen werden nicht nur auf die Aussage der Zeugin B, sondern erklärtermaßen auch auf jene des Zeugen C gestützt.

Schon der aufgezeigte Verfahrensmangel zwingt zur Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und zur Anordnung der Erneuerung des Verfahrens. Auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe war daher nicht einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf obige Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E07116

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00140.85.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19851203_OGH0002_0100OS00140_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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