TE OGH 1985/12/12 7Ob46/85

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Veröffentlicht am 12.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsideten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ivo F*** GesmbH, Wien 23., Breitenfurterstraße 349, vertreten durch Dr. Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** DER ÖSTERREICHISCHEN B***, Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 2., Untere Donaustraße 47, vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. September 1985, GZ 2 R 150/85-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. April 1985, GZ 28 Cg 519/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.996,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 1.185,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei betreibt mit dem Standort Wien 23., Breitenfurterstraße 349, den Kraftfahrzeughandel und die Kraftfahrzeugreparatur. Am 16.11.1983 brach in ihrem Betriebsgebäude ein Brand aus, durch den auch Fahrzeuge und sonstige Gegenstände im benachbarten Betrieb des Heinz M*** vernichtet wurden. Der Geschäftsführer der klagenden Partei Ivo F*** wurde wegen dieses Brandes mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.9.1984, 2 b E Vr 13919/84-30, des Vergehens nach § 170 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er zusammen mit den abgesondert verfolgten Ilija K*** und Milentije B*** durch Verwendung bzw. unsachgemäße Befeuerung eines selbst gebauten Altölofens fahrlässig eine Feuersbrunst an eigener Sache und auch an fremdem Eigentum herbeigeführt habe. Die klagende Partei wird von Heinz M*** auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Sie begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei auf Grund einer mit dieser am 23.8.1983 abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung.

Die beklagte Partei macht Leistungsfreiheit nach Abschnitt A Punkt 3 der EHVB 1978 und nach den §§ 25 und 61 VersVG geltend. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen gehörte zum Betrieb der klagenden Partei auch ein zur Gänze aus Holz errichteter Schuppen, der zur Fahrzeugreparatur verwendet wurde. Die Beheizung des Schuppens erfolgte durch einen Ofen, der ca. 40 cm von der Holzaußenwand entfernt auf einem Betonestrich stand. Diese Aufstellung widersprach den Brandverhütungsvorschriften. Der Ofen war Anfang Oktober 1983 von Milentije B***, den die klagende Partei ohne Arbeitsbewilligung und ohne Anmeldung beschäftigte, aus einem alten Ölfaß hergestellt worden. Der Ofen wurde mit Altöl unter Beimengung von Benzin zum Zwecke der leichteren Entflammbarkeit beschickt und hatte sich bereits mehrmals vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses überhitzt. Bereits Anfang Oktober 1983 hatte Milentije B*** anläßlich von Schweißarbeiten am Unterboden eines Kraftfahrzeuges einen Brand verursacht, den er mit dem im Werkstättengelände vorhandenen Feuerlöscher erfolgreich bekämpfen konnte. Der Feuerlöscher war seitdem leer. Milentije B*** hatte den Geschäftsführer der klagenden Partei darauf aufmerksam gemacht, dieser ließ jedoch den Feuerlöscher nicht neu füllen. Ein weiterer Feuerlöscher war nicht vorhanden. Dem Geschäftsführer der klagenden Partei war auch bekannt,daß der Ofen mit Altöl unter Beimengung von Benzin beschickt wurde und sich schon mehrmals überhitzt hatte. Am 16.11.1983 füllten Milentije B*** und Ilija K*** den Ofen mit ca. 5 l Motoraltöl, spritzten darauf ca. 1/4 l Autokraftstoff und entzündeten das Gemisch. Sie beachteten nicht, daß beim Einfüllen Öl danebengeschüttet worden war. Nachdem sich beide etwa 5 Minuten am Ofen erwärmt hatten, begannen sie mit Reparaturarbeiten. Milentije B*** fiel auf, daß das Öl im Ofen kochte und aus der Einfüllöffnung rann, er unternahm jedoch nichts. Ilija K*** bemerkte schließlich, daß ausgeronnenes Öl in Brand geraten war. Entzündungsursache war entweder die Wärmeübertragung oder das Ausfließen von brennendem Öl aus dem Ofen, dessen Luftklappe offen stand. Während Milentije B*** versuchte, den Brand mit Sand und Koksschlacke zu bekämpfen, schüttete Ilija K*** Wasser ins Feuer, wodurch dieses noch stärker aufflammte.

Nach der Rechtsauffassung des Erstgerichtes sei die beklagte Partei nach § 61 VersVG leistungsfrei. Die Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne des § 61 VersVG könne auch durch Unterlassung erfolgen. Ein solches Verhalten falle dem Geschäftsführer der klagenden Partei zur Last, indem er die Aufstellung und den Betrieb des Ofens unter den festgestellten Umständen geduldet habe. Das Verhalten des Geschäftsführers der klagenden Partei sei auch im Sinne der Auslegung des Begriffes der groben Fahrlässigkeit in ständiger Rechtsprechung als grob fahrlässig zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte die Anwendbarkeit des § 61 VersVG in der Haftpflichtversicherung und die Vorsätzlichkeit im Sinne des § 152 VersVG. Es ging im übrigen davon aus, daß der im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages vorhanden gewesene Ölofen ein von einem Fachunternehmen erzeugter, mit Heizöl betriebener Ofen gewesen sei. Durch die Verwendung eines aus einem Ölfaß selbst hergestellten Ofens, dessen Befeuerung mit altem Motoröl unter Beimengung von Benzin erfolgt sei, sei die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Versicherungsfalles durch Brandschaden ganz offenkundig erhöht worden. Die Verwendung dieses Ofens stelle - vom Standpunkt sachgemäßer vernünftiger Versicherungstechnik aus - eine erhebliche Gefahrerhöhung dar. Die klagende Partei habe diese Gefahrerhöhung ohne Einwilligung der beklagten Partei vorgenommen und auch nie angezeigt. Die beklagte Partei sei daher nach § 25 VersVG leistungsfrei. Das Verschulden des Geschäftsführers der klagenden Partei sei nicht zweifelhaft. Behauptungen in bezug auf die mangelnde Ursächlichkeit der Gefahrerhöhung für den Eintritt des Versicherungsfalles und für den Leistungsumfang des Versicherers habe die klagende Partei nicht einmal aufgestellt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt die klagende Partei einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Abzulehnen ist der Standpunkt der klagenden Partei, daß auch die §§ 23 f. VersVG im Bereich der Haftpflichtversicherung nicht anzuwenden seien und demgemäß Leistungsfreiheit nur bei Vorliegen der Schuldform des Vorsatzes möglich sei. Der § 152 VersVG stellt nur eine Spezialnorm in bezug auf § 61 VersVG dar, die Bestimmungen der §§ 23 f. VersVG über die Gefahrerhöhung und Leistungsfreiheit des Versicherers werden durch ihn nicht berührt (vgl. SZ 52/97). Die Erweiterung der Tatsachengrundlagen durch das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung (vgl. AS 75) wird von der Revisionswerberin nicht bemängelt. Davon ausgehend hat aber das Berufungsgericht das Vorliegen einer Gefahrerhöhung zutreffend bejaht. Eine Gefahrerhöhung ist jede objektive nach Abschluß des Vertrages eingetretene erhebliche Änderung der Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher macht (SZ 51/137; SZ 50/136 ua). Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es offensichtlich, daß die Verwendung eines aus einem Ölfaß selbst hergestellten Ofens und dessen Befeuerung mit Motoraltöl unter Beimengung von Benzin anstelle eines von einem Fachunternehmen hergestellten Heizölofens die Gefahr eines Brandes nicht unbeträchtlich steigert. Hiezu wird von der Revision auch nicht näher Stellung genommen, sondern lediglich das Vorliegen einer Gefahrerhöhung verneint. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin trifft den Versicherer nur die Beweislast für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung (SZ 51/137; VersR 1975, 553), der Beweis des mangelnden Verschuldens und der Kausalitätsgegenbeweis obliegt dem Versicherungsnehmer (Prölss-Martin VVG 23 186 f. mwN). In dieser Richtung erschöpfte sich das Vorbringen der klagenden Partei in erster Instanz in der Behauptung, daß der Brand durch einen Dritten fahrlässig verursacht worden sei. Der Beachtlichkeit dieser Behauptung steht ebenso wie der von der Revision in Abrede gestellten Ursächlichkeit der Gefahrerhöhung für den eingetretenen Schaden die Bindungswirkung des Strafurteils entgegen (vgl. VersR 1972, 1132).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO

Anmerkung

E07352

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00046.85.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19851212_OGH0002_0070OB00046_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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